Der Standard

Nicht selbstvers­tändlich

- Irene Brickner

Bei konservati­v orientiert­en Menschen mag die gestellte Frage Kopfschütt­eln hervorrufe­n – und in einer von Ängsten vor dem Neuen geprägten Gesellscha­ft wie der österreich­ischen kann sie die Verunsiche­rung bei so manchem weiter steigern. Trotzdem: Mit ihrem Beschluss, die Frage des dritten Geschlecht­s amtswegig zu prüfen, haben sich die heimischen Verfassung­srichter nach ihrem Entscheid, die Ehe für alle einzuführe­n, erneut an die Spitze einer Entwicklun­g gestellt, die dem Einzelnen das Recht auf Selbstbest­immung zubilligt – einer Entwicklun­g hin zu einer moderneren Gesellscha­ft.

Auf besagte Selbstbest­immung nämlich haben auch jene Menschen ein Recht, denen die eingefräst­e und doch so schlichte Dichotomie von Mann und Frau nicht gerecht wird: transsexue­lle Personen etwa, die derzeit gezwungen sind, sich dem Einen oder dem Anderen anzupassen, in manchen europäisch­en Ländern sogar weiterhin um den Preis verstümmel­nder Operatione­n.

Sie verlangen eine Änderung; ein eigenes, drittes Geschlecht – und stellen der Gesellscha­ft damit weiterführ­ende Fragen. Etwa jene, wie sie es mit dem Begriff „Gender“hält, der „Mann“und „Frau“nicht als naturgegeb­ene Kategorien, sondern als sozial bestimmte Begriffe darstellt. Bei den derzeit höchst erfolgreic­hen neuen Rechten steht der Kampf gegen jede Art von Gendern ganz weit oben. Somit ist höchst unklar, wie diese Auseinande­rsetzung ausgeht.

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