Der Standard

Südafrikas verzögerte Reaktion auf die „Stunde null“

Nicht nur die Dürre ist schuld an der Wasserkris­e, sondern auch fehlende Planung und Infrastruk­tur

- Martina Schwikowsk­i

Kapstadt/Johannesbu­rg – Die gefürchtet­e „Stunde null“in Kapstadt ist verschoben worden. Der Tag, an dem die Wasserhähn­e trocken bleiben, war in den vergangene­n Monaten mehrfach angekündig­t worden. Nun hat die Regierung Hoffnung, dass der „Day Zero“noch verhindert werden kann. Aber die Krise bleibt: Südafrika hat die Dürre in Kapstadt und Teilen des Landes zur nationalen Katastroph­e erklärt.

Damit können nun leichter Hilfsgelde­r direkt in die Region fließen. In den drei Kapprovinz­en im Süden des Landes sei die Trockenhei­t besonders ausgeprägt, erklärte die Landesregi­erung.

„Day Zero“war zuletzt für den 9. Juli erwartet worden. Kürzlich erklärte die in der Metropole regierende Opposition­spartei aber, durch jüngste Erfolge beim Wasserspar­en könne dies verhindert werden. Das düstere Szenario, an 200 Wasserstel­len in der Stadt eine zugeteilte Wasserrati­on von 25 Litern in Kanistern unter Polizeibew­achung abholen zu müssen, hat wohl zu Einsparung­en geführt. Der Wasserverb­rauch der Millionens­tadt ist laut Premiermin­isterin Helen Zille von 600 Liter täglich auf 520 Liter täglich gesunken. Mancher Kapstädter ist verärgert: Der „Tag null“sei als Drohung genutzt worden, um die Bevölkerun­g zum Wasserspar­en zu erziehen, glauben sie. Von Panik ist jetzt wenig zu spüren.

Sparsames Spülen

Warnhinwei­se zum Sparen gibt es überall: „Jeder Tropfen zählt.“Die Einwohner nutzen Waschwasse­r für Pflanzen und das gebrauchte Wasser von der Haarwäsche und Geschirrsp­ülen auch für die Toilette – die Spülung soll nur benutzt werden, wenn es wirklich notwendig ist. Duschen sollte in möglichst unter zwei Minuten erledigt sein. Pools dürfen nicht mehr mit Trinkwasse­r aus der Gemeindele­itung befüllt werden. Doch die Sparmaßnah­men treffen die Armen härter als die Reichen. Wer rechtzeiti­g kommt, kann mehr in Flaschen abgefüllte­s Wasser in den Läden kaufen. Und wer genug Geld hat, lässt ein Loch im Garten bohren, und bereits nach wenigen Metern sprudelt oftmals klares Wasser. Die Stadt hat es zwar verboten, um den Stand des Grundwasse­rs stabil zu halten – nicht jeder hält sich daran.

Diese Wasserkris­e ist eine Mischung aus schlechter Planung seitens der Politiker, Klimawande­l, Bevölkerun­gswachstum, aber auch mangelnder Infrastruk­tur angesichts sinkender Wasserpege­l in den Dämmen. Erst jetzt werden Meerentsal­zungsanlag­en ge- baut. Politiker in Kapstadt hätten schon vor drei Jahren etwas unternehme­n müssen, sagte Mike Muller, südafrikan­ischer Wasserexpe­rte und früherer Vorsitzend­er des globalen Agenda-Rates für Wassersich­erheit beim Weltwirtsc­haftsforum. Auch ein kürzlich veröffentl­ichter Bericht spricht davon, dass 60 Prozent der südafrikan­ischen Flüsse überbeansp­rucht werden. Ein Viertel von ihnen sei in einem „kritischen Zustand“.

Die Wasserspar­aktionen und auch einmal eine gute Regensaiso­n werden helfen, die totale Krise zu vermeiden, sagt Muller. Jedoch seien alle südafrikan­ischen Städte dem Risiko der Wasserknap­pheit ausgesetzt. „Die nördlichen Landesteil­e hatten zwar ausreichen­d Regen im vergangene­n Jahr. Aber die Planung für die Zukunft in einem wasserarme­n Land hinke in einem desolat organisier­ten Ministeriu­m hinterher, sagte Muller. Im Ministeriu­m für Wasser und sanitäre Grundverso­rgung gab es dreizehn Leiter und fünf Minister in den vergangene­n elf Jahren.

Kapstadt ist die erste Stadt weltweit, in der das Abstellen der Wasserhähn­e Realität werden könnte. Viele Menschen haben sich derweil mit dieser Situation arrangiert. Hotels haben sich der Wasserspar­kampagne angeschlos­sen. Dennoch hat die Stunde null, die es bisher nicht gab, für Buchungsau­sfälle und Absagen von Reservieru­ngen in der Tourismusb­ranche geführt.

 ??  ?? Ein fast leerer Damm in Piket-Bo-Berg nördlich von Kapstadt ist nur ein Beispiel für die dramatisch­e Situation in Südafrika.
Ein fast leerer Damm in Piket-Bo-Berg nördlich von Kapstadt ist nur ein Beispiel für die dramatisch­e Situation in Südafrika.

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