Stau in der Ostseepipeline Nord Stream 2
Russland blickt auf Probleme bei den Gaslieferungen nach Europa. Der Bau verzögert sich, und die Anschlüsse fehlen
Moskau – Russland kommt um die Ukraine nicht herum: Die Gaslieferungen nach Europa können ab 2020 noch nicht vollständig über die geplante Verbreiterung der Ostseepipeline laufen. Der Grund: Selbst wenn das Projekt Nord Stream 2 fristgerecht bis Ende 2019 verwirklicht wird, fehlen die Anschlussverbindungen.
Seit Jahren streiten sich Kiew und Moskau um das Gas. Die derzeitigen Liefer- und Transitverträge wurden 2009 geschlossen; nach dem bisher schärfsten Konflikt der Nachbarn um den Brennstoff, in dessen Verlauf Russland der Ukraine den Gashahn abdrehte und diese sich wiederum tagelang am Transitgas für Europa bediente.
Symbolische Bedeutung
Erfüllt wird allerdings auch dieser Vertrag von beiden Seiten nicht, weshalb das Schiedsgericht in Stockholm unlängst erst den ukrainischen Energieversorger Naftogas zu zwei Milliarden Dollar Schadenersatz und später Gazprom gar zu 4,6 Milliarden Dollar Kompensation an die jeweilige Gegenseite verurteilte. Da der russische Gasriese damit netto 2,6 Milliarden Dollar an Naftogas zahlen muss, reagierte Konzernchef Alexej Miller verschnupft: Das Urteil sei ungerecht, offenbar sollten die Probleme der ukrainischen Wirtschaft auf russische Kosten gelöst werden, klagte er.
Gazprom strich als Reaktion nicht nur die geplante und schon per Vorkasse bezahlte Wiederaufnahme der Gaslieferungen an die Ukraine, sondern leitete auch die Vertragskündigung in die Wege. Ein solcher Kontrakt mache für Gazprom keinen Sinn, begründete Moskau den Schritt.
Die Kündigung hat eher symbolische Bedeutung. Die juristischen Formalitäten werden noch eine ganze Weile in Anspruch nehmen, und der Vertrag läuft ohnehin Ende 2019 aus. Gazprom wollte aber damit auch noch einmal deutlich machen, dass eine Verlängerung des Gastransits nach Europa durch die Ukraine für die Russen nicht infrage kommt. Umso ärgerlicher für Moskau, dass die geplante Umgehungsstre- cke über die Ostsee vorerst nicht funktioniert. Denn das acht Milliarden Euro teure Projekt Nord Stream 2 wird zwar, wenn die Genehmigungsverfahren sich nicht noch weiter in die Länge ziehen, Ende 2019 fertig. Sicher ist das aber noch nicht, der Widerstand in Osteuropa ist nach wie groß: Erst am Montag hat Polens Vizeaußenminister Konrad Szymanski Deutschland noch einmal darum gebeten, seine Position zur Pipeline, an der sich auch die OMV beteiligen will, zu überdenken.
Doch selbst, wenn alles klappt: Die 55 Milliarden Kubikmeter Gas, die die Pipeline befördern kann, stecken aber dann erst einmal im Stau. Denn die Röhre, die das Gas im vorpommerschen Greifswald abnehmen soll, wird voraussichtlich erst ein Jahr später fertig.
Ostsee bis Tschechien
Die Pipeline Eugal soll von der Ostseeküste bis an die tschechische Grenze führen und vor allem die Weiterverteilung des Gases Richtung Südeuropa gewährleisten. Die 480 Kilometer lange Strecke kostet laut dem Betreiberkonsortium einen „kleinen einstelligen Milliardenbetrag“.
Federführend beim Bau ist der Gasnetzbetreiber Gascade, ein Joint Venture zwischen Gazprom und Wintershall. Die übrigen 49,5 Prozent des Projekts wurden im Herbst an die Deutschlandtöchter der Energieversorger Fluxys und Gasunie sowie die VNGTochter Ontrans veräußert. Die Kapazität von Eugal liegt bei 50 Milliarden Kubikmeter – aber eben erst Ende 2020.
Ähnliche Verzögerungen gab es beim Bau der Leitung Opal, die auch erst ein Jahr nach dem Bau der ersten Ostseepipeline vollständig in Betrieb ging. Für Nord Stream 2 bedeutet das, dass zunächst maximal 34 Milliarden Kubikmeter durch die Pipeline fließen können. Das reicht bei weitem nicht, um den ukrainischen Transit zu ersetzen: 2017 waren das 93 Milliarden Kubikmeter.
Damit muss sich Russland mit der Ukraine einigen, um weiterhin den Markt in Europa beliefern zu können. Darauf verzichten will Gazprom trotz allen Geredes über eine Wende gen Osten nicht. Gaslieferungen nach Europa sind für Russland deutlich lukrativer als die Lieferungen Richtung China, zumal auch der europäische Markt nach einer längeren Talfahrt wieder wächst.