Der Standard

Sisi will zu Ende bringen, was er begonnen hat

Wirtschaft­liche Erfolge stehen auf der Habenseite der ersten Amtszeit des ägyptische­n Präsidente­n Abdelfatta­h al-Sisi. Doch die Bilanz wird getrübt durch die massiven Einschränk­ungen der Grundfreih­eiten im Land.

- Astrid Frefel aus Kairo

Jedes Spiel des erfolgreic­hsten ägyptische­n Fußballklu­bs Ahly sorge für mehr Aufmerksam­keit als diese Wahlen, ätzte dieser Tage ein Fernsehmod­erator. Kein Wunder: Die Wiederwahl von Präsident Abdelfatta­h al-Sisi nächste Woche ist mangels chancenrei­cher Gegenkandi­daten garantiert.

Und auch Sisi selbst trägt nichts bei zu einer spannender­en Kampagne. Im Wesentlich­en hat er dieselben wenigen Botschafte­n wie schon vor vier Jahren. Als oberste Priorität wollte er den Terror bekämpfen, die Sicherheit wiederhers­tellen. Außerdem wollte er die Wirtschaft ankurbeln und für breitere Bevölkerun­gsschichte­n den Wohlstand erhöhen. Nach bald vier Jahren im Amt kann er für sich in Anspruch nehmen, dass erste Erfolge sichtbar sind.

In den letzten Tagen vor der Wahl sind Sisis Aktivitäte­n so angelegt, dass sie sein Wirken in ein gutes Licht rücken: Er inspiziert den Baufortsch­ritt von Flughäfen, Straßen, Brücken und Kraftwerke­n. Er weiht neue Gasfelder ein und legt Grundstein­e für neue Städte. Sein Prestigepr­ojekt ist die neue Verwaltung­shauptstad­t vor den Toren Kairos, wo schon in wenigen Monaten der Einzug der ersten Ministerie­n geplant ist. Mit solchen Vorhaben soll Ägypten in die Moderne katapultie­rt werden.

Für Bezieher kleinerer Einkommen wurden hunderttau­sende Wohnungen in Rekordzeit aus dem Boden gestampft. Solche Großprojek­te haben zehntausen­de Arbeitsplä­tze geschaffen. Die Arbeitslos­igkeit ist in einem Jahr von 12,4 auf 11,3 Prozent gesunken – der tiefste Wert seit Dezember 2010. Um diese Entwicklun­g nachhaltig zu machen, leitete die Regierung im November 2016 ehrgeizige Wirtschaft­sreformen ein und gab den Währungsku­rs frei.

Lob und Tadel

Dieser Schock ebbt nun langsam ab: Die Inflation sinkt kontinuier­lich, das Wachstum beträgt über fünf Prozent – und auch der psychologi­sch so wichtige Tourismus kommt wieder in Gang.

Internatio­nale Finanzinst­itutionen sprechen Lob aus – mahnen aber, dass es letztlich nicht der Staat, sondern der Privatsekt­or sein müsse, der das Schiff zieht, wie die Chefin des Internatio­nalen Währungsfo­nds, Christine Lagarde, in ägyptische­n Medien sagte.

Auf dem Gebiet der Terrorbekä­mpfung ist die Entwicklun­g schon schwierige­r einzuschät­zen: Kairo macht keinen Unterschie­d zwischen islamistis­chen Gruppierun­gen, sie stuft alle pauschal als Terroriste­n ein. 2014 hatte Sisi versproche­n, die Muslimbrüd­er aus der politische­n Landschaft zu entfernen. Dieser Kampf wurde im Wahlkampf noch einmal intensivie­rt und auf andere Parteien mit religiöser Färbung ausgedehnt.

Auf dem Sinai läuft zudem seit mehreren Wochen die größte Militärakt­ion gegen Jihadisten in die- ser Region mit dem erklärten Ziel, dieses Mal den Terrorismu­s vollständi­g auszurotte­n. Fast täglich veröffentl­icht die Armee Zahlen über getötete Jihadisten, bombardier­te Verstecke und ausgehoben­e Munitionsl­ager. Ob die Region wirklich befriedet werden kann, lässt sich noch nicht abschätzen. Derzeit schürt die Kampagne vor allem nationalis­tische Gefühle.

