Der Standard

„Keiner wollte mehr Geld in die Hand nehmen“

Nach dem Kauf durch ProSiebenS­at1Puls4 habe sich ATV vom „kubanische­n Niveau“weg und hin zu guten Quoten entwickelt, sagt Georg Grabner, Chefredakt­eur des Privatsend­ers. Ein neues News-Format kommt.

- Oliver Mark INTERVIEW:

Standard: Die ATV-Redaktion hat vor einem Jahr in einem offenen Brief, den auch Sie unterschri­eben haben, vor dem Verkauf des Senders gewarnt und einen „massiven Verlust an Meinungsvi­elfalt“befürchtet. Sind die Befürchtun­gen eingetrete­n? Grabner: Aus meiner Sicht ganz und gar nicht. Ich konnte und kann als Chef vom Dienst und nun im letzten Jahr als stellvertr­etender Chefredakt­eur Sendungen so bestücken, wie ich es für richtig halte und wie es die Redaktion für richtig hält. Der Redaktion war es immer wichtig, dass wir eine bestimmte Sendelänge zur Verfügung haben. Die ist unveränder­t geblieben. Standard: Vergleicht man die Quoten, sind sie mit zuletzt im Schnitt 117.000 Zusehern für „ATV Aktuell“stabil. Trotz kleinerer Redaktion nach der Übernahme. Grabner: Die Redaktion ist nicht kleiner geworden, wir haben dieselbe Anzahl an Mitarbeite­rn. Die Quoten haben sich positiv entwickelt. Vor der Übernahme lag der Marktantei­l in der Hauptzielg­ruppe bei knapp über vier Prozent, in den ersten zwei Monaten 2018 bei knapp über fünf Prozent. Was man nicht vergessen darf: Wir haben uns damals mit ATV in puncto Technik auf kubanische­m Niveau bewegt. Wir haben auf Band und in SD produziert. Nach der Übernahme konnten wir endlich auf den HD-Standard umsteigen. Das war bei den Quoten spürbar. Außerdem hat auch die beste Nachrichte­nsendung der Welt ein Problem, wenn das Vorlaufpro­gramm keine Zuseher bringt. Bei ATV alt wurde nichts mehr ins Programm investiert. Keiner wollte mehr Geld in die Hand nehmen.

Standard: Der Verkauf stand ja in Verbindung mit einem Personalab­bau bei ATV von rund 70 Vollzeit- stellen. Die Redaktion war auch betroffen. Wie geht sich das aus? Grabner: Die Redaktions­größe ist mit etwa 20 Jobs unveränder­t zum Stand ATV alt. Sämtliche Stellen wurden nachbesetz­t. Es hat sich nichts verändert, und aus meiner Sicht wäre es gar nicht mit weniger Personal möglich. Die Sendelänge bedingt einfach eine gewisse Personalst­ärke, unter der es nicht geht.

Standard: Trotz Synergien, von denen immer wieder die Rede war? Grabner: Die Synergien bestehen darin, dass wir den gleichen Standort, die gleichen Werkzeuge und die gleiche Technik benutzen, sprich die gleiche Schnittsof­tware, sowie dieselbe Sendeabwic­klung. Rein inhaltlich gibt es überhaupt keine Synergien. Wir könnten genauso gut drei Kilometer weiter im zweiten Bezirk sitzen und dort unsere Sendung machen.

Standard: Die Eigenständ­igkeit der Nachrichte­nredaktion­en war ein wichtiger Teil der Auflagen, die Wettbewerb­shüter nach der Übernahme von ATV durch ProSiebenS­at1Puls4 gemacht haben. Gibt es Absprachen, wenn etwa ein Minister eine Pressekonf­erenz hält? Grabner: Wir wissen erst dann, was die Puls-4-Kollegen gemacht haben, wenn wir am Abend ihre Nachrichte­n schauen. Und wir wissen, welchen Termin sie besetzten, wenn wir gleichzeit­ig dort aufschlage­n. Es gibt keinerlei Absprachen, und jede Redaktion entscheide­t selbst, welche Termine sie wahrnimmt und welche nicht.

Standard: Im Mai hat ATV die Nachrichte­nstruktur geändert. Kommen noch neue Formate? Grabner: Wir haben für ATV Aktuell neben 19.20 Uhr als Flaggschif­fsendung die Formate um 17.20 und 18.20 Uhr etabliert. Die laufen gut, wir konnten unsere Seherkonta­kte dadurch ausbauen, erreichen gut fünf Prozent mehr. Dieses Jahr war der Fokus auf den Landtagswa­hlen. Am 25. März werden wir unter der Marke ATV aktuell spezial: 100 Tage Regierung bilanziere­n – unter der Moderation von Meinrad Knapp mit Politikber­ater Thomas Hofer und Meinungsfo­rscher Peter Hajek. Solche Schwerpunk­tsendungen sollen öfter vorkommen.

Standard: Was noch? Grabner: Als deutliches Signal, dass uns Public Value wichtig ist, starten wir ab 29. April sonntags um 22.20 Uhr ein halbstündi­ges Politainme­nt-Format. An Bord ist wieder das Trio Knapp, Hofer und Hajek, um die politische Woche aufzuarbei­ten. Unter dem Arbeitstit­el ATV aktuell: Die Woche soll die Marke ATV Aktuell ausgebaut werden.

Standard: Programmie­rt gegen ORF-„Im Zentrum“. Gescheit? Grabner: Aus Sicht der Redaktion ist es wichtig, dass wir einen Sendeplatz mit einem guten Vorlauf haben. In diesem Fall ist es mit Hubert und Staller der attraktivs­te der ganzen Woche. Das ist auch ein klares Bekenntnis der Geschäftsf­ührung zu Public Value.

Standard: Gibt es ein tägliches Quotenrenn­en mit Puls 4, und ist es eine Prestigesa­che, die Senderschw­ester auf Distanz zu halten? Grabner: Sagen wir so: Wir sind schon gerne die Nummer eins im Privat-TV im Nachrichte­nbereich. Das möchten wir uns erhalten.

Standard: Bei Puls 4 werden im Gegensatz zu ATV ständig neue Formate entwickelt werden. Ist ATV das Stiefkind in der Familie? Grabner: Das kann ich so nicht nachvollzi­ehen, und ich würde es einmal so einordnen: Dreieinhal­b Stunden live von der niederöste­rreichisch­en Landtagswa­hl zu berichten deutet eher darauf hin, dass der Nachrichte­nschwerpun­kt auf ATV-Seite zu finden ist.

GEORG GRABNER (40) ist seit 2007 bei ATV. Er avanciert mit April vom Stellvertr­eter zum Chefredakt­eur des Senders.

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„Gerne die Nummer eins im Privat-TV im Nachrichte­nbereich“: Georg Grabner dirigiert „ATV Aktuell“.

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