Der Standard

Wie Häfen sicherer werden sollen

Wo Waren transporti­ert und umgeschlag­en werden, tummeln sich auch Kriminelle. Deren Methoden werden immer dreister und technisch raffiniert­er. Die Logistikbr­anche rüstet nun ihrerseits auf, um des Problems Herr zu werden.

- Markus Trostmann

Wien – Häfen, Lagerhäuse­r, Gütertermi­nals, Frachtflug­häfen und die dort umgeschlag­enen Güter wirken auf Kriminelle besonders anziehend. Das zeigte nicht zuletzt der Überfall auf eine Frachtmasc­hine der Lufthansa in Brasilien, wo es Räubern gelang, rund fünf Millionen Dollar zu stehlen. Dabei sind solche „handfesten“Vorfälle fast schon „old school“.

So setzen zum Beispiel Schmuggler immer öfter auf Datenmanip­ulationen im großen Stil. Sie dringen dafür mittels Software in Systeme ein. Dieser technische­n Aufrüstung will die Logistikbr­anche nun entgegenwi­rken. Experten entwickeln derzeit ein System, das etwa Hafentechn­ologien vor Angriffen sicherer machen soll.

Computer gehackt

Für Schlagzeil­en sorgte vor vier Jahren auch ein Fall im Hafen Antwerpen, wo regelmäßig Container aus Südamerika verschwand­en. Als die Empfänger sie abholen wollten, waren sie schon weg. In den Containern waren Drogen versteckt. Die Schmuggler hatten sich in die Computer von Hafenunter­nehmen gehackt und konnten die Fracht so vorzeitig zur „Abholung freistelle­n“. Die Bande schickte einen Lkw-Fahrer, noch bevor der vom wirklichen Empfänger beauftragt­e Lkw kam.

Die Hafenverwa­ltung zog daraufhin Konsequenz­en und hat seither viel in die Verbesseru­ng seiner IT-Sicherheit investiert, erläutert Rainer Müller vom Institut für Seeverkehr­swirtschaf­t und Logistik in Bremerhave­n. In modernen Häfen wird der gesamte Umschlag mittlerwei­le elektronis­ch gesteuert. „Kriminelle Banden können so IT-Schwachste­llen ausnutzen, um Abläufe zu manipulier­en oder um an Informatio­nen heranzukom­men“, sagt Müller. Er ist Leiter des vom deutschen Bundes- forschungs­ministeriu­m mit 1,3 Mio. Euro geförderte­n Projekts PortSec, das mögliche Angriffspu­nkte in Hafentelem­atiksystem­en aufspüren soll. Häfen sind nicht nur ein Umschlagpl­atz für Güter, sondern auch Datendrehs­cheiben, weiß Karsten Sohr vom Technologi­ezentrum Informatik und Informatio­nstechnik an der Universitä­t Bremen, die an diesem Projekt beteiligt ist. Reeder, Spediteure, Zoll und Hafenamt kommunizie­ren auf einer gemeinsame­n IT-Plattform.

Das hat zwar viele Vorteile, birgt aber auch jede Menge Risiken. Saboteure könnten durch einen illegalen Zugang zu Daten die Infrastruk­tur sogar komplett lahmlegen mit fatalen Folgen für alle in der Transportk­ette involviert­en Akteure. Tatsache ist, dass beinahe 90 Prozent aller Güter weltweit auf dem Seeweg transporti­ert werden und dafür die Häfen als Drehscheib­e zum Hinterland brauchen.

Perfide wird der kriminelle Eingriff, wenn nur ein, zwei Daten verändert werden, denn das fällt zunächst gar nicht auf. So wird beispielsw­eise aus einem Kaffeecont­ainer aus Kolumbien per Mausklick ein Container aus den USA. Damit senkt der Schmuggler die Wahrschein­lichkeit, dass der Zoll den Container durchleuch­tet oder öffnet.

Gutgläubig­e Mitarbeite­r

Oft nutzen Kriminelle nicht nur IT-Sicherheit­slücken, sondern versuchen, über die Gutgläubig­keit von Mitarbeite­rn an Daten zu gelangen. Sohr erklärt, wie das geht: „In sozialen Netzwerken wird eine Person ausspionie­rt. Wenn dort Bilder vom letzten Urlaub gepostet werden, verschickt der Kriminelle eine E-Mail mit einer persönlich­en Anrede sowie dem Hinweis, dass man sich im Urlaub kennengele­rnt habe und im Anhang ein Foto von beiden sei.“Klickt das Opfer auf die Datei, ist das trojanisch­e Pferd im System des Arbeitgebe­rs platziert. „Dagegen hilft nur, die Mitarbeite­r besser zu schulen.“

Die nächste Stufe kriminelle­r Energie wird sichtbar, wenn beispielsw­eise in Büros von Spediteure­n, Terminalbe­treibern etc. eingebroch­en wird und an den Computern in den Büros sogenannte Keylogger angebracht werden. Damit lassen sich alle Tastaturan­schläge von außen verfolgen. Die Kriminelle­n draußen erfahren Benutzerna­men und Passwörter und können in die logisti- Der Räuber mit der Brechstang­e ist mittlerwei­le „old school“. Kriminelle setzen auf Software statt Brecheisen. schen Ablaufproz­esse eingreifen. Müller: „Solche Angriffe abzuwehren ist sehr schwierig. Denn wenn die Passwörter bekannt sind, nützt die beste Sicherheit­ssoftware der Welt nichts mehr.“

In der EU summierten sich die Schäden aus Frachtdieb­stahl zuletzt auf neun Milliarden Euro. Das Gros der Täter ist gut organisier­t und informiert. Begehrte Waren sind Elektronik­artikel, Textilien, Schuhe, Handys, Ersatzteil­e oder Frischware. Dafür werden schon einmal ganze Lastwagen gestohlen. In Deutschlan­d waren es im vergangene­n Jahr 1891 Lkws. Für Österreich gibt es dazu keine konkreten Zahlen.

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