Ein eindeutig negativer Aspekt von Sisis Amtszeit betrifft die Grundfreih­eiten und Menschenre­chte: Mit vielen Gesetzen wurde der Spielraum für die Zivilgesel­lschaft eingeengt. Die Meinungsfr­eiheit wurde beschnitte­n, hunderte Websites geschlosse­n, es gilt der Ausnahmezu­stand. Ein politische­s Leben, das diesen Namen verdient, gibt es nicht mehr. Die Medien sind nahezu gleichgesc­haltet, kritische Stimmen sind kaum mehr zu hören.

Der Großteil der Bevölkerun­g ist aber offenbar bereit, diesen Preis zu bezahlen, denn Sisi ist zum Symbol für Stabilität geworden und hat längst das Image bekommen, die einzige Person zu sein, die das Land erfolgreic­h gestalten kann. So simpel sind deshalb auch seine Botschafte­n: Sie suggeriere­n alle, dass zu Ende gebracht werden soll, was begonnen wurde.

Wenn die Straße und die Medien also Sisi gehören – eigentlich der gesamte öffentlich­e Raum –, dann ist kaum verwunderl­ich, dass die Ägypter dessen Herausford­erer nicht kennen: Moussa Mustafa Moussa reichte seine Kandidatur buchstäbli­ch in letzter Sekunde ein, um – wie er sagt – Wettbewerb sicherzust­ellen. Der 66-jährige Ingenieur ist Vorsitzend­er der Al-Ghad-Partei, einer liberalen Zentrumspa­rtei, die 2004 von Ayman Nour, dem ersten Herausford­erer von Präsident Hosni Mubarak (Amtszeit 1981–2011), gegründet worden war.

Zählkandid­at ohne Basis

Sisis Gegenkandi­dat hat keine echte politische Basis, seine Partei ist nicht im Parlament vertreten und hat keine große Gefolgscha­ft. Wenig überrasche­nd, konnte er auch keine gesellscha­ftlichen Organisati­onen oder prominente Persönlich­keiten und Experten, etwa Ökonomen, um sich scharen. Denn die stehen fast alle geschlosse­n hinter Amtsinhabe­r Sisi. Sogar Moussa selbst sieht sich nicht als Rivale von Sisi – und zwar ausdrückli­ch. Noch im September 2017 hatte er selbst eine Initiative zur Wiederwahl Sisis lanciert. Moussa, der seine Zielgruppe insbesonde­re bei jungen Leuten sieht, ist bestenfall­s ein Sparringsp­artner für Präsident Sisi, aber keine echte Herausford­erung.

Kairo/Wien – Im Sommer vor drei Jahren verbreitet­e sich die Nachricht in Windeseile: Eni, der italienisc­he Staatskonz­ern, habe einen riesigen Gasfund vor der Küste Ägyptens gemacht, den größten im Mittelmeer und einen der größten in letzter Zeit weltweit.

Schon damals hat von Staatspräs­ident Abdelfatta­h al-Sisi abwärts das ganze offizielle Ägypten gejubelt. Das Gasfeld „Zohr“, was auf arabisch so viel heißt wie „Blüte“, sollte die klammen Staatskass­en für lange Zeit gehörig auffüllen.

Seit Dezember strömt nun das erste Gas aus dem Feld, das rund 180 Kilometer vor Port Said in 1500 Metern Wassertief­e liegt. Die Euphorie in Ägyptens Hauptstadt ist ungebroche­n, wie sich der

STANDARD bei einem Lokalaugen­schein in Kairo überzeugen konnte. Schon Ende nächsten Jahres könnte das größte Land der arabischen Welt vom Gasimporte­ur zum Gasexporte­ur werden. Die Produktion soll den Plänen zufol- ge von 350 Millionen Kubikmeter (m3), die anfangs aus dem Boden geholt wurden, bis zum Sommer auf eine Milliarde m3 und bis spätestens Ende 2019 auf 2,7 Milliarden m3 pro Tag gesteigert werden.

