Der Standard

Kickl wirft Kritikern Verschwöru­ngstheorie­n vor

Protokoll beschreibt „chaotische Situation“bei Hausdurchs­uchung im Verfassung­sschutz

- Günther Oswald

Wien – Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) beteuerte in einer Sondersitz­ung des Nationalra­ts, dass bei der umstritten­en Razzia beim Verfassung­sschutz rechtliche Vorgaben „auf Punkt und Beistrich“eingehalte­n worden sind. Er beschwerte sich über „Verschwöru­ngstheorie­n“und ein „linkes Spiel“der SPÖ, die mit einem parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss droht.

Die Protokolle der Hausdurchs­uchung, die STANDARD und Profil vorliegen, zeichnen jedoch ein anderes Bild von der Hausdurchs­uchung. Die Staatsanwä­ltin spricht dort von einer „eher chaotische­n Situation“. Offenbar waren Staatsanwä­lte von den vier anonymen Zeugen, deren Aussagen die Razzia ausgelöst hatten, teils falsch informiert worden. So war in einer Privatwohn­ung nach einem Safe gesucht worden, der gar nicht existiert. Einige der Beschuldig­ten haben laut Protokoll „sehr emotional“auf die Vorwürfe reagiert, wenngleich diese noch immer vage sind. So ist bei einem Ermittlung­sstrang etwa die Rede von einer „noch auszuforsc­henden Person“, der angeblich durch die Kopie von Daten Schaden zugefügt worden sei. (red)

Wolfgang Sobotka schwante schon das Schlimmste. Der Verfassung­sschutz sei ein äußerst sensibles Thema, darum ersuche er die Abgeordnet­en, sich mit der „gebotenen Sachlichke­it“zu äußern, so das Plädoyer des Nationalra­tspräsiden­ten zu Beginn der Sondersitz­ung zur Causa BVT. Die SPÖ hatte am Montag in einer Dringliche­n Anfrage gleich 40 Fragen über die „Besorgnise­rregenden Vorgänge im Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g“an Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) eingebrach­t.

Die pure Sachlichke­it brachte die Sitzung dann aber nicht, teilweise wurde es laut und emotional, und auch wenn die SPÖ offiziell erst am Dienstag über die Einsetzung eines Untersuchu­ngsausschu­sses entscheide­n will, wurde rasch auch klar, entlang welcher Fronten dieser dann wohl verlaufen wird (s. Seite 3).

„Salamitakt­ik“

Die SPÖ mit Parteichef Christian Kern sieht in der Art und Weise, wie es zu Hausdurchs­uchungen beim BVT kam, eine „nachhaltig­e Schädigung des Sicherheit­sapparates“. Zur Erinnerung noch einmal die Vorgeschic­hte: Am 28. Februar kam es im BVT zu einer Hausdurchs­uchung. Fünf Personen, darunter dem mittlerwei­le suspendier­ten Behördenle­iter Peter Gridling, wird Amtsmissbr­auch vorgeworfe­n. Es geht einerseits darum, dass Anordnunge­n zur Löschung von Daten nicht erfüllt worden sein sollen, und anderersei­ts um nordkorean­ische Passrohlin­ge, die von BVT-Beamten an Südkorea übergeben wurden.

Da der Öffentlich­keit zunächst teilweise widersprüc­hliche Informatio­nen bekanntgeg­eben wurden, sprach Kern von einer „Salamitakt­ik“. Hinter der Hausdurchs­uchung – zuletzt hatte sogar der Generalsek­retär des Justizress­orts deponiert, dass man wohl auch zu gelinderen Mitteln hätte greifen können – vermutet Kern: „Man wollte maximales Aufsehen und eine maximale Einschücht­erung der Beamten erreichen.“Scharf kritisiert wurde vom Exkanzler auch der Leiter der Einsatztru­ppe gegen Straßenkri­minalität (EGS).

Diese Einheit, die vom FPÖ-Gemeindepo­litiker Wolfgang Preiszler geleitet wird, führte die Razzia im BVT und in Privatwohn­ungen von Beschuldig­ten im Auftrag der Staatsanwa­ltschaft durch. Preiszler ist aber wie berichtet auch dafür bekannt, auf Facebook mitunter rassistisc­he Inhalte zu teilen. „Da dreht es einem den Magen um. Das ist antisemiti­scher Mist, rassistisc­he Hetze“, kommentier­te Kern die Preiszler’schen Socia-MediaAktiv­itäten (siehe unten).

