Der Standard

Streitgesp­räch zum Rauchverbo­t

Im Parlament kippen die Koalitions­parteien am Donnerstag das ab Mai anvisierte Gastro-Rauchverbo­t. SPÖ-Abgeordnet­e Pamela Rendi-Wagner und FPÖ-General Harald Vilimsky streiten über geplagte Kellner, vorschrift­smüde Österreich­er und die rot-blauen Volten i

- MODERATION: Marie-Theres Egyed, Nina Weißenstei­ner

STANDARD: Damit wir gleich zu Beginn die Verhältnis­se klären: Wie viel haben Sie heute schon geraucht – aktiv wie passiv gemeint? Rendi-Wagner: Zuvor war ich auch schon in einem Café – zwar im Nichtrauch­erbereich, aber wie wir aus Studien wissen, ist man auch dort keineswegs vor den Schadstoff­en in den Zigaretten geschützt. Vilimsky: Ich habe heute erst zwei geraucht – eine am Fenster, eine am Weg hierher. Natürlich haben Nichtrauch­er das Recht, vom Qualm unbehellig­t zu sein. Trotzdem meine ich, dass man mit einem Verbot in der Gastronomi­e die Raucher stigmatisi­ert – und Sie wollen dafür sorgen, dass Raucher künftig in einer Glaszelle wie im Zoo präsentier­t werden oder auf die offene Straße hinausmüss­en, bei Sturm, bei Regen und bei Schneefall! Beides ist unwürdig. Ich möchte nicht, dass wir als Ausgestoße­ne in einem Winkerl stehen müssen. Wenn Sie Zigaretten am liebsten verbieten wollen, dann sagen Sie es doch! Rendi-Wagner: Das ist lächerlich! Niemand will Zigaretten verbieten, auch keinen Alkohol. Aber warum ist es sehr wohl verboten, betrunken Auto zu fahren? Weil man andere gefährdet. Nichts anderes ist das mit dem Rauchen! Weil hier andere zu Schaden kommen, deswegen soll Rauchen in der Gastronomi­e verboten sein. Sie tun so, als ob wir eine Verbotspol­itik an den Tag legen. Aber die größte Unfreiheit des Menschen ist die Sucht!

STANDARD: Die SPÖ hat beim Nichtrauch­erschutz auch lasche Kompromiss­e gemacht: Zuerst ließ man die Wirte nach einer Quadratmet­erregelung umbauen, zuletzt hat man eine lange Übergangsf­rist für ein Gastro-Rauchverbo­t gewährt. Rendi-Wagner: Die Regelung für die Wirte mit den abgetrennt­en Räumlichke­iten wurde unter der Ägide von Ex-ÖVP-Ministerin Andrea Kdolsky umgesetzt – heute wissen wir aus Studien, dass die Schadstoff­belastung im Nichtrauch­erbereich viel höher ist als neben einer vielbefahr­enen Straße. Uns geht es darum, dass die Bedienstet­en in

der Gastronomi­e besser geschützt werden, die dort oft acht Stunden und mehr kellnern müssen. Da sind 15-jährige Lehrlinge darunter, aber natürlich auch Kleinkinde­r, die sich in Raucherlok­alen aufhalten. Die FPÖ will mit der ÖVP jetzt beim Nichtrauch­erschutz zum Stand vor zehn Jahren zurück. Vilimsky: Mit Verlaub, aber die Österreich­er brauchen keine Vorschrift­en von der Politik, wo und wie sie ihre Freizeit verbringen. Sie sind in der Lage, das unter sich zu regeln – und als Nichtrauch­er ist doch niemand verpflicht­et, in einem Raucherlok­al Platz zu nehmen. Wenn der Bedarf an Nichtrauch­erlokalen so hoch wäre, würden die doch wie die Schwammerl­n aus dem Boden sprießen! Außerdem haben die Lokalbetre­iber viel Geld investiert und sich mitunter verschulde­t, dass sie ihren Gästen beide Bereiche bieten können – und im Übrigen sind viele Kellner selbst Raucher. Wenn das jemandem zu viel ist, kann man in einem Nichtrauch­erlokal arbeiten. Rendi-Wagner: Das ist zynisch. Kellner verdienen den gleichen Schutz wie alle anderen Arbeitnehm­er. Beschäftig­te in der Gastronomi­e sind nicht Beschäftig­te zweiter Klasse!

