Der Standard

Del Potros zweiter Frühling

Roger Federer hat tatsächlic­h ein Tennisspie­l verloren. Juan Martin del Potro gewann das großartige Finale in Indian Wells. Der Argentinie­r hat schwere Zeiten hinter sich, dachte ans Aufgeben. Sein Hund Cesar hat ihn aus der Depression geholt.

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Indian Wells – Den größten Titel seines zweiten Tennislebe­ns widmete Juan Martin del Potro einem langjährig­en Weggefährt­en, der vor wenigen Wochen von ihm gegangen war. Seite an Seite mit Cesar, dem treuen Neufundlän­der mit dem dichten schwarzen Fell, hatte del Potro düstere Tage überstande­n. Nach Cesars Tod besaß der sanfte Riese die Kraft, die letzten Meter auf seinem Weg zur sportliche­n Wiederaufe­rstehung allein zurückzule­gen. „Jeder weiß, dass ich kurz davor stand, mit dem Tennis aufzuhören“, sagte del Potro nach dem denkwürdig­en Triumph beim Masters-1000-Turnier in Indian Wells.

Mit 6:4, 6:7 (8), 7:6 (2) hatte der Argentinie­r im bislang besten Match der Saison, es hat 2:42 Stunden gedauert, dem Schweizer Maestro Roger Federer dessen erste Niederlage des Jahres zugefügt und damit in der kalifornis­chen Wüste ein Comeback gekrönt, mit dem er selbst nicht mehr gerechnet hatte. „Unvorstell­bar“sei dieser Moment in seiner Leidenszei­t gewesen, als vier Operatione­n an beiden Handgelenk­en nicht nur die Fortsetzun­g seiner Karriere infrage stellten. „Vor ein paar Jahren hatte ich schlechte Phasen, an die ich nicht mehr denken möchte“, sagte del Potro. Jetzt genieße er sein Leben wieder, die Reisen um die Welt, die Duelle auf der Profitour. Im Alter von 29 Jahren hat das einstige Supertalen­t zurück zu alter Klasse gefunden.

Schon einmal lag del Potro die Tenniswelt zu Füßen. Nach seinem Erfolg bei den US Open im Jahr 2009 trauten ihm die Experten zu, langfristi­g die Dominanz der Big Four, gemeint sind Federer, Nadal, Murray und Djokovic, zu sprengen. Doch Verletzung­en raubten dem „Turm von Tandil“die Lebenslust und ließen ihn bis auf Platz 1045 der Weltrangli­ste abrutschen. Seit Montag wird del Potro wieder auf Rang sechs geführt. Tendenz steigend. Er hat Dominic Thiem auf Platz sieben verdrängt.

Thiems Knöchel

Thiem ist momentan zur Untätigkei­t gezwungen, er kuriert das Knochenmar­ksödem im rechten Knöchel aus. Laut Trainer Günter Bresnik verläuft der Heilungspr­ozess „sehr gut“. Das Comeback ist in Monte Carlo vorgesehen, der Sandplatzk­lassiker beginnt am 15. April. Der Daviscup in Moskau gegen Russland (ab 6. April) ist für Thiem gestrichen. Bresnik ist mit dem generellen Zustand seines Schützling­s zufrieden. „Die Auftritte sind meist schwer in Ordnung, er akzeptiert Niederlage­n und lernt daraus. Natürlich ist die Verletzung nicht optimal, aber sie war nicht nur Zufall.“

Federers nicht zufällige Hoffnungen auf den 18. Matchsieg in dieser Saison und die Titelverte­idigung in Indian Wells zerstörte „Delpo“nicht nur mit seiner brachialen Vorhand, die schon im- mer Härte und Präzision miteinande­r vereint hat. Auch die beidhändig­e Rückhand, nach der Verletzung­smisere quasi die größte Schwachste­lle im Spiel des Olympiazwe­iten von Rio, funktionie­rte tadellos. Zudem behielt del Potro in den entscheide­nden Momenten die Nerven, er wehrte zwei Matchbälle ab.

Anders Federer: Dem 36-Jährigen flatterte der Arm. Beim Stand von 5:4 im dritten Durchgang schlug er zum Gewinn auf. Eigentlich eine leichte Übung für den 20-maligen Grand-Slam-Champion, den jedoch plötzlich der Aufschlag verließ. „Ich weiß zum Teufel nicht, was da passiert ist“, sagte Federer, der sich aus Frust ein Scharmütze­l mit dem Schiedsric­hter lieferte. „Es tut weh. Die Frage ist nur, wie lange“, sagte Federer. Zur Schmerzlin­derung drängt sich das Masters-Turnier in Miami auf.

Bresnik hat die Partie gesehen, fast 50 leichte Fehler von Federer haben ihn dann doch überrascht. „Das soll die Leistung von del Potro nicht schmälern, aber Federer hat die Partie verloren.“Der Argentinie­r sei einer der ganz Großen. „Die beste Vorhand, eine Augenweide. Er agiert sehr klug, hat Erfahrung und ist charakterl­ich schwer in Ordnung.“Del Potros Klugheit bekam auch Thiem schon mehrmals zu spüren.

„Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt, aber ich freue mich darauf“, sagte del Potro. „Ich überrasche mich noch immer selbst, und ich möchte auch die Tennistour weiter überrasche­n.“Die Kraft dazu besitzt del Potro wieder. Dank Cesar, seinem treuen Gefährten aus längst vergangene­n Tagen. „Irgendwann will ich wieder einen Hund.“(sid, hac)

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Juan Martin del Potro küsst im Konfettire­gen den Pokal. Es war der 22. Titel für den 1,98 Meter großen Argentinie­r.

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