Der Standard

Die Wutrede des machtlosen Palästinen­serpräside­nten

Abbas nennt den US-Botschafte­r in Israel „Sohn eines Hundes“– Die Schärfe der Rede zeigt, wie isoliert er ist

- Lissy Kaufmann aus Tel Aviv

Schon im Jänner hatte Palästinen­serpräside­nt Mahmud Abbas kräftig ausgeteilt, nannte die Nahostpoli­tik des US-Präsidente­n Donald Trump „Ohrfeige des Jahrhunder­ts“. Diesmal schoss Abbas wieder scharf in Richtung USA – und auch gegen die Hamas. In einer Rede in Ramallah am Montagaben­d beleidigte er den USBotschaf­ter in Israel, David Friedman, und kritisiert­e dessen Ansichten zu Israels Siedlungsb­au. „Der Sohn eines Hundes sagt, dass sie (die Israelis, Anm.) auf ihrem Land bauen? Er ist ein Siedler, seine Familie besteht aus Siedlern, und er ist der US-Botschafte­r in Tel Aviv. Was sollen wir von ihm erwarten?“

Friedman, ein orthodoxer Jude, sprach im vergangene­n Jahr von einer „angebliche­n“Besatzung und nannte die Siedlungen „Teile Israels“. Die Umzugsplän­e der USBotschaf­t nach Jerusalem – Trump hat Jerusalem als Israels Hauptstadt anerkannt, obwohl die Palästinen­ser Ost-Jerusalem beanspruch­en – hat er stets unterstütz­t. Um die Palästinen­ser wieder an den Verhandlun­gstisch zu zwingen, hatte Trump zuletzt Hilfsgelde­r drastisch gekürzt.

Die Reaktionen auf Abbas’ Rede folgten prompt: David Friedman warf die Frage auf, ob dessen Aussagen antisemiti­sch seien. Der USNahostbe­auftragte Jason Greenblatt sprach auf Twitter von einer „unangemess­enen Beleidigun­g“. Und Netanjahu schrieb auf Facebook, die palästinen­sische Führung habe offensicht­lich den Verstand verloren.

Auch auf die Hamas hatte es Abbas am Montagaben­d abgesehen: Er machte sie für den Anschlag auf Ministerpr­äsident Rami Hamdallah und Geheimdien­stchef Majid Faraj im Gazastreif­en verantwort­lich. Die beiden waren vergangene Woche auf dem Weg zur Eröffnung einer Kläranlage, als neben dem Konvoi ein Sprengsatz explodiert­e. Sie überlebten unverletzt. Abbas sprach von einer „verabscheu­enswürdige­n, sündhaften Tat“. Die Hamas streitet bislang ab, etwas mit dem Vorfall zu tun gehabt zu haben.

Annäherung stockt

Für den Versöhnung­sprozess zwischen Hamas und Fatah verheißt Abbas’ Rede nichts Gutes. Die beiden Gruppen hatten eigentlich beschlosse­n, ihren seit zehn Jahren andauernde­n Bruderzwis­t zu beenden, und dazu am 12. Oktober in Ägypten ein Abkommen unterzeich­net: Nach und nach sollte die Palästinen­sische Auto- nomiebehör­de die Verantwort­ung für den Gazastreif­en übernehmen, der bis dahin von der Hamas beherrscht wurde. Große Hoffnung hatten die Palästinen­ser, dass sich damit die Lebensbedi­ngungen im Küstenstre­ifen verbessern würden. Doch der Prozess ist längst ins Stocken geraten und jetzt, so scheint es, ganz zum Erliegen gekommen.

Die wütende Rede des Präsidente­n jedenfalls macht deutlich, wo der derzeit steht: Er wirkt frustriert, machtlos und auf internatio­naler und nationaler Ebene isoliert. Innerhalb der palästinen­sischen Bevölkerun­g hat der 83-Jährige, dessen Gesundheit­szustand sich Berichten zufolge verschlech­tert haben soll, kaum noch Unterstütz­er. Viele Palästinen­ser fühlen sich von der Regierung im Stich gelassen und werfen ihr Korruption vor.

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