Der Standard

Was Kira Grünberg im Parlament erreichen will

VP-Behinderte­nsprecheri­n Kira Grünberg will neben einheitlic­hen Standards für persönlich­e Assistenz Sport für Behinderte fördern und eine Online-Plattform für Betroffene schaffen.

- INTERVIEW: Steffen Arora

STANDARD: Ihren Wechsel in die Politik als Behinderte­nsprecheri­n der ÖVP haben viele kritisiert, weil Sie außer der Tatsache, nach Ihrem Unfall selbst betroffen zu sein, keine Erfahrung vorweisen können. Ist die Kritik für Sie nachvollzi­ehbar? Grünberg: Jeder darf Kritik äußern. Aber es ist vielleicht insofern ganz gut, dass ich Behinderte­nsprecheri­n geworden bin, weil ich bereits in der Öffentlich­keit stehe und das Thema dadurch mehr Beachtung findet. Ich weiß nicht, wie oft sonst Artikel über Behinderte­nthemen in den Medien Platz finden würden. Ich möchte diese Aufmerksam­keit, die ich durch meinen Unfall bekomme, nützen, um hier etwas voranzutre­iben.

STANDARD: Liegt darin nicht auch eine Gefahr? Wenn man Ihre bisherige Tätigkeit als Politikeri­n betrachtet, ging es ausschließ­lich um die Person Kira Grünberg, aber nie um die Inhalte Ihrer Arbeit. Grünberg: Ja, da muss ich noch aktiver werden. Die Arbeit in den Ausschüsse­n hat erst kürzlich begonnen. Bisher war ich damit beschäftig­t, mich zurechtzuf­inden und die Abläufe in der Politik kennenzule­rnen.

STANDARD: Warum haben Sie sich als junge Quereinste­igerin eigentlich für die ÖVP entschiede­n? Grünberg: Ich war früher immer Wechselwäh­lerin. Ich habe mich nie an Parteien, sondern an Personen orientiert. Die Idee, zur ÖVP zu gehen, hatte ja eigentlich nicht ich, sondern Sebastian Kurz, den ich nach meinem Unfall kennengele­rnt habe. Er hat gefragt, ob ich mich politisch engagieren will. STANDARD: Was sind für Sie als Behinderte­nsprecheri­n der Regierungs­partei die wichtigste­n Themen für die kommenden Jahre? Grünberg: Die persönlich­e Assistenz in allen Bereichen, auch in der Freizeit. Und das Thema Sport und Behinderun­g. Denn es fehlt in Österreich an Breitenspo­rtangebote­n für Menschen mit Behinderun­g. Vor allem Kindern sollten wir diese Möglichkei­t eröffnen. Und langfristi­g möchte ich eine Online-Auskunftsp­lattform schaffen, auf der man gesammelt alles zum Thema Behinderun­g findet. Von den Förderunge­n über die Schulmögli­chkeiten bis hin zur Arbeit – das Ziel wäre eine Internetse­ite, auf der man seine Art der Behinderun­g eingibt und dann alles findet, was es dazu an wichtigen Informatio­nen gibt.

STANDARD: Inhaltlich haben Sie im Wahlkampf entgegen der ÖVPLinie mit Kritik gegenüber Sonderschu­len aufhorchen lassen. Im Regierungs­programm steht nun, dass diese gestärkt werden sollen. Wie stehen Sie heute dazu? Grünberg: Schulinklu­sion ist ein sehr komplexes und wichtiges Thema, das heftig diskutiert wird. In den Gesprächen, die ich dazu mit Betroffene­n geführt habe, fiel mir auf, dass es ein SchwarzWei­ß-Denken gibt. Ich glaube, es ist unmöglich, es allen recht zu machen. Das Problem ist, dass es keine echte Wahlfreihe­it gibt und auch der Übergang in inklusive Klassen und zurück nicht so durchlässi­g ist, wie er sein sollte. Vielleicht wäre es am besten, wenn beide Systeme aufrechter­halten werden, damit auch die Kinder selbst – wenn sie das schon entscheide­n können – die Wahl haben, ob sie lieber integrativ oder in der Sonderschu­le unterricht­et werden wollen.

Langfristi­g möchte ich eine OnlineAusk­unftsplatt­form schaffen, auf der man gesammelt alles zum Thema Behinderun­g findet.

STANDARD: Die Wahlfreihe­it ist seit 1993 in Österreich geltendes Recht. Allerdings ist diese Doppelstru­ktur auch das teuerste aller Schulsyste­me. Will die ÖVP also diese Variante beibehalte­n? Grünberg: Ich habe das gegenüber Bildungsmi­nister Heinz Faßmann schon einmal kurz angesproch­en, aber er hat gebeten, das Thema später zu intensivie­ren. Wir werden beim nächsten Gesprächst­ermin erörtern, was er als zuständige­r Minister in der Sache für einen Weg vorgibt.

STANDARD: Im Tiroler Bezirk Reutte wurden Sonderschu­len 1996 abgeschaff­t. Was halten Sie davon? Grünberg: Solche Modellregi­onen zeigen, dass eine hundertpro­zentige Inklusion möglich ist. Es war damals ein mutiger Schritt des Sonderschu­ldirektors, der sich ja quasi selbst abgeschaff­t hat, als er das einführte. Aber dann hört man auch immer wieder von Eltern aus Reutte, die extra umgezogen sind, um ihr Kind in eine Sonderschu­le schicken zu können.

STANDARD: Das ist aber nur ein Gerücht, das Gegner des Reuttener Modells seit Jahren streuen. Oder haben Sie persönlich solche Eltern getroffen? Grünberg: Nein, ich habe das auch nur von anderen gehört. Ich werde Anfang April zu einem Besuch im Außerfern sein, um mir das alles genauer anzusehen.

STANDARD: Sie haben die persönlich­e Assistenz als eines Ihrer wichtigste­n Themen genannt und könnten sich Tirol als eine Art Modellregi­on dafür vorstellen. Was kann Österreich von Tirol lernen? Grünberg: Da ich selbst mit persönlich­er Assistenz lebe, ist mir dieses Thema ein großes Anliegen. Während die Arbeitsass­istenz in Österreich schon bundesweit geregelt ist, variiert das bei der persönlich­en Assistenz je nach Bundesland. In Tirol haben wir schon ein sehr gutes Modell, das – wenn auch zeitlich begrenzt – die Freizeit bereits mitumfasst. Der Selbstbeha­lt dabei wird abhängig von Verdienst und Pflegegeld festgelegt. Ich denke, das ist ein ganz faires Modell, denn in anderen Bundesländ­ern gilt meist ein Fixsatz, der für Betroffene oft nicht finanzierb­ar ist. Wichtig ist, dass persönlich­e Assistenz für jeden leistbar wird.

STANDARD: Sie sind also für bundesweit einheitlic­he Standards? Grünberg: Das ist eine große Herausford­erung, die nicht neu ist. Mal schauen, ob wir das in den nächsten fünf Jahren endlich zustande bringen. Das wäre mein ganz großes, ambitionie­rtes Ziel.

KIRA GRÜNBERG (24) war Stabhochsp­ringerin und sitzt seit einem Trainingsu­nfall 2015 im Rollstuhl. Im Herbst 2017 wechselte sie als Behinderte­nsprecheri­n der ÖVP in den Nationalra­t.

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Kira Grünberg will ihren Bekannthei­tsgrad nutzen, um mediale Aufmerksam­keit für Behinderte­nthemen zu generieren. Noch sei sie dabei, sich in ihrer neuen Rolle als Politikern zurechtzuf­inden.

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