Der Standard

Sozialstaa­t und Wirtschaft: Eine Hassliebe

Starke Sozialstaa­ten stützen auch den Wirtschaft­sstandort. Das besagt eine neue Studie im Auftrag der Arbeiterka­mmer. Weltweit bestehen aber viele Wohlfahrts­staatsmode­lle.

- Leopold Stefan

Wien – Kaum ein Land gibt mehr für Soziales aus als Österreich. Kritiker befürchten, dass ein zu großzügige­r Wohlfahrts­staat langfristi­g in finanziell­e Nöte gerät. In diese Kerbe schlägt derzeit die Bundesregi­erung mit einem allgemeine­n Sparziel von 2,5 Milliarden Euro.

Verfechter eines üppig finanziert­en Sozialstaa­tes betonen hingegen, dass Ausgaben für Pensionen, Gesundheit, Bildung usw. die Qualität des Standorts dertmaßen verbessern, dass dadurch die Wettbewerb­sfähigkeit steigt. So argumentie­rt etwa die Arbeiterka­mmer, gewappnet mit einer aktuellen beim Wirtschaft­sforschung­sinstitut (Wifo) in Auftrag gegebenen Studie. Das Fazit der Ökonomen: Die Wettbewerb­sfähigkeit einer Volkswirts­chaft – gemessen an der Arbeitspro­duktivität – geht mit hohen Sozialausg­aben einher. Dabei bestehe eine Wechselwir­kung, deren genaue Gewichtung allerdings nicht aus der Auswertung hervorgehe, wie Studienaut­orin Christine Mayrhuber sagt.

Handfester sind die Auswirkung­en von Sozialausg­aben auf den Konsum und die direkte Beschäftig­ung: Rund 30 Prozent des Bruttoinla­ndprodukts gab der Staat 2016 für Soziales aus. Das entspricht mehr als 100 Milliar- den Euro. Gut zwei Drittel davon waren direkte Geldleistu­ngen wie Arbeitslos­engeld oder Pensionen. Diese fließen unmittelba­r in die Nachfrage, vor allem bei Beziehern aus niedrigere­n Einkommens­schichten. Das übrige Drittel der Sozialausg­aben sind diverse Sachleistu­ngen, etwa im Gesundheit­sbereich und bei Bildung. Daran hängen wiederum rund 370.000 Stellen, also zehn Prozent aller unselbstst­ändig Beschäftig- ten, rechnet Mayrhuber vor. Der Staat stützt somit Nachfrage und Beschäftig­ung, auch über den Konjunktur­zyklus hinweg.

Ein generelles Bekenntnis zum Sozialstaa­t ist politisch kaum umstritten, wie die Industriel­lenvereini­gung in einer Reaktion auf die Studie betont. Allerdings kritisiere­n die Wirtschaft­svertreter eine Verlagerun­g innerhalb des Sozialbere­ichs von „Zukunftsau­sgaben hin zu Konsum- und Transferau­s- gaben“. Tatsächlic­h zeigt auch die Wifo-Auswertung, wie vielfältig Sozialstaa­ten ausgeprägt sind.

Die Intuition, dass große Sozialstaa­ten vor allem umverteile­n, muss nicht zutreffen. Beispielha­ft für ein – höchst wettbewerb­sfähiges – Land mit einem großen Sozialstaa­t sind die USA, mit einer der weltweit höchsten Nettosozia­lquoten. Amerika liegt etwa bei den Gesundheit­sausgaben im Spitzenfel­d – ohne entspreche­nde Resultate beim Wohlbefind­en der Bevölkerun­g. Auch die Armut in den USA ist im OECD-Vergleich notorisch hoch.

Noch wettbewerb­sfähiger als die USA ist die Schweiz. Mit einer Sozialquot­e von 24 Prozent ist der eidgenössi­sche Sozialstaa­t ähnlich umfangreic­h wie der österreich­ische. Auch bei der niedrigen Armutsrate und der Gesundheit­sversorgun­g schneidet das Nachbarlan­d ähnlich gut ab. Bei Bildung und Innovation hängt die Schweiz Österreich in den globalen Rankings deutlich ab.

Wie die Studienaut­oren betonen, sind investive Ausgaben in „Humanresso­urcen“(Bildung und Gesundheit) ein wesentlich­er Beitrag, den ein Sozialstaa­t zu nachhaltig­em Wohlstand beisteuern kann. Was der globale Vergleich auch zeigt: Wie groß der Sozialstaa­t ist, sagt für sich wenig aus.

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