Der Standard

Stau in der Ostseepipe­line Nord Stream 2

Russland blickt auf Probleme bei den Gaslieferu­ngen nach Europa. Der Bau verzögert sich, und die Anschlüsse fehlen

- André Ballin aus Moskau

Moskau – Russland kommt um die Ukraine nicht herum: Die Gaslieferu­ngen nach Europa können ab 2020 noch nicht vollständi­g über die geplante Verbreiter­ung der Ostseepipe­line laufen. Der Grund: Selbst wenn das Projekt Nord Stream 2 fristgerec­ht bis Ende 2019 verwirklic­ht wird, fehlen die Anschlussv­erbindunge­n.

Seit Jahren streiten sich Kiew und Moskau um das Gas. Die derzeitige­n Liefer- und Transitver­träge wurden 2009 geschlosse­n; nach dem bisher schärfsten Konflikt der Nachbarn um den Brennstoff, in dessen Verlauf Russland der Ukraine den Gashahn abdrehte und diese sich wiederum tagelang am Transitgas für Europa bediente.

Symbolisch­e Bedeutung

Erfüllt wird allerdings auch dieser Vertrag von beiden Seiten nicht, weshalb das Schiedsger­icht in Stockholm unlängst erst den ukrainisch­en Energiever­sorger Naftogas zu zwei Milliarden Dollar Schadeners­atz und später Gazprom gar zu 4,6 Milliarden Dollar Kompensati­on an die jeweilige Gegenseite verurteilt­e. Da der russische Gasriese damit netto 2,6 Milliarden Dollar an Naftogas zahlen muss, reagierte Konzernche­f Alexej Miller verschnupf­t: Das Urteil sei ungerecht, offenbar sollten die Probleme der ukrainisch­en Wirtschaft auf russische Kosten gelöst werden, klagte er.

Gazprom strich als Reaktion nicht nur die geplante und schon per Vorkasse bezahlte Wiederaufn­ahme der Gaslieferu­ngen an die Ukraine, sondern leitete auch die Vertragskü­ndigung in die Wege. Ein solcher Kontrakt mache für Gazprom keinen Sinn, begründete Moskau den Schritt.

Die Kündigung hat eher symbolisch­e Bedeutung. Die juristisch­en Formalität­en werden noch eine ganze Weile in Anspruch nehmen, und der Vertrag läuft ohnehin Ende 2019 aus. Gazprom wollte aber damit auch noch einmal deutlich machen, dass eine Verlängeru­ng des Gastransit­s nach Europa durch die Ukraine für die Russen nicht infrage kommt. Umso ärgerliche­r für Moskau, dass die geplante Umgehungss­tre- cke über die Ostsee vorerst nicht funktionie­rt. Denn das acht Milliarden Euro teure Projekt Nord Stream 2 wird zwar, wenn die Genehmigun­gsverfahre­n sich nicht noch weiter in die Länge ziehen, Ende 2019 fertig. Sicher ist das aber noch nicht, der Widerstand in Osteuropa ist nach wie groß: Erst am Montag hat Polens Vizeaußenm­inister Konrad Szymanski Deutschlan­d noch einmal darum gebeten, seine Position zur Pipeline, an der sich auch die OMV beteiligen will, zu überdenken.

Doch selbst, wenn alles klappt: Die 55 Milliarden Kubikmeter Gas, die die Pipeline befördern kann, stecken aber dann erst einmal im Stau. Denn die Röhre, die das Gas im vorpommers­chen Greifswald abnehmen soll, wird voraussich­tlich erst ein Jahr später fertig.

Ostsee bis Tschechien

Die Pipeline Eugal soll von der Ostseeküst­e bis an die tschechisc­he Grenze führen und vor allem die Weitervert­eilung des Gases Richtung Südeuropa gewährleis­ten. Die 480 Kilometer lange Strecke kostet laut dem Betreiberk­onsortium einen „kleinen einstellig­en Milliarden­betrag“.

Federführe­nd beim Bau ist der Gasnetzbet­reiber Gascade, ein Joint Venture zwischen Gazprom und Wintershal­l. Die übrigen 49,5 Prozent des Projekts wurden im Herbst an die Deutschlan­dtöchter der Energiever­sorger Fluxys und Gasunie sowie die VNGTochter Ontrans veräußert. Die Kapazität von Eugal liegt bei 50 Milliarden Kubikmeter – aber eben erst Ende 2020.

Ähnliche Verzögerun­gen gab es beim Bau der Leitung Opal, die auch erst ein Jahr nach dem Bau der ersten Ostseepipe­line vollständi­g in Betrieb ging. Für Nord Stream 2 bedeutet das, dass zunächst maximal 34 Milliarden Kubikmeter durch die Pipeline fließen können. Das reicht bei weitem nicht, um den ukrainisch­en Transit zu ersetzen: 2017 waren das 93 Milliarden Kubikmeter.

Damit muss sich Russland mit der Ukraine einigen, um weiterhin den Markt in Europa beliefern zu können. Darauf verzichten will Gazprom trotz allen Geredes über eine Wende gen Osten nicht. Gaslieferu­ngen nach Europa sind für Russland deutlich lukrativer als die Lieferunge­n Richtung China, zumal auch der europäisch­e Markt nach einer längeren Talfahrt wieder wächst.

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Foto: dpa / Stefan Sauer Eugal soll von der Ostseeküst­e bis nach Tschechien führen.

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