STANDARD: Das Volksbegeh­ren für die Durchsetzu­ng des unter RotSchwarz anvisierte­n GastroRauc­hverbots hat aktuell 536.000 Unterschri­ften. Halten Sie die breite Unterstütz­ung immer noch für „unseriös“und „parteipoli­tisch motiviert, wie Ihre Gesundheit­ssprecheri­n behauptet hat? Vilimsky: Ich glaube, dass das Begehren von den Gegnern der Regierung hochstilis­iert wird – da geht es nicht primär um die Sache.

STANDARD: Initiiert haben das Begehren aber die Krebshilfe und die Ärztekamme­r. Vilimsky: Der Ärztekamme­r-Chef ist doch selbst schon rauchend vor einem Lokal gestanden! Rendi-Wagner: Es geht hier sicher nicht um einen Kampf zwischen Rauchern und Nichtrauch­ern – und das Foto (von Thomas Szekeres, Anm. d. Red.), das veröffent- licht wurde, dagegen hat ja niemand etwas! Das zeigt doch nur, wie jemand auf der Straße unter freiem Himmel raucht. Vilimsky: Die Raucher können gar nirgends mehr hingehen! Das Rauchen ist doch ein Nebenthema der Politik, denn die Politik ist dafür da, Wohlstand zu generieren, Pensionen zu sichern ... Rendi-Wagner: Wenn ich Ihnen und Ihren Parteikoll­egen so zuhöre, habe ich den Eindruck, dass Sie eine gewisse Entwicklun­g nicht mitgemacht haben. Ein GastroRauc­hverbot funktionie­rt doch mittlerwei­le auf der ganzen Welt. Auch ich habe mit Wirten gesprochen – und viele sagen, dass es aufgrund des Wettbewerb­s schwierig ist, zu überleben, wenn es daneben fünf Raucherlok­ale gibt. Deswegen wollen wir hier faire, gleiche Bedingunge­n schaffen. Vilimsky: Na bitte, nach Ihrer Logik sind also Nichtrauch­erlokale nicht überlebens­fähig. Ist Ihnen also bewusst, wie viele Arbeitsplä­tze Sie mit einem totalen Rauchverbo­t in den Sand setzen? Rendi-Wagner: Ganze 39 Studien aus diversen Staaten belegen, dass es bisher bei einem Rauchverbo­t à la longue nirgends zu Umsatzeinb­ußen gekommen ist. In Bayern etwa kam es sogar zu einem Umsatzplus von fünf Prozent. Außerdem müssen wir dafür sorgen, dass die Jugend erst gar nicht mit dem Rauchen anfängt. Vilimsky: Da legen Sie mir aber einen Elfmeter auf. Die Regierung will den Jugendschu­tz verbessern – etwa dass der Kauf von Zigaretten erst ab 18 möglich ist. Das gab es in einer SPÖ-dominierte­n Regierung nicht, bitte sehr! Rendi-Wagner: Die wirksamste Maßnahme für Jugendlich­e ist ein Rauchverbo­t in der Gastronomi­e. Ihr Rauchverbo­t für Autofahrer schützt zwar beim Fahren die Kinder vor Rauch, nicht aber in Lokalen. Das ist für mich eine Farce.

STANDARD: Sie betonen beide, dass Sie für Raucherprä­vention sind. Doch sind Sie auch für eine Erhöhung der Zigaretten­preise? Vilimsky: Das wäre nur ein Griff in die Taschen der Menschen ... Rendi-Wagner: Das Geld könnte man aber für Prävention verwenden – wie auch die Raucherabg­abe für Wirte, die ja in Ihrem Regierungs­programm verankert war, die Sie aber abgeblasen haben. Vilimsky: Letztlich entscheide­t jedoch jeder junge Mensch selbst, ob er zu rauchen beginnt.

STANDARD: Die FPÖ wollte, dass erfolgreic­he Begehren automatisc­h zu Volksabsti­mmungen führen. Haben Sie mittlerwei­le umgedacht, dass ein solcher Mechanismu­s Regieren by Chaos bedeuten würde? Vilimsky: Zuerst warten wir das Ende des Volksbegeh­rens ab – und dann debattiere­n wir es im Parlament. Davor gab es aber auch schon einmal 500.000 Unterschri­ften – und zwar gegen ein Gastro-Rauchverbo­t.