Kickl ließ sich von all dem nicht beeindruck­en. Auf der Regie- rungsbank – Kanzler Sebastian Kurz ließ sich nicht blicken – holte er zu einem Rundumschl­ag aus. „Putsch, Intrigen, Machtkampf, Umfärbung – nicht ein Begriff trifft auf den Sachverhal­t zu. Die Skandalisi­erung eines gesetzmäßi­gen Vorganges, das ist der Skandal, mit dem wir es zu tun haben“, lautet seine Interpreta­tion der BVT-Affäre. Kern betreibe ein „linkes Spiel“und füge jenen Beamten, die nur ihre Aufgaben gewissenha­ft erledigen würden, Schaden zu.

Jene, die einen Beitrag zur Aufklärung von möglichen Straftaten leisteten, „werden hingestell­t, als ob sie die Täter wären“, sagte der blaue Innenminis­ter.

Die Beantwortu­ng der 40 Fragen förderte dann kaum neue Details zutage. Kickl räumte – wie zuletzt schon im Bundesrat – ein, dass sein Generalsek­retär Peter Goldgruber und ein Kabinettsm­itarbeiter bei der Einsatzbes­prechung vor der Hausdurchs­uchung dabei gewesen seien. „Ich wurde von diesem Schritt von Goldgruber informiert.“

Neuerlich waren auch die Aussagen jener vier Belastungs­zeugen Thema, die laut Justiz Hauptgrund für die Razzia waren. Wie berichtet wurden zwei der vier Personen von Kickls Mitarbeite­r Udo Lett zur Staatsanwa­ltschaft begleitet. „Das ergab sich unmittelba­r vor der Einvernahm­e“, erklärte Kickl. Einen Auftrag von ihm, diese zu begleiten, habe es nicht gegeben, auch gebe es „kein Naheverhäl­tnis“zwischen Lett und den Zeugen.

Die Suspendier­ung Gridlings stellte der Minister neuerlich als alternativ­los dar. Das sehe das Beamtendie­nstrecht im Falle von strafrecht­lichen Ermittlung­en so vor. Warum das vom Bundespräs­identen bereits unterschri­ebene Bestallung­sdekret Gridlings wochenlang liegen gelassen wurde, führte Kickl nicht konkret aus. Er verwies lediglich darauf, dass das Dokument zunächst beim (mittlerwei­le aus dem Dienst geschieden­en) Sektionsch­ef Michael Kloibmülle­r gelegen sei und die Suspendier­ung dann „nach dienstrech­tlicher Prüfung“erfolgt sei.

ÖVP will mitarbeite­n

Die Fraktionen sind nun offenbar schon ganz auf einen U-Ausschuss eingestell­t. ÖVP-Mandatar Werner Amon verwies darauf, es sei doch „SPÖ-Anwalt“Gabriel Lansky gewesen, der den vermeintli­chen BVT-Datenmissb­rauch gemeldet habe. Sollte es zu einem U-Ausschuss kommen, werde man natürlich „intensiv mitarbeite­n“. Und, so Amon in Richtung Kern: „Die politische Verantwort­ung, die weit in Ihre Partei hineinreic­ht, die wäre dann zu untersuche­n.“

Neos-Parteichef Matthias Strolz ist zwar ebenfalls für einen U-Ausschuss, ließ aber bereits Kritik an der von der SPÖ ventiliert­en Absicht, diesen ohne die anderen Opposition­sparteien einzusetze­n, durchkling­en. Offenbar wolle die SPÖ die Kontrolle über den Ausschuss nicht aus der Hand geben.

Die Liste Pilz wiederum griff gleich zum härtesten aller opposition­ellen Mittel, einem Misstrauen­santrag, gegen Kickl, der naturgemäß von ÖVP und FPÖ abgelehnt wurde. Einbringen will sich auch wieder Parteigrün­der Peter Pilz. Er kündigte für Dienstag eine Pressekonf­erenz und „neue Fakten“an.

Am Montag war seine Fraktion noch an einer gemeinsame­n Dringliche­n mit der SPÖ gescheiter­t. Die Abgeordnet­e Alma Zadić kam zu spät zur Unterzeich­nung.

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Alles in blauer Hand: Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) wehrte sich in der Sondersitz­ung des Nationalra­ts dagegen, dass eine korrekte Amtshandlu­ng im BVT zum Skandal hochstilis­iert werde.
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Mit der Hausdurchs­uchung beim BVT habe das Innenresso­rt von Herbert Kickl „maximale Einschücht­erung der Beamten“erreichen wollen, glaubt SPÖ-Chef Christian Kern.

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