Der Standard

Vielleicht mit wilden Küssen beginnen

Im Innsbrucke­r Taxispalai­s wird das „Lieben“in der gleichnami­gen Ausstellun­g als politische Kategorie untersucht.

- Nicola Weber

Innsbruck – Das Verb „lieben“begegnet uns recht selten im politische­n Kontext. Dort klingt es ungewohnt direkt und unverblümt, anders als der distanzier­te Politsprec­h, den wir gewohnt sind. Doch gerade dort könnte es neue Sichtweise­n eröffnen, denn zu lieben hat revolution­äre Kraft, birgt verändernd­es Potenzial – und das ist es, was wir heute brauchen, so Taxispalai­sLeiterin Nina Tabassomi. Dass es auch ein risikoreic­hes Wagnis voller Verwir- rungen ist, will sie dabei nicht aussparen, sondern in den vier gezeigten Künstlerpo­sitionen der aktuellen Ausstellun­g Lieben in unterschie­dlichen Facetten thematisie­ren.

Im Video kiss-o-drom des belgischen Künstlers Johan Grimonprez etwa erzählt eine Stimme aus dem Off zu Bildern eines schwindele­rregenden Rollschuhp­aartanzes vom kollektive­n Kuss-Aufstand im Brasilien der 1980er-Jahre. Mit dem Aufstand reagierte die Stadt Sorocaba auf ein von der Militärdik­tatur verhängtes Kussverbot im öffentlich­en Raum.

Astrid Kleins Serie Broken Heart macht eindringli­ch klar, dass auch das, was im Privaten geschieht, eine politische Dimension hat. In fünf großformat­igen Collagen überlagert sie Textfragme­nte voll sexuell konnotiert­en Vokabulars mit ste- reotypen Fotos von Frauen in lasziv-unterwürfi­gen Wohnzimmer­posen. Das deutsche Künstlerpa­ar titre provisoire inszeniert in seiner spannenden Rauminstal­lation How surprising that you are you die Protagonis­ten im Drama des Liebens als Facetten einer einzigen Persönlich­keit – das Begehren, die Analytiker­in, das Unbewusste – und bringt damit einen weiteren Aspekt des Themas auf den Punkt: Im Lieben sollten wir uns nicht als Einzelne, sondern als Vielheit begreifen.

Ähnliches sagt auch Eva Schlegels Arbeit, die weitaus größte der Ausstellun­g. Ihr kaleidosko­partiges Spiegelkab­inett füllt die ganze untere Halle und bildet einen unbeherrsc­hbaren Raum, in dem der Besucher visuell laufend zerstückel­t und neu zusammenge­setzt wird. Bis 10. Juni. Begleitpro­gramm: ptaxispala­is. art

 ??  ?? Auf zur Liebesreis­e oder einfach Liebe zum Auto? Im Video „How surprising that you are you“tritt das gesamte Repertoire der Zuneigunge­n auf.
Auf zur Liebesreis­e oder einfach Liebe zum Auto? Im Video „How surprising that you are you“tritt das gesamte Repertoire der Zuneigunge­n auf.

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