SPÖ setzt U-Ausschuss ein
Razzia bei Geheimdienst wird im Parlament untersucht
Wien – Die Affäre rund um die Razzia im Bundesamt für Verfassungsschutz (BVT) wird nun parlamentarisch aufgearbeitet: Am Dienstagnachmittag kündigte die SPÖ an, mit ihren Stimmen im Nationalrat einen U-Ausschuss einzusetzen – und damit ohne Unterstützung der anderen Parteien.
Listengründer Peter Pilz kündigte an, sich in dem Aufklärungsgremium einzubringen – unklar ist noch, ob wieder als Abgeordneter oder als Mitarbeiter seiner Liste. Die Neos sehen den Alleingang der SPÖ skeptisch und meinen, dass nicht nur das BVT seit dem Amtsantritt von Herbert Kickl (FPÖ) als Minister, sondern auch die Vorgänge im Innenressort unter seinen schwarzen Vorgängern beleuchtet werden sollen.
Die Koalitionsparteien kritisierten das Vorhaben der SPÖ. FPÖKlubobmann Walter Rosenkranz bezeichnete den Ausschuss als „entbehrlich“. Die SPÖ werde sich damit „bis auf die Knochen blamieren“, sagte er. (red)
Wien – „Es wird Jahre zurückgehen“: So viel verrät die SPÖ schon jetzt, wie tief sich ihr parlamentarischer Untersuchungsausschuss zur Affäre rund um den Verfassungsschutz in die Materie hineinarbeiten soll. Dass es das Aufklärungsgremium geben wird, ist seit Dienstag fix: Schon heute, Mittwoch, wollen die Sozialdemokraten einen entsprechenden Antrag im Nationalrat einbringen, verkündete Parteichef Christian Kern – und zwar allein, wohl aber wolle man mit den anderen Oppositionsparteien, also den Neos und der Liste Pilz, zusammenarbeiten, versicherte der Abgeordneter Kai Jan Krainer, der die rote Fraktion im U-Ausschuss leiten soll.
Bis bekannt wird, welche Zeugen im UAusschuss befragt werden, wird aber noch viel Zeit vergehen: Erst wolle man die Akten studieren, erklärt Krainer. Die werden aber wohl erst im Mai nach und nach geliefert. Starten kann der U-Ausschuss dann erst im „Juli oder August“. Einerseits braucht der parlamentarische Fristenlauf einige Zeit, andererseits werde das Zurverfügungstellen der Akten wohl rund vier bis sechs Wochen in Anspruch nehmen, heißt es in der SPÖ.
Ein zentrales Thema des U-Ausschusses wird die umstrittene Hausdurchsuchung im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismus, kurz BVT, sein. „Es ist reichlich unklar, was da genau passiert ist“, sagt Kern.
Dass der Leiter der mit der Razzia betrauten Polizeieinsatzgruppe, Wolfgang Preiszler, auf Facebook rechtsextreme Inhalte geteilt hat, zeigt für den SPÖ-Chef, „dass er sich privat in Kreisen bewegt, gegen die das BVT ermittelt“– und das allein sei schon fragwürdig.
Auch die Tatsache, dass der ÖVP-Abgeordnete Werner Amon in der Nationalrats- sondersitzung am Montag aus geheimen Daten zitiert habe, sei ein Indiz dafür, dass sensible Daten aus dem BVT bereits im ÖVP-Klub gelandet seien, glaubt Kern. Und auch die vermeintliche Bewanzung des Büros von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wird wohl Thema sein.
Einfach wird es der U-Ausschuss jedenfalls nicht haben: Vieles ist vertraulich, einige Zeugen werden sich wohl auf das Amtsgeheimnis oder auf ihr Entschlagungsrecht berufen. Der SPÖ ist das bewusst: Man werde „keine einfachen Arbeitsbedingungen“vorfinden, so Kern. Trotzdem sei es wichtig, die Affäre aufzurollen.
Einige Namen auf der Zeugenliste sind jedenfalls schon jetzt so gut wie fix: Der amtierende Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) wird ebenso darunter sein wie seine Amtsvorgänger Wolfgang Sobotka und Johanna Mikl-Leitner (beide ÖVP). Die Neos haben sich diesbezüglich schon festgelegt.
