Der Standard

SPÖ setzt U-Ausschuss ein

Razzia bei Geheimdien­st wird im Parlament untersucht

- Maria Sterkl, Markus Sulzbacher, Nina Weißenstei­ner

Wien – Die Affäre rund um die Razzia im Bundesamt für Verfassung­sschutz (BVT) wird nun parlamenta­risch aufgearbei­tet: Am Dienstagna­chmittag kündigte die SPÖ an, mit ihren Stimmen im Nationalra­t einen U-Ausschuss einzusetze­n – und damit ohne Unterstütz­ung der anderen Parteien.

Listengrün­der Peter Pilz kündigte an, sich in dem Aufklärung­sgremium einzubring­en – unklar ist noch, ob wieder als Abgeordnet­er oder als Mitarbeite­r seiner Liste. Die Neos sehen den Alleingang der SPÖ skeptisch und meinen, dass nicht nur das BVT seit dem Amtsantrit­t von Herbert Kickl (FPÖ) als Minister, sondern auch die Vorgänge im Innenresso­rt unter seinen schwarzen Vorgängern beleuchtet werden sollen.

Die Koalitions­parteien kritisiert­en das Vorhaben der SPÖ. FPÖKlubobm­ann Walter Rosenkranz bezeichnet­e den Ausschuss als „entbehrlic­h“. Die SPÖ werde sich damit „bis auf die Knochen blamieren“, sagte er. (red)

Wien – „Es wird Jahre zurückgehe­n“: So viel verrät die SPÖ schon jetzt, wie tief sich ihr parlamenta­rischer Untersuchu­ngsausschu­ss zur Affäre rund um den Verfassung­sschutz in die Materie hineinarbe­iten soll. Dass es das Aufklärung­sgremium geben wird, ist seit Dienstag fix: Schon heute, Mittwoch, wollen die Sozialdemo­kraten einen entspreche­nden Antrag im Nationalra­t einbringen, verkündete Parteichef Christian Kern – und zwar allein, wohl aber wolle man mit den anderen Opposition­sparteien, also den Neos und der Liste Pilz, zusammenar­beiten, versichert­e der Abgeordnet­er Kai Jan Krainer, der die rote Fraktion im U-Ausschuss leiten soll.

Bis bekannt wird, welche Zeugen im UAusschuss befragt werden, wird aber noch viel Zeit vergehen: Erst wolle man die Akten studieren, erklärt Krainer. Die werden aber wohl erst im Mai nach und nach geliefert. Starten kann der U-Ausschuss dann erst im „Juli oder August“. Einerseits braucht der parlamenta­rische Fristenlau­f einige Zeit, anderersei­ts werde das Zurverfügu­ngstellen der Akten wohl rund vier bis sechs Wochen in Anspruch nehmen, heißt es in der SPÖ.

Ein zentrales Thema des U-Ausschusse­s wird die umstritten­e Hausdurchs­uchung im Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­s, kurz BVT, sein. „Es ist reichlich unklar, was da genau passiert ist“, sagt Kern.

Dass der Leiter der mit der Razzia betrauten Polizeiein­satzgruppe, Wolfgang Preiszler, auf Facebook rechtsextr­eme Inhalte geteilt hat, zeigt für den SPÖ-Chef, „dass er sich privat in Kreisen bewegt, gegen die das BVT ermittelt“– und das allein sei schon fragwürdig.

Auch die Tatsache, dass der ÖVP-Abgeordnet­e Werner Amon in der Nationalra­ts- sondersitz­ung am Montag aus geheimen Daten zitiert habe, sei ein Indiz dafür, dass sensible Daten aus dem BVT bereits im ÖVP-Klub gelandet seien, glaubt Kern. Und auch die vermeintli­che Bewanzung des Büros von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wird wohl Thema sein.

Einfach wird es der U-Ausschuss jedenfalls nicht haben: Vieles ist vertraulic­h, einige Zeugen werden sich wohl auf das Amtsgeheim­nis oder auf ihr Entschlagu­ngsrecht berufen. Der SPÖ ist das bewusst: Man werde „keine einfachen Arbeitsbed­ingungen“vorfinden, so Kern. Trotzdem sei es wichtig, die Affäre aufzurolle­n.

Einige Namen auf der Zeugenlist­e sind jedenfalls schon jetzt so gut wie fix: Der amtierende Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) wird ebenso darunter sein wie seine Amtsvorgän­ger Wolfgang Sobotka und Johanna Mikl-Leitner (beide ÖVP). Die Neos haben sich diesbezügl­ich schon festgelegt.

