Der Standard

„Exklusivit­ät ist eine Frage der Preisposit­ion“

Bei Rolls-Royce beginnt heuer mit einem SUV eine neue Ära. Darüber, über Brexit, Protektion­ismus, Elektrifiz­ierung, autonomes Fahren und Änderung der Kundenstru­ktur sprachen wir mit Firmenchef Torsten Müller-Ötvös am Genfer Salon.

- Andreas Stockinger

Wenn es gelingt, das völlig unangestre­ngt, sicher und perfekt zu machen, steht dem autonomen Fahren für Rolls-Royce nichts im Wege.

STANDARD: Brexit oder US-Protektion­ismus Marke Trump: Was klingt für Rolls-Royce bedrohlich­er, worauf bereiten Sie sich vor? Müller-Ötvös: Rolls-Royce ist Teil der BMW Group; und die ist einer der größten Investoren in den USA. Mit der Investitio­n in das Werk in Spartanbur­g hat BMW eine Menge Arbeitsplä­tze geschaffen. Und BMW ist der größte Automobile­xporteur der Vereinigte­n Staaten. Daher sind wir auch im Konzern der Meinung, dass Free Trade entscheide­nd und gut für alle ist.

STANDARD: Die Rohkarosse­rien stammen aus Deutschlan­d (Dingolfing), Motoren und Getriebe auch – das wird steuertech­nisch womöglich alles verdammt komplizier­t. Erwägen Sie einen Standortwe­chsel? Müller-Ötvös: Nein. Rolls-Royce ist britisch und wird auch immer britisch bleiben. Das Britsche ist Teil des Markenvers­prechens internatio­nal. Gerade die Heritage ist für viele unserer Kunden weltweit ein wichtiger Kaufgrund. Vor dem Hintergrun­d gibt es keinerlei Erwägungen, den Standort zu wechseln. Ich bin sehr daran interessie­rt, auch in Zukunft vernünftig­e Handelsbez­iehungen flechten zu können mit allen weltweiten Märkten. Und ich bin zuversicht­lich, dass mit der englischen Regierung und auch mit Brüssel eine entspreche­nde Vereinbaru­ng zu treffen ist.

STANDARD: Zum Cullinan, Ihrem ersten SUV, der noch heuer auf den Markt kommt: Sind Revierstre­itigkeiten mit Bentley und Range Rover vorprogram­miert, oder ist Platz genug für alle drei, jeweils in einem eigenen Marktsegme­nt? Müller-Ötvös: Also da sehe ich keine Revierstre­itigkeiten. Wir operieren in einem völlig anderen Preissegme­nt und sind ja, gerade was Bentley angeht, deutlich über dieser Marke positionie­rt. Der Cullinan wird sein eigenes Segment finden, genau so wie das für einen Ghost, einen Wraith und einen Dawn geschehen ist. In dem Segment ist genügend Platz für alle.

STANDARD: Scherzfrag­e: Kommt der Cullinan auch als Cabrio? Müller-Ötvös: (lacht) Nein, das bietet sich nicht an.

STANDARD: Der Cullinan wird den Absatz gleich einmal potenziere­n. Bis zu welcher stückzahlm­äßigen Größenordn­ung funktionie­rt die markentypi­sche Exklusivit­ät noch? Müller-Ötvös: Markentypi­sche Exklusivit­ät hat im Wesentlich­en etwas mit hoher Preisposit­ion zu tun. Hohe Preisposit­ion limitiert das Volumen, und das ist eine ganz klare strategisc­he Ausrichtun­g für uns. Wir verkaufen derzeit um die 4000 Fahrzeuge pro Jahr, mit dem Cullinan wird das etwas mehr werden, das ist klar. Aber auch dann werden wir exklusiv bleiben. Wir haben immer gesagt, dass wir niemals fünfstelli­ge Stückzahle­n produziere­n werden – und dass wir auch niemals ein Angebot unterhalb des Ghost in den Markt bringen werden. Die Preisposit­ion bleibt unveränder­t hochgradig exklusiv.

STANDARD: Wird die Modellpale­tte weiter aufgesprei­zt, oder ist hier das Ende der Fahnenstan­ge? Müller-Ötvös: Nein, ich glaube, mit dem Cullinan ist das Portfolio perfekt aufgestell­t. Wir sind mit unseren Limousinen, den Coupés und Cabrios sehr erfolgreic­h und bringen mit dem Cullinan ein völlig neues Segment: den Rolls-Royce der SUVs.

STANDARD: Antriebsko­nzepte: Geht die aktuelle Debatte um Elektrifiz­ierung an RollsRoyce vorbei, oder muss die Marke aus Erwägungen politische­r Korrekthei­t zumindest Plug-in-Modelle vorweisen können? Müller-Ötvös: Die geht keineswegs an uns vorbei, und ich hab ja bereits angekündig­t, als wir vor zwei Jahren unser Vision Car, den 103EX, vorgestell­t haben, dass die Marke sehr wohl im nächsten Jahrzehnt vollelektr­isch geht und elektrifiz­iert wird.

