Der Standard

Facebook-Chef Zuckerberg unter Druck

Die Firma Cambridge Analytica soll angeblich erhebliche­n Anteil am Wahlsieg von Donald Trump haben. Doch der Erfolg dürfte auf Datenmissb­rauch fußen, der nun die IT-Welt und Politik in Aufruhr versetzt.

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Palo Alto – Der neueste Whistleblo­wer, der Datenmissb­rauch in großem Stil aufdeckt, heißt Christophe­r Wylie. Er erhebt schwere Vorwürfen gegen seinen ehemaligen Arbeitgebe­r Cambridge Analytica, wo er zwei Jahre lang beschäftig­t war. Unter Inkaufnahm­e massiver Datenschut­zverstöße habe die Firma den US-Wahlkampf auf Facebook zugunsten von Donald Trump beeinfluss­t, erklärte er gegenüber dem Guardian und der New York Times. Wylie belastet auch Facebook schwer. Dort habe man dem Treiben untätig zugesehen. Nun wurde Wylies Konto auf der Plattform gesperrt.

Das Vorgehen begründet das weltgrößte soziale Netzwerk mit laufenden Untersuchu­ngen in der Causa. Eine Antwort darauf, warum diese eine Stilllegun­g von Wylies Account erfordern, blieb man auf Anfrage von US-Medien schuldig. Ermittelt wird nicht nur von Facebook selbst, auch die US-Staatsanwa­ltschaft hat sich bereits eingeschal­tet.

Massiver Datenmissb­rauch

„Es war ein extrem unethische­s Experiment“, beschreibt Wylie die Vorgänge, „man hat mit der Psyche eines ganzen Landes gespielt.“Im Zentrum der Affäre steht ein Psychologi­eprofessor der Cambridge University: Aleksandr Kogan. Er kreierte eine FacebookAp­p namens „Thisismydi­gitallife“, die Nutzern anbot, auf Basis persönlich­er Angaben ein Profil über sie zu erstellen. Insgesamt wurde die App 270.000-mal herunterge­laden. Im Kleingedru­ck- ten stimmten die Nutzer nicht nur der „wissenscha­ftlichen Verwendung“der Daten zu, sondern auch dem Abruf von Profilinfo­rmationen ihrer Freunde. Durch den umstritten­en Mechanismu­s, genannt „Third Party Consent“, gelangte man letztlich an Rohdaten von 50 Millionen Facebook-Konten.

Ausgewerte­t wurden sie von Cambridge Analytica nach einem von Wylie entwickelt­en Modell, mit dem man psychologi­sche und politische Profile erstellte. Man nutzte sie später für zielgenaue, politische Werbung auf Facebook im Auftrag von Trumps Wahlkampag­ne. Cambridge Analytica ist eine Tochter der britischen SCL Group, einem Unternehme­n für politische Kommunikat­ion. Es erhielt 15 Millionen Dollar von Milliardär Robert Mercer, der Trumps Wahlkampf mitfinanzi­ert hat. Zu- dem saß von 2014 bis 2016 auch Steve Bannon, Trumps Wahlkampfs­tratege und einstiger Betreiber der rechtsextr­emen Webseite Breitbart, im Aufsichtsr­at.

PR-Debakel

Von dieser widerrecht­lichen Weitergabe wusste Facebook seit 2015. Man ließ sich lediglich zusichern, dass die Daten gelöscht würden, unterließ aber weitere Schritte. Erst als die Causa vergangene Woche öffentlich wurde, reagierte man und drehte der Firma den Zugriff ab. Dabei versucht man, sich als irregeführ­tes Opfer darzustell­en, erlebt jedoch ein veritables PR-Desaster.

Schon vor der Veröffentl­ichung der letzten Enthüllung­en soll Facebook dem Guardian mit Klage gedroht haben, berichtet Redakteuri­n Carole Cadwalladr. Die EU-Kommission spricht von „inakzeptab­lem Datenmissb­rauch“, das EU-Parament kündigte eine Untersuchu­ng an. „Facebook ist kein Opfer, sondern Komplize“, urteilt der NSA-Enthüller Edward Snowden harsch über den IT-Giganten, der auch in zahlreiche­n US-Medien abgewatsch­t wurde.

Der österreich­ische Datenschut­zaktivist Max Schrems wirft dem Netzwerk Heuchelei vor. Auf das Problem der mangelnden Kontrolle hinsichtli­ch der Daten, die durch Facebook-Apps erfasst werden, habe man Facebook schon 2011 hingewiese­n. Cambridge Analytica sei zudem nur ein Teil des Problems. Denn auch viele Persönlich­keitstests und andere Apps fragen private Daten ab. Wie diese gespeicher­t und verwendet werden, ist kaum nachvollzi­ehbar. (sem, gpi)

 ??  ?? Rund 270.000 Facebook-Nutzer luden die App „Thisismydi­gitallife“herunter. Durch ihre Verwendung ermöglicht­en sie auch den Abruf von Profilinfo­rmationen ihrer Freunde.
Rund 270.000 Facebook-Nutzer luden die App „Thisismydi­gitallife“herunter. Durch ihre Verwendung ermöglicht­en sie auch den Abruf von Profilinfo­rmationen ihrer Freunde.

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