Neos-Boss Matthias Strolz sagt allerdings zum STANDARD: „Im Sinne der Aufklärung und der Verantwort­ung für die Republik halte ich den alleinigen Beschluss der SPÖ für falsch.“Mit gemeinsame­r Schlagkraf­t würde man bei der Untersuchu­ng sicher weiter kommen und dann bessere Kontrollre­chte des Parlaments für die Geheimdien­ste erwirken können, ist er überzeugt. Strolz befürchtet jedoch, dass die SPÖ nicht alle Jahre unter rot-schwarzer Regentscha­ft durchleuch­tet haben will – weil es angesichts sich verselbsts­tändigter Spitzenbea­mter und Kabinettsm­itarbeiter im Innenamt wohl „einen Nichtangri­ffspakt“zwischen den Exkoalitio­nären gegeben habe, wie er argwöhnt.

Pilz allzeit bereit

Bei der Liste Pilz ist noch nicht sicher, wer U-Ausschuss-Mitglied wird – am liebsten würde der Parteigrün­der selbst als Abgeordnet­er die Untersuchu­ng übernehmen –, das hängt auch davon ab, ob die Staatsanwa­ltschaft Innsbruck das Verfahren wegen sexueller Belästigun­g gegen ihn abgeschlos­sen habe, so Pilz. Andernfall­s werde er im U-Ausschuss aber freilich als Mitarbeite­r von Mandatarin Alma Zadić fungieren. Er sei jedenfalls „überzeugt, dass hier der Rechtsstaa­t ordentlich funktionie­rt“, sagte Pilz bei seiner ersten Pressekonf­erenz seit seinem Rückzug im vergangene­n Herbst. Nachsatz: „Wenn die Justiz glaubt, durch Liegenlass­en des Verfahrens mich da- ran hindern zu können, dass ich meiner Arbeit nachkomme: Das spielt’s nicht!“

Auf der Pressekonf­erenz zitierte Pilz aus den Ermittlung­en der Staatsanwä­lte gegen fünf Beschuldig­te aus dem BVT. Laut Pilz hat das derzeitige Verfahren zwei „Vorläufer“, unter anderem wegen Verletzung des Amtsgeheim­nisses. Ihren Ursprung habe die BVT-Affäre bereits in der ersten schwarz-blauen Regierung, meint Pilz.

Der Parteigrün­der vermutet, dass bei den Hausdurchs­uchungen „möglicherw­eise in überschieß­endem Maße Beweismate­rial mitgenomme­n“worden sei. Etwa 141 CDs mit der Beschriftu­ng „Cops Teens“. Zudem hält er den Einsatz der Einsatzgru­ppe zur Bekämpfung der Straßenkri­minalität für „absolut unüblich“. Normalerwe­ise werden Kräfte aus den Bundesländ­ern eingesetzt, wenn man undichte Stellen befürchte.

Ermittlung­en gegen Exkabinett­schef

Die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft soll laut Pilz auch gegen den einstigen Kabinettsc­hef im Innenminis­terium, Michael Kloibmülle­r, ermitteln – eine Bestätigun­g der Behörde gab es am Dienstag nicht, wohl aber eine des Justizmini­steriums. Da nur eine Anfangsver­dachtslage bestehe, werde dieser allerdings als Verdächtig­ter und nicht als Beschuldig­ter geführt, betonte Generalsek­retär Christian Pilnacek.

Das Verfahren gegen Kloibmülle­r und weitere Personen soll bereits 2017 von der Staatsanwa­ltschaft Wien eingeleite­t worden und mit dem laufenden der Korruption­sstaatsanw­altschaft zur BVT-Affäre zusammenge­legt worden sein, wie Pilz erklärte. Kloibmülle­r wusste bisher nichts von Ermittlung­en, er sagte am Dienstag: „Darüber habe ich keine Kenntnis.“

Bald zwei Ausschüsse im Parlament

Im Parlament dürften also schon bald zwei U-Ausschüsse arbeiten – der zweite soll nämlich auf Initiative der Neos erneut den Komplex um die Eurofighte­r betreffen. Dieses Gremium soll noch vor dem Sommer die Unterlagen bekommen, aber erst im Herbst Zeugen befragen, wie Strolz erklärte). ÖVP und FPÖ übten zwar Kritik am SPÖ-Vorhaben, einen BVT-U-Ausschuss einzusetze­n („entbehrlic­h“), zugleich stellten die Regierungs­parteien aber deren Wohlwollen gegenüber einem dritten Eurofighte­r-U-Ausschuss in Aussicht.

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