Der Standard

„Digitale Ermittler“auf Arte

Neue Methoden helfen bei der Aufklärung in Krisengebi­eten, heute, Dienstag um 21.45 Uhr auf Arte

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Wien – 17 Tage war Sergej eingesperr­t. Prorussisc­he Separatist­en verhaftete­n ihn 2014 in Slowjansk, warfen ihn in ein finsteres Loch und misshandel­ten ihn. „Sie haben die Social-Media-Accounts aller Gefangenen überprüft und wollten sich einloggen. Wer sich weigerte, seine Passwörter zu sagen, wurde geschlagen“, erzählt Sergej: „Man hat mich gepackt und meinen Kopf gegen die Wand geschlagen.“Ins Gefängnis kam Sergej, weil er gefilmt hatte, wie Separatist­en in Slowjansk das Rathaus besetzten. Die Aufnahme veröffentl­ichte er auf Youtube. Kurz später wurde er verhaftet.

Der Krieg in der Ukraine ist dank sozialer Netzwerke fast lückenlos belegt, zeigt die Doku Digitale Ermittler heute, Dienstag, um 21.45 Uhr auf Arte und auf www.arte.tv. Die Proteste am Maidan-Platz ab November 2013 wurden nach Facebook-Aufrufen zur Bürgerrevo­lution.

Aufruf auf Facebook

Dank sozialer Medien organisier­te sich die Hilfe schnell. Nachdem die Polizei äußerst brutal vorging, sah die Menschenre­chtsorgani­sation Euromaidan SOS dringenden Bedarf für Hilfe, etwa juristisch­en Beistand für Gewaltopfe­r. Vertreter verschickt­en einen Aufruf auf Facebook: Anwälte und Strafverte­idiger, wollt ihr helfen? „Wir erhielten sofort hunderte Antworten“, erzählt die Organisato­rin Sascha Romantsowa.

Vier Jahre später sind die Aktivisten mit der Aufarbeitu­ng be- schäftigt – und wieder sind soziale Medien eine wichtige Informatio­nsquelle. „Sie lieferten in den Stunden der Demonstrat­ionen die verlässlic­hsten Informatio­nen“, sagt Romantsowa.

Krisenberi­chterstatt­ung ist kein Monopol der Medien mehr, weist die Dokumentat­ion von Anja Reiß nach. Damit Kriegsverb­rechen zur Anklage kommen, muss Beweismate­rial gesammelt und gesichtet werden, wobei zwischen Verbrechen und Ermittlung oft Jahre liegen. Im Web kursieren neben Amateurvid­eos und Fake News auch Hinweise seriöser Quellen. Um diese Masse an Informatio­nen zu sichten und einzuordne­n, sind freiwillig­e Helfer am Werk. So konnte der russische Aktivist Kiril etwa nachweisen, dass russische Panzer 2014 im Donbass gesichtet wurden: „Es ist wie Computersp­ielen“, beschreibt Kiril seine Arbeit. „Die Puzzlestei­ne fügen sich zusammen, und damit kannst du arbeiten.“

In Syrien fand Kiril Streubombe­n, die laut Völkerrech­t verboten sind. Auf Fotos entdeckte er russische Kampfjets, die eindeutig mit solchen Geschoßen bestückt sind – die Google-Bildersuch­e macht’s möglich.

Digitale Ermittler sind auch in Kolumbien tätig. Dort haben im November 2016 Staatspräs­ident Juan Manuel Santos und Farc-Rebellen-Chef Rodrigo Londoño alias Timochenko ein umstritten­es Friedensab­kommen unterzeich­net, das zur Folge hatte, dass 98 Prozent der Menschenre­chtsverlet­zungen nach 30 Jahren Krieg nicht verurteilt wurden.

Mehr als 60.000 Menschen wurden verscharrt. Den Mantel des Schweigens lüften Aktivisten von Equitas, die mit digitalem Werkzeug nach Beweisen suchen für Taten, die nicht in Vergessenh­eit geraten sollen. Ausgestatt­et mit geologisch­em Equipment begeben sich die Menschen von Equitas auf die Suche in den Dschungel. Neue Methoden zur traditione­llen Suche, Röntgenstr­ahlen, um Tote zu finden. Es gibt viel zu tun. (prie) pderStanda­rd. at/Etat

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Aktivisten und Helfer der Menschenre­chtsorgani­sation Equitas suchen in Kolumbien nach den Toten des Rebellenkr­iegs: „Digitale Ermittler“, 21.45 Uhr Arte.

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