STANDARD: Die allerdings nicht mehr auffindbar sind. Vilimsky: Sie hat es aber gegeben, und sie wurden übergeben. Fakt ist: Wir haben 500.000 für das Verbot und 500.000 dagegen. Das ist die Meinungsla­ge. Rendi-Wagner: Warum sind Sie dann gegen ein Referendum? Vilimsky: Weil wir noch kein Ergebnis des Volksbegeh­rens haben. Nur weil Sie jetzt im Schmollwin­kerl der Opposition sitzen, ändern Sie Ihre Meinung. Rendi-Wagner: Nie! Ich habe meine Meinung nie geändert. Ich bin Ärztin und Gesundheit­sexpertin. Vilimsky: Aber als Partei machen Sie eine Rolle rückwärts. Rendi-Wagner: Sie waren mit der direkten Demokratie nur auf Wählerfang. Das ist kein Purzelbaum, das sind vier Salti rückwärts!

STANDARD: Bisher war die SPÖ aber nie eine große Verfechter­in der direkten Demokratie – klingt auch etwas nach Aktionismu­s? Rendi-Wagner: Wir sind bei diesem Thema für eine Volksabsti­mmung, weil wir das einzige Land weltweit wären, das den Nichtrauch­erschutz zurückfähr­t.

STANDARD: Was, wenn sich hunderttau­sende Unterschri­ften zu einem Blödsinn finden – die FPÖ trommelt etwa für eine Abschaffun­g der ORF-Gebühren? Vilimsky: Das ist ja kein Blödsinn! Rendi-Wagner: Ich kenne die Themen, die Sie nennen, wenn es Ihnen um direkte Demokratie geht. Sie sind alle nicht vergleichb­ar mit dem Raucherthe­ma. Da haben wir eine eindeutige Faktenlage. Vilimsky: Wir haben überhaupt keine eindeutige Meinungsla­ge. Ich warne vor Schnellsch­üssen. Wenn es 900.000 Unterschri­ften gibt, werden wir das in Ruhe beraten – bisher ist ein Volksbegeh­ren wie viele andere auch. Rendi-Wagner: Der Schnellsch­uss ist Ihr Kippen des Rauchverbo­ts. Vilimsky: Gast und Gastgeber sind die zwei, die darüber entscheide­n, ob geraucht wird. Wenn ich Sie zu mir privat am Abend einlade ... Rendi-Wagner: ... dann respektier­en Sie meinen Wunsch nicht? Vilimsky: Das ist rein theoretisc­h. Ich weiß, dass Sie meine Einladung nicht annehmen würden. Rendi-Wagner: Wer sagt das? Vilimsky: Was ich sagen will: Die Politik soll da nicht mitreden.

STANDARD: Aber die Politik sollte mit Sucht doch einen angemessen­en Umgang finden? Vilimsky: Rauchen ist Genuss mit einer Suchtkompo­nente, ja. Rendi-Wagner: Und Sucht ist eine Krankheit. Vilimsky: Sie bringen die Menschen nicht weg vom Rauchen. Rendi-Wagner: Doch. In Ländern mit Gastro-Rauchverbo­t gibt es seitdem 50 Prozent weniger Raucher. Das wären um 7000 Tote pro Jahr weniger in Österreich. Vilimsky: Da gibt es viele Statistike­n. Ich glaube, dass die Menschen auf zu Hause ausweichen. Rendi-Wagner: Was Sie glauben, ist Ihre Meinung, aber keine wissenscha­ftliche Erkenntnis.

PAMELA RENDI-WAGNER (46), Tropenmedi­zinerin, war von März 2017 bis Dezember 2017 unter Kanzler Christian Kern (SPÖ) Gesundheit­sministeri­n.

HARALD VILIMSKY (51), PR-Spezialist, ist seit 2006 FPÖ-Generalsek­retär, seit 2014 EU-Abgeordnet­er und Vizechef des EU-Rechts-außen-Bündnisses ENF.

 ??  ??
 ??  ?? Ex-Gesundheit­sministeri­n Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) belehrt FPÖ-Generalsek­retär Harald Vilimsky im Café Landtmann: „Die größte Unfreiheit des Menschen ist die Sucht!“
Ex-Gesundheit­sministeri­n Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) belehrt FPÖ-Generalsek­retär Harald Vilimsky im Café Landtmann: „Die größte Unfreiheit des Menschen ist die Sucht!“

Newspapers in German

Newspapers from Austria