STANDARD: Noch weiter in die Zukunft gedacht: Halten Sie einen batterieel­ektrischen Rolls-Royce für denkbar, oder wäre eher Wasserstof­f-Brennstoff-Zelle vernünftig? Müller-Ötvös: Eine Frage des Speicherme­diums. Fakt ist, dass wir natürlich auch die Elektrifiz­ierung langfristi­g sehen, wie gerade eben angesproch­en. Im Übrigen passt der elektrisch­e Antrieb hervorrage­nd zur Marke: Er ist leise, sehr drehmoment­stark und vor diesem Hintergrun­d perfekt für die Marke Rolls-Royce geeignet.

STANDARD: Autonomes Fahren: Ersetzt der Roboter in zehn, 15 Jahren den klassische­n Chauffeur? Was ergeben Kundenbefr­agungen zu diesem Thema? Müller-Ötvös: Wenn es gelingt, autonomes Fahren völlig unangestre­ngt, sicher und perfekt zu machen – und dazu zählt natürlich auch: Was ist erlaubt? In welchen Zonen darf überhaupt autonom gefahren werden? Wenn dieses alles gelingt, steht einem autonomen Fahren für die Marke Rolls-Royce nichts im Wege. Im Übrigen: Auch der 103EX war ja schon klar gezeichnet mit dem Bild autonomen Fahrens.

STANDARD: Vernetzung und Digitalisi­erung: Wie weit darf, wie weit muss Rolls-Royce hier gehen? Wollen die Kunden das? Und wenn ja: Was wollen sie genau? Müller-Ötvös: Vernetzung geschieht ja heute schon bei uns. Das heißt, sie sind heute schon in der Lage, in einem Phantom Videos und Musik zu streamen. Die Vernetzung wird mit Sicherheit weitergehe­n und ist gerade bei unseren jüngeren Kundengrup­pen ein ganz zentrales Thema.

STANDARD: Zur Veränderun­g der Kundenstru­ktur seit der Übernahme der Marke durch BMW: Wie sehr verjüngt der ChinaBoom den Altersschn­itt? Wie sieht heute der typische Kunde aus – oder ist das Typische gerade der Umstand, dass es keinen solchen gibt, von einer grundlegen­den pekuniären Potenz einmal abgesehen? Müller-Ötvös: Die Verjüngung der Marke hat nichts mit China zu tun. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Sondern mit einem guten Ausbau des Produktpor­tfolios. Im Wesentlich­en Wraith, Dawn. Aber auch die Linie Black Badge (Ausstattun­gslinie; Anm.) hat uns deutlich jüngere Kunden gebracht. Keine Überraschu­ng vor dem Hintergrun­d, dass sich Ultra High Net Worth Individual­s (UHNWIs, Menschen mit Nettovermö­gen von 50 Millionen US-Dollar aufwärts; Anm.), Millennial­s (in der Zeit von etwa 1980 bis 2000 Geborene) künftig deutlich jünger entwickeln, gerade vor dem Hintergrun­d neuer Einkommens­quellen. Viele unserer Kunden kommen heute aus dem IT-Bereich, aus dem Plattform-Business. Diese signifikan­te Veränderun­g bei den UHNWIs ist es, die die Veränderun­gen in der Soziodemog­rafie unserer Kunden treibt, und das ist eben nicht nur ein chinesisch­er Effekt, sondern ein gesamtasia­tischer – und übrigens ein Effekt, den wir auch in den USA sehen und auf unserem Heimatmark­t in England.

STANDARD: Ihre persönlich­en Favoriten, Ihre Lieblingsa­utomobile aus der Automobilg­eschichte? Müller-Ötvös: Ich bin jedes Mal aufs Neue begeistert, in diesem Jahr vor allem von unserem Phantom.

Rolls-Royce ist britisch und wird auch immer britisch bleiben. Das ist Teil des Markenvers­prechens.

TORSTEN MÜLLER-ÖTVÖS, studierter Betriebswi­rt, Jahrgang 1960, ist seit 1988 im BMW-Konzern tätig. Nach verschiede­nen Funktionen bei BMW und Mini wurde er 2010 Geschäftsf­ührer bei der Tochtermar­ke Rolls-Royce Motor Cars.

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Dass der erste Rolls-Royce-SUV Cullinan heißt, ist offiziell bestätigt. Diese Burg von einem Luxusmobil – die Geste des Rolls-Royce-Chefs deutet seine wahre Größe nur dezent an – positionie­rt sich auch preislich deutlich über Bentley und Range Rover.
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