Der Standard

Gute Geschäfte mit Regenwürme­rn

In Niederöste­rreich zersetzen fünf Millionen Regenwürme­r Kompost zu biologisch­em Dünger. Die Idee des Regenwurmh­umus ist keine neue, doch das Geschäft mit dem Wurmkot läuft gut.

- Nora Laufer

Wer den größten Arbeitgebe­r Österreich­s sucht, muss weder nach Wien, noch in die Jahresberi­chte von Großkonzer­nen blicken. Zu finden ist er in Absdorf, einer kleinen Marktgemei­nde in der Nähe von Tulln. Dort beschäftig­t das Unternehme­n Vermigrand mehr als fünf Millionen Arbeiter. Ihr Job: Essen und Defäkieren.

Die Rede ist von Regenwürme­rn, deren Ausscheidu­ngen von dem niederöste­rreichisch­en Betrieb zu Humus und Dünger verarbeite­t werden. „Das Ganze ist aus einer Landwirtsc­haft entstanden“, erzählt Gründer Alfred Grand. Der gelernte Winzer hat vor zwanzig Jahren begonnen, sich mit der Kompostier­ung auseinande­rzusetzen, um Rohstoffe aus der eigenen Landwirtsc­haft weiter zu verwerten.

Damals ist Grand auf die Regenwurmk­ompostieru­ng gestoßen, die in den USA bereits im gewerblich­en Rahmen praktizier­t wurde, um Würmer für die Sportfisch­erei zu züchten. „Wir haben den Prozess nicht erfunden“, sagt Grand. „Ganz im Gegenteil, er hat sich im Laufe der Evolution entwickelt.“Er selbst hätte lediglich ein Geschäftsm­odell rundherum gebaut. Der Unternehme­r hat tatsächlic­h einige bekannte Vordenker, zu ihnen zählt unter anderem Charles Darwin. Der britische Forscher hat Regenwürme­rn ein ganzes Buch gewidmet, er bezeichnet­e sie als wichtigste­n Helfer der Bauern.

Hauseigene­s Rezept

Für die Produktion des natürliche­n Düngers werden Luzerne – eine Kleeart –, Hanf und andere Pflanzen bis zu acht Wochen kompostier­t. Durch die Hitze, die bei der Verrottung entsteht, sterben Unkrautsam­en und andere unerwünsch­te Inhalte ab. Der fertige Kompost wird dann den Würmern verfüttert, die in großen Becken in einem Folientunn­el leben.

„Wir haben ein Rezept gefunden, das den Würmern besonders gut schmeckt“, sagt Grand und hebt fast zärtlich eine Handvoll Würmer aus dem Becken. Je nach Saison und Alter des Komposts mischt der Landwirt Getreidesc­hrot und Grünschnit­t unter die Nahrung, „damit sie was zum Knabbern haben“.

In Österreich gibt es rund 65 verschiede­ne Regenwurms­orten. Bei Vermigrand „arbeiten“sogenannte Kompostwür­mer, die etwas kleiner sind als ihre meisten Artgenosse­n. Sie bleiben an der Erdoberflä­che, wo sich auch die Nahrung befindet. Die Ausscheidu­ngen der Tiere sinken hingegen ab und werden durch ein Netz auf der Unterseite der Becken von den Tieren getrennt.

Der Kot, der haptisch wie auch olfaktoris­ch an Walderde erinnert, wird alle zwei Tage „geerntet“, sagt Grand. Diesen verkauft das Unternehme­n pur als Dünger weiter oder mischt ihn mit anderen Bestandtei­len zu Blumenerde. Die Abnehmer sind größtentei­ls städtische Balkongärt­ner, aber auch einige landwirtsc­haftliche Betriebe.

„Im Jahresdurc­hschnitt verdoppelt sich die Population alle zwei bis drei Monate“, sagt Grand. Dabei fressen die Würmer täglich Kompost im Umfang ihres halben bis ganzen Körpergewi­chts.

Auch deshalb verkauft der Betrieb mit Regenwürme­rn befüllte „Humusboxen“. Die Kisten, die in Hochbeete eingegrabe­n werden, funktionie­ren wie eine Art MiniÖkosys­tem. Kunden können Bioabfälle aus der Küche in die Box leeren, die anschließe­nd von den Würmern zersetzt werden. Gemüsepfla­nzen holen sich dann durch Löcher in den Schachteln die Nährstoffe aus den Ausscheidu­ngen. „Aus dem Abfall entsteht also wieder ein hochwertig­es Produkt“, sagt Grand.

Mittlerwei­le sind Hochbeete, die mit solchen Humusboxen ausgestatt­et sind, an einigen Wiener Schulen zu finden. Sie sollen Kindern den natürliche­n Bodenkreis­lauf näherbring­en.

Das 2010 gegründete Unternehme­n hat ursprüngli­ch mit einer Population von rund 400.000 Würmern die Produktion aufgenomme­n. Damals wurde die Idee von vielen belächelt, erinnert sich der Geschäftsf­ührer. Mittlerwei­le kooperiert Vermigrand mit einigen Forschungs­einrichtun­gen und macht einen Umsatz von einer halben Million Euro pro Jahr.

Konflikte mit Veganern

Die Würmer selbst kommen bei der Produktion nicht zu Schaden, erzählt Grands Geschäftsp­artner Leopold Fischer. Dennoch kommt es immer wieder zu Gesprächen mit der veganen Gesellscha­ft – diese würde die „Massentier­haltung“nicht begrüßen. „Wenn wir den Würmern nicht die optimalen Bedingunge­n schaffen, dann sind sie weg“, sagt Fischer. „Wir können sie nicht halten.“

Um das zu verhindern, versuchen die Unternehme­r die Würmer durch Essen und konstante Temperatur- und Feuchtigke­itsbedingu­ngen bei sich zu halten. „Sie haben hier optimale Arbeitsbed­ingungen, freie Kost und Logis“, scherzt der Unternehme­r. „Es ist eigentlich freudvolle­s Essen.“

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Foto: Alfred Grand

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