Leipziger Sprachblühen
Bei der Buchmesse Leipzig ausgezeichnet wurde unter anderem Esther Kinsky
Eine Fachmesse für Therapie und Rehabilitation hat die Hallen zuvor belegt. Man kann einander aber auch mit Worten Gutes tun. „Ja, dein neues Buch interessiert mich auch“– so darf man sich Begegnungen von Autoren vorstellen, die gerade ein neues Opus herausgebracht haben. Auf einer Buchmesse ereignen sie sich naturgemäß gehäuft.
Dass Sprachkunst auch im Profanen blüht, untermauern weitere Ohrenschmäuse vom ersten Messetag. „Das Nadelöhr Handel wird immer größer“gehört zu den schönsten. Die paradox klingende Feststellung wollte sagen, dass das klassische Modell des Literaturvertriebs über Buchhandlungen immer schlechter funktioniert.
Direktere Endkundeninteraktion sei gefragt! „Weglasstitel“wiederum bezeichnet Bücher, die Buchhändler erst gar nicht mehr in die Regale räumen, weil sie im ökonomischen Kontext absehbar schlecht performen werden und konkurrenzfähigeren Titeln nur Platz wegnähmen.
Was aber verspricht Erfolg? „Die klassische Rezension bringt gar nichts mehr“, hieß es. Besser wirken offenbar Bestsellerlisten. Die wenigen Top-Titel aus 60.000 Neuerscheinungen jährlich sollen für elf Prozent des Buchumsatzes sorgen. Verkaufsfördernd wirken ebenso Debatten. Das politische Sachbuch sei im Aufwind, auch das wirklich sachliche und hintergründige – und nicht nur das, das auf Empörung aus ist.
Apropos: Die Lage im hinteren rechten Eck der Halle 3 war entspannt. Beim Compact-Verlag hingen Poster, die unter anderem vor Islamisierung warnten, doch gab es keinerlei Tumult. Ebenso bei Anataios. Der Andrang war hier generell überschaubar. Autor Uwe Tellkamp, der jüngst mit AfD-Nähe aufgeregt hatte, sagte indes kommende Lesungen ab. Er fürchtet, sie könnten politisch „zweckentfremdet“werden.
Tageshöhepunkt war die Vergabe der Preise der Leipziger Buchmesse (60.000 Euro). Sie gingen an Sabine Stöhr / Juri Durkot (Übersetzung, Internat), Karl Schlögel (Sachbuch, Das sowjetische Jahrhundert) und Esther Kinsky (Belletristik, Hain).