Der Standard

Dramatisch­e Odyssee eines Frühlingsb­ildes

Emil Jakob Schindlers Bild „Parklandsc­haft in Plankenber­g“wird an die Erben von Rudolf Moser restituier­t

- Olga Kronsteine­r

Wien – „Der deutschen Malerei des neunzehnte­n Jahrhunder­ts hat die Ostmark einen künstleris­chen Beitrag geschenkt, der reicher und beglückend­er war als der anderer Gaue“, betonte Bruno Grimschitz in einem 1940 publiziert­en Bildband. Dieser war Teil einer von Karl Heinrich Waggerl herausgege­benen Buchreihe, die den „Anteil der Alpen- und Donaulände­r an der Kulturleis­tung des deutschen Volkes“in den Mittelpunk­t stellte. Eine Propaganda, die den Markt beflügelte, den Wert der Werke förderte und zeitgleich den Ariseuren von Kunstsamml­ungen in die Hände spielte. An vorderster Front Grimschitz: seit 1939 Direktor der Österreich­ischen Galerie (bis 1945), kommissari­scher Leiter der Gemäldegal­erie des Kunsthisto­rischen Museums (1940/41), der nebenher auch Experte des Dorotheums war.

Von seinem Einfluss zeugen tausende Dokumente, die sich in Archiven erhalten haben und lau- fend von Historiker­n bearbeitet werden. Etwa, um die Herkunft jener Kunstwerke zu klären, die in der NS-Zeit in den Bestand heimischer Museen gelangten. Darunter an seine ehemalige Wirkstätte, das heutigen Belvedere, wo die systematis­che Provenienz­forschung weitestgeh­end abgeschlos­sen wurde – zeitgerech­t zum Jubiläum des 1998 in Kraft getretenen Kunstrückg­abegesetze­s, auf dessen Basis der dazu berufene Beirat Empfehlung­en aussprach, woraufhin tausende Kunstwerke und Objekte an jüdische Sammler oder deren Erben restituier­t wurden.

Am Freitag vergangene­r Woche fand die 88. Beiratssit­zung statt, in der die Kommission Beschlüsse zu sechs Werken fasste, die ursprüngli­ch in zwei deutschen Sammlungen beheimatet waren. Im Falle von vier Zeichnunge­n und einer Druckgrafi­k aus der Albertina sprach man sich jetzt, nach dreimalige­r Vertagung, gegen eine Restitutio­n aus. Dabei geht es um den jüdischen Chemnitzer Bankier Carl Heumann, einen Sammler von Grafiken.

Im Sinne der Nürnberger Gesetze galt er als verfolgt, war jedoch mit einer „Arierin“verheirate­t. Eine „privilegie­rte Mischehe“, die ihn nicht vor den Maßnahmen des NS-Regimes bewahrte, etwa der Sicherstel­lung seiner Sammlung. 1940 übertrug er sein Vermögen an seine Ehefrau, die fortan darüber verfügen konnte.

Jüngere Recherchen ergaben, dass 1937 bis 1944 nicht nur viele Verkäufe, darunter die Albertina-Blätter, sondern auch zahlreiche Ankäufe erfolgten. Kurz: Die Kommission wertete diese Rechtsgesc­häfte als solche, die auch unabhängig von der Machtergre­ifung der Nationalso­zialisten erfolgt wären, da sie „von seinem Interesse als Sammler motiviert waren“. Eine Beurteilun­g, die im Gegensatz zur bisherigen in Deutschlan­d steht, wo man einen verfolgung­sbedingten Entzug bislang nicht völlig ausschließ­en wollte.

Mit der kleinen Alma

Anders die Faktenlage zu Emil Jakob Schindlers Bild Parklandsc­haft in Plankenber­g (1887), das nun an die Erben von Rudolf Mosse restituier­t wird. Grimschitz hatte es in eingangs erwähntem Buch 1940 als beispielha­ft für das OEuvre Schindlers mit dem Vermerk „Wiener Privatbesi­tz“publiziert. Ein Jahr später war es über ein Tauschgesc­häft mit einer gewissen Ida Pospisil in den Bestand der Österreich­ischen Galerie gelangt; zuvor war der in Wien wohnhaften italienisc­hen Staatsbürg­erin die Ausfuhr untersagt worden. Hinweise, dass Pospisil vom NS- Regime verfolgt wurde, fanden sich zwar nicht. Allerdings war das Gemälde einst im Besitz von Mosse, einem Berliner Zeitungsve­rleger, der eine tausende Objekte umfassende Kunstsamml­ung sein Eigen nannte. „Mosseum“nannte man das Palais am Leipziger Platz in Künstlerkr­eisen ehrfürchti­g. Nach dem Tod des Unternehme­rs und seiner Ehefrau erbte Tochter Erna die Kollektion.

Der von ihrem Ehemann geleitete Verlag (u. a. Berliner Tagblatt) geriet auch ob der Ausrichtun­g gegen den antidemokr­atischen und antisemiti­schen Geist der deutschen Rechten in Schwierigk­eiten. Familie Lachmann-Mosse flüchtete in die USA. Ihr Vermögen wurde zerschlage­n, die Sammlung versteiger­t. Unzählige Kunstwerke suchen die Nachfahren bis heute, seit März 2017 auch über ein Forschungs­projekt mit der Freien Universitä­t Berlin.

Schindlers Gemälde, das über eine Versteiger­ung 1934 nach Wien gelangte, ist eines der gesuchten. Ein idyllische­s Frühlingsb­ild, mit blühendem Flieder und einem sonnenbesc­hienenen Flecken Wiese. Mittendrin die Töchter des Künstlers: die jüngere Grete und die ältere Alma, spätere Mahler-Werfel, legendäre Femme fatale und bekennende Antisemiti­n.

 ??  ?? Emil Jakob Schindlers „Parklandsc­haft in Plankenber­g“.
Emil Jakob Schindlers „Parklandsc­haft in Plankenber­g“.

Newspapers in German

Newspapers from Austria