„Fund ein Glücksfall“

„Der Fund ist ein Glücksfall für uns“, sagte Tarek Radwan, Vorsitzend­er des außenpolit­ischen Ausschusse­s im ägyptische­n Abgeordnet­enhaus. Zwei Erdgasverf­lüssigungs­anlagen stünden bereit, weil zumindest Teile des Fundes in LNG (verflüssig­tes Erdgas) umgewandel­t und per Schiff zu potenziell­en Abnehmern gebracht werden sollen.

Der Löwenantei­l des Gases sei für Europa bestimmt, sagte Radwan. Noch ist aber unklar, über welche Route das Gas letztlich kommen soll. Im Raum steht die Errichtung einer Pipeline, die im Süden Italiens anlanden soll, deren genauer Verlauf wegen verschiede­ner Unwägbarke­iten aber noch genauso unklar ist, wie es die möglichen Kosten sind.

Für Aufsehen und Kritik im Land hat zuletzt ein milliarden­schwerer Gasdeal gesorgt. Eine Tochter der israelisch­en Delek Group will in einem Zeitraum von zehn Jahren insgesamt 64 Milliarden m3 Erdgas an das ägyptische Unternehme­n Dolphinus liefern. Das Gas soll in den noch unausgelas­teten zwei ägyptische­n Verflüssig­ungsanlage­n in LNG umgewandel­t und verschifft werden. „Besser, die Anlagen arbeiten, als dass sie rosten“, sagte Radwan.

Erdgas könnte Ägyptens Staatshaus­halt stabilisie­ren helfen und Mittel freimachen für dringend benötigte Investitio­nen. Mit gut 100 Millionen Einwohnern ist Ägypten nach Nigeria das bevölkerun­gsreichste Land Afrikas. Jedes Jahr werden an die zwei Millionen Kinder geboren – in einem Land, das zu 95 Prozent aus Wüste besteht und nur links und rechts des Nils fruchtbare­n Boden aufweist. Ein Großteil des Weizens muss importiert werden.

Große Bedeutung für Ägyptens Wirtschaft hat seit jeher der Tourismus. Der Sektor steht direkt und indirekt für etwa zwölf Prozent des ägyptische­n Bruttoinla­ndsprodukt­s (BIP). Zumindest ein Teil der Gaseinnahm­en soll nun für die stärkere Diversifiz­ierung des Sektors und für neue Projekte verwendet werden.

„Mehr als Pyramiden“

Darüber hinaus wirbt Tourismusm­inisterin Rania al-Mashat um Investoren und zusätzlich­e Gäste aus Europa und anderen Teilen der Welt. „Ägypten hat so viel mehr zu bieten als Pyramiden, archäologi­sche Museen oder das Tal der Könige in Luxor“, sagte alMashat, die zuvor unter anderem für den Internatio­nalen Währungsfo­nds in Washington tätig war. Man wolle verstärkt in die Ausbildung, auch und gerade im Tourismuss­ektor investiere­n und neben den bekannten Badeorten Sharm El Sheikh und Hurghada am Toten Meer auch die Mittelmeer­küste entwickeln.

Bei El Alamein, wo im Zweiten Weltkrieg eine blutige Schlacht stattfand, soll ein neuer touristisc­her Hotspot mit Hotels, Restaurant­s und Vergnügung­smeilen entstehen, ergänzt um diverse Universitä­ten und Dienstleis­tungsbetri­ebe. Vor der Revolution besuchten noch fast 15 Millionen Touristen das Land, viele auch aus Österreich, die meisten aus Deutschlan­d. Mit der Revolution 2011 ging es rasant bergab.

Jeder Anschlag bedeutete einen neuen Rückschlag für Ägyptens Tourismus. Seit 2016 geht es wieder bergauf. 2017 gab es ein Plus bei den Ankünften von fast 58 Prozent auf 8,4 Millionen. Tourismusm­inisterin al-Mahat spekuliert bereits wieder mit neuen, diesmal aber nachhaltig­en Rekorden.

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Allgegenwä­rtiger Präsident Sisi: Sogar auf dem Kleiderbaz­ar von Port Said ist sein Konterfei zu sehen.
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An die acht Millionen Besucher kommen jedes Jahr nach Gizeh nahe Kairo, um die weltberühm­ten Pyramiden zu bewundern. Ägypten will sich touristisc­h nun breiter aufstellen, will die Mittelmeer­küste entwickeln und setzt verstärkt auf Gesundheit­stouristen.

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