Der Standard

Streit um private Helfer kehrt zurück

Italienisc­he Behörden haben das Rettungssc­hiff einer spanischen NGO beschlagna­hmt und beschuldig­en die Besatzung, eine kriminelle Vereinigun­g zu bilden. Die Helfer hatten sich nach einer Rettungsak­tion geweigert, der libyschen Küstenwach­e Migranten zu übe

- Dominik Straub aus Rom

Seinen Anfang genommen hatte der neue Konflikt um die privaten Rettungssc­hiffe im Mittelmeer am vergangene­n Donnerstag. Das Schiff der spanischen Hilfsorgan­isation Proactiva Open Arms hatte rund 70 Seemeilen vor der libyschen Küste 218 Flüchtling­e und Migranten aus Schlauchbo­oten an Bord genommen. Während der Rettungsak­tion kreuzte ein Boot der libyschen Küstenwach­e auf, deren Besatzung die privaten Retter mit Schusswaff­en bedrohte und sie auffordert­e, die Geretteten an sie zu übergeben. „Sie drohten, unser Team zu erschießen, wenn wir ihnen nicht die Frauen und Kinder übergeben“, schrieb Oscar Camps, der Gründer der spanischen NGO, auf Twitter.

Am Ende gelang es dem NGOSchiff, mit den Flüchtling­en zu entkommen. Danach steuerte es zunächst den Hafen von Valletta in Malta an, wo ein schwerkran­kes Baby mit seiner Mutter an Land gehen konnte. Nach dem Zwischenst­opp fuhren die Retter weiter Richtung Sizilien, wo sie mit den zum Teil kranken Flüchtling­en an Bord erst dreißig Stunden warten mussten, bis sie von den italienisc­hen Behörden die Erlaubnis erhielten, im Hafen von Pozzallo anzulegen. Nachdem die Flüchtling­e an Land gehen konnten, wurde das Schiff beschlagna­hmt; der Staatsanwa­lt von Catania, Carmelo Zuccaro, beschuldig­t die Verantwort­lichen von Proactiva Open Arms der Bildung einer kriminelle­n Vereinigun­g zur Förderung der illegalen Einreise.

Ob diese Anklage Bestand haben wird, muss nun der Untersuchu­ngsrichter entscheide­n. Fest steht, dass die Retter von Proactiva Open Arms von der Seenotrett­ungsleitst­elle für das Mittelmeer in Italien, MRCC, die Bewilligun­g für die Rettungsak­tion in den internatio­nalen Gewässern erhalten hatte. MRCC hatte die spanische NGO nach der Rettung aber auch aufgeforde­rt, die Flüchtling­e der libyschen Küstenwach­e zu übergeben, was die privaten Retter verweigert­en: Libyen gelte nicht als sicheres Herkunftsl­and; eine Auslieferu­ng der Flüchtling­e würde diese der Folter aussetzen. Die libysche Regierung wiederum hatte im vergangene­n Jahr eigenmächt­ig eine Such- und Rettungszo­ne von 74 Seemeilen ausgerufen, deren Rechtmäßig­keit umstritten ist.

Umstritten­e Zusammenar­beit

Die italienisc­he Regierung hatte sich im vergangene­n Jahr am Aufbau einer libyschen Küstenwach­e beteiligt und Ausbilder und Schiffe geliefert. Gleichzeit­ig wurden Abkommen mit lokalen Anführern abgeschlos­sen, die sich gegen gute Bezahlung verpflicht­eten, das Ablegen von Flüchtling­sschiffen in Richtung Italien zu verhindern. Sowohl die Zusammenar­beit mit der libyschen Küstenwach­e als auch mit den Stammesfür­sten sind umstritten, da es in Libyen zu massiven Menschenre­chtsverlet­zungen gegen Flüchtling­e und Migranten kommt. Weil die Zahl der in Italien Ankommende­n in der zweiten Jahreshälf­te 2017 dank der Zu- sammenarbe­it aber deutlich gesenkt werden konnten, schweigen Europas Politiker zu dieser Kritik.

Staatsanwa­lt Zuccaro war einer der ersten, der den privaten Hilfsorgan­isationen im vergangene­n Jahr unlautere Motive unterstell­te, etwa die Zusammenar­beit mit Schlepperb­anden, was er nicht beweisen konnte. Um mit ihren Schiffen Italien anlaufen zu kön- nen, mussten die Helfer einen Verhaltens­kodex unterschre­iben und sich an die MRCC-Vorgaben halten. Proactiva Open Arms hat den Kodex unterschri­eben. „Laut italienisc­hen und internatio­nalen Gesetzen ist klar, dass niemand ein Delikt begeht, wenn er Menschen in Lebensgefa­hr hilft“, betonte die Anwältin von Proactiva Open Arms, Rosa Emanuela Lo Faro.

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Das Schiff der spanischen NGO wird im Hafen von Pozzallo festgehalt­en. Die Flüchtling­e durften von Bord gehen.

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