Neos-Boss Matthias Strolz sagt allerdings zum STANDARD: „Im Sinne der Aufklärung und der Verantwortung für die Republik halte ich den alleinigen Beschluss der SPÖ für falsch.“Mit gemeinsamer Schlagkraft würde man bei der Untersuchung sicher weiter kommen und dann bessere Kontrollrechte des Parlaments für die Geheimdienste erwirken können, ist er überzeugt. Strolz befürchtet jedoch, dass die SPÖ nicht alle Jahre unter rot-schwarzer Regentschaft durchleuchtet haben will – weil es angesichts sich verselbstständigter Spitzenbeamter und Kabinettsmitarbeiter im Innenamt wohl „einen Nichtangriffspakt“zwischen den Exkoalitionären gegeben habe, wie er argwöhnt.
Pilz allzeit bereit
Bei der Liste Pilz ist noch nicht sicher, wer U-Ausschuss-Mitglied wird – am liebsten würde der Parteigründer selbst als Abgeordneter die Untersuchung übernehmen –, das hängt auch davon ab, ob die Staatsanwaltschaft Innsbruck das Verfahren wegen sexueller Belästigung gegen ihn abgeschlossen habe, so Pilz. Andernfalls werde er im U-Ausschuss aber freilich als Mitarbeiter von Mandatarin Alma Zadić fungieren. Er sei jedenfalls „überzeugt, dass hier der Rechtsstaat ordentlich funktioniert“, sagte Pilz bei seiner ersten Pressekonferenz seit seinem Rückzug im vergangenen Herbst. Nachsatz: „Wenn die Justiz glaubt, durch Liegenlassen des Verfahrens mich da- ran hindern zu können, dass ich meiner Arbeit nachkomme: Das spielt’s nicht!“
Auf der Pressekonferenz zitierte Pilz aus den Ermittlungen der Staatsanwälte gegen fünf Beschuldigte aus dem BVT. Laut Pilz hat das derzeitige Verfahren zwei „Vorläufer“, unter anderem wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses. Ihren Ursprung habe die BVT-Affäre bereits in der ersten schwarz-blauen Regierung, meint Pilz.
Der Parteigründer vermutet, dass bei den Hausdurchsuchungen „möglicherweise in überschießendem Maße Beweismaterial mitgenommen“worden sei. Etwa 141 CDs mit der Beschriftung „Cops Teens“. Zudem hält er den Einsatz der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität für „absolut unüblich“. Normalerweise werden Kräfte aus den Bundesländern eingesetzt, wenn man undichte Stellen befürchte.
Ermittlungen gegen Exkabinettschef
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft soll laut Pilz auch gegen den einstigen Kabinettschef im Innenministerium, Michael Kloibmüller, ermitteln – eine Bestätigung der Behörde gab es am Dienstag nicht, wohl aber eine des Justizministeriums. Da nur eine Anfangsverdachtslage bestehe, werde dieser allerdings als Verdächtigter und nicht als Beschuldigter geführt, betonte Generalsekretär Christian Pilnacek.
Das Verfahren gegen Kloibmüller und weitere Personen soll bereits 2017 von der Staatsanwaltschaft Wien eingeleitet worden und mit dem laufenden der Korruptionsstaatsanwaltschaft zur BVT-Affäre zusammengelegt worden sein, wie Pilz erklärte. Kloibmüller wusste bisher nichts von Ermittlungen, er sagte am Dienstag: „Darüber habe ich keine Kenntnis.“
Bald zwei Ausschüsse im Parlament
Im Parlament dürften also schon bald zwei U-Ausschüsse arbeiten – der zweite soll nämlich auf Initiative der Neos erneut den Komplex um die Eurofighter betreffen. Dieses Gremium soll noch vor dem Sommer die Unterlagen bekommen, aber erst im Herbst Zeugen befragen, wie Strolz erklärte). ÖVP und FPÖ übten zwar Kritik am SPÖ-Vorhaben, einen BVT-U-Ausschuss einzusetzen („entbehrlich“), zugleich stellten die Regierungsparteien aber deren Wohlwollen gegenüber einem dritten Eurofighter-U-Ausschuss in Aussicht.