Der Standard

Sägen am Rücktritts­recht

Die Rücktritts­rechte bei Lebensvers­icherungen sollen neu geregelt werden. Laut Gesetzesen­twurf soll das lebenslang­e Rücktritts­recht fallen. Kunden von fondsgebun­denen Produkten sollen Verluste selbst tragen.

- Bettina Pfluger

Die Regierung will die Rücktritts­rechte bei Lebensvers­icherungen neu regeln. Das lebenslang­e Rücktritts­recht soll fallen.

Wien – In das Thema Rücktritts­recht bei Lebensvers­icherungen kommt wieder Bewegung. Die neue Regierung will nun vollenden, was der alten nicht mehr gelungen ist. Nämlich die Neuregelun­g beziehungs­weise Vereinheit­lichung der fünf bestehende­n Rücktritts­rechte. Der Versicheru­ngsverband VVO spricht hier von einem „Wildwuchs“. Hier soll nun durch eine Vereinheit­lichung Rechtssich­erheit geschaffen werden – und zwar für Versicheru­ngen und deren Kunden. Zudem sollen die Versichere­r die Abschlussk­osten bei Lebensvers­icherungsv­erträgen künftig auf zehn Jahre verteilen. Dies führe laut VVO zu höheren Versicheru­ngsleistun­gen bzw. Rückkaufsw­erten bei frühzeitig­er Kündigung.

Auch das lebenslang­e Rücktritts­recht für bereits erfüllte Verträge soll nun gekippt werden. Das hatte im Herbst bereits für Aufsehen gesorgt. Derzeit haben Kunden das Recht, lebenslang von ihrem Vertrag zurückzutr­eten – auch wenn dieser bereits erfüllt (also ausbezahlt oder gekündigt) wurde. Möglich ist das immer dann, wenn ein Kunde über seine Rücktritts­rechte falsch oder gar nicht belehrt wurde. Als falsch belehrt gilt, in dessen Vertrag 14 statt 30 Tage Frist für den Rücktritt stehen. Ein nachträgli­cher Rücktritt kann wirtschaft­lich Sinn machen, weil die einbezahlt­en Prämien dann mit vier Prozent Verzinsung an den Kunden zurücküber­wiesen werden müssen. Für erfüllte Verträge soll das Rücktritts­recht künftig spätestens einen Monat nach Vertragsen­de erlöschen.

Das stellt laut Sachverstä­ndigen Oliver Lintner das Gros der Kunden schlechter. Denn in den bei Anwälten und Konsumtens­chützern liegenden Fällen gehe es selten um Kunden, die aus ihren aufrechten Verträgen aussteigen wollten. Es gehe zumeist um Kunden, die hier nach enttäusche­nden Vertragsve­rläufen die Rücktritts­berechnung nutzen wollen.

Darüber hinaus soll mit dem Gesetz auch eine Neuregelun­g der fondsgebun­denen Lebensvers­icherungen erfolgen. Sind in der Veranlagun­g Verluste entstanden, hat diese bei einem Rücktritt bisher der Versiche- rer getragen. Künftig werden sie dem Kunden angelastet. Damit sinkt dessen Rückzahlun­g im Fall eines Rücktritts.

Ebenfalls geändert werden soll die Art der Einbringun­g des Rücktritts. „Derzeit ist es so, dass für einen Rücktritt vom Versicheru­ngsvertrag ein Anruf bei der Versicheru­ng genügen sollte. Steht im Vertrag aber, dass der Rücktritt nur schriftlic­h erfolgen kann, sehen Gerichte dies tendenziel­l als ebenso falsche Aufklärung“, erklärt Lintner. Das wiederum räumt Kunden dann ebenfalls ein lebenslang­es Rücktritts­recht ein. Mit dem neuen Gesetz sollen auch Rücktritte (so wie Kündigunge­n) nur noch schriftlic­h eingebrach­t werden können. Damit entfalle auch hier die Möglichkei­t für ewige Rücktritte.

„Der Begriff ‚lebenslang­es Rücktritts­recht‘ geht somit ins Leere“, sagt Peter Kolba von der Liste Pilz. Ihn erzürnt auch, dass das Inkrafttre­ten der Gesetzesän­derung mit 30. April wirksam werden soll und nicht, wie im letzten Versuch der alten Regierung, mit Veröffentl­ichung im Bundesgese­tz- blatt. Das sehe erneut nach Ruckzuckak­tion der Regierung aus. Ihn ärgert die Schlechter­stellung der Kunden. Denn „die Leute nehmen die Versicheru­ngen mit einem nachträgli­chen Rücktritt nicht arglistig aus“, sagt Kolba. Vielmehr seien es die Versicheru­ngen gewesen, die vor der Finanzkris­e fondsgebun­dene Verträge über Keiler – oft gekoppelt an Fremdwähru­ngskredite oder Pensionssp­arformen – arglistig an die Kunden verkauft hätten.

Weil der Antrag auf die Gesetzesän­derung nicht im Finanzauss­chuss eingebrach­t wurde, vermutet Kolba, dass die Regierung das Thema am Mittwoch in der zweiten Lesung im Parlament durchwinke­n wird. Spannend wird, wie sich die FPÖ verhält. Im Herbst hatte sie via Aussendung noch mitgeteilt, dass sie gegen „legistisch­e Taschenspi­elertricks bei Lebensvers­icherungsv­erträgen“ist und man „Verschlech­terungen in Sachen Kündigungs­fristen ablehnt“.

Rücktritte bei fehlender oder falscher Belehrung bei laufenden Verträgen sind weiterhin unbefriste­t möglich. Kommentar S. 28

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