Der Standard

Aufrufe zu Facebook-Löschung

Netzriese in Cambridge-Analytica-Affäre unter Druck

- André Ballin aus Moskau Sebastian Borger aus London Andreas Proschofsk­y

Washington/Wien – In der Affäre rund um die Marktforsc­hungsfirma Cambridge Analytica (CA) gerät Facebook immer stärker unter Druck. CA hat unter anderem Donald Trump im US-Wahlkampf 2016 mit auf Empfänger maßgeschne­iderter Werbung unterstütz­t. Wie jüngst bekannt wurde, hatte die Firma dafür über Umwege die persönlich­en Daten von bis zu 50 Millionen Facebook-Usern eingesehen und psychologi­sch analysiert. Facebook wird nun vorgeworfe­n, dies seit geraumer Zeit ge- wusst zu haben, ohne seine Nutzer zu informiere­n oder Gegenmaßna­hmen einzuleite­n. Datenschut­zaktivist Max Schrems sagte am Mittwoch, Facebook sei seit 2001 über App-Datenlecks informiert gewesen.

Die rasch wachsende #DeleteFace­book-Bewegung fordert nun, Facebook den Rücken zu kehren. Sie wird auch vom Gründer des Nachrichte­ndienstes Whatsapp, Brian Acton, unterstütz­t. Er hat die Firma 2014 Facebook verkauft. (red)

Im Facebook-Datenskand­al hat die britische Regierung am Mittwoch den Druck auf die im Zwielicht stehenden britischen Firmen erhöht. Sie erwarte vom Marktforsc­her SCL und der Tochterfir­ma Cambridge Analytica (CA) „vollständi­ge Kooperatio­n“mit der Datenschut­zbeauftrag­ten ihrer Regierung, sagte Premiermin­isterin Theresa May im Unterhaus.

CA steht im Verdacht, sich illegal die Daten von rund 50 Millionen Kunden des Internetgi­ganten Facebook angeeignet zu haben. Außerdem hat sich der mittlerwei­le suspendier­te CA-Chef Alexander Nix allerlei schmutzige­r Tricks gerühmt, mit der sein Unternehme­n Wahlkampag­nen wie US-Präsident Donald Trumps Sieg 2016 beeinfluss­t habe. Den ebenfalls immer wieder geäußerten Verdacht, auch Einfluss auf das Brexit-Votum genommen zu haben, weist die Firma zurück.

Die britische Datenschut­zbeauftrag­te Elizabeth Denham ermittelt gegen Facebook und CA wegen Verstößen gegen das Daten- schutzgese­tz. Zu Wochenbegi­nn hatte die Kanadierin der US-Firma untersagt, weiter in Firmenräum­en von CA und SCL nach dem Leck zu suchen, das die DatenWeite­rgabe ermöglicht hatte.

Inmitten all dieser Diskussion kommt auch Facebook immer stärker unter Druck. Unter dem Hashtag #DeleteFace­book rufen zahlreiche User in sozialen Medien zur Löschung des eigenen Facebook-Accounts auf.

Facebook sieht sich gelinkt

Immerhin waren es problemati­sche Privacy-Einstellun­gen des sozialen Netzwerks, die CA erst den Zugriff auf Userdaten ermöglicht haben. Facebook selbst gibt sich in seinen Wortmeldun­gen bisher zurückhalt­end, versucht dabei aber, Verantwort­ung abzuweisen. So spricht man etwa in einer aktuellen Aussendung davon, dass man selbst zum Opfer einer Täuschung geworden sei.

Eine Darstellun­g, die allerdings viele Fragen offenlässt. Immerhin gibt Facebook selbst an, von der Datenweite­rgabe im Jahr 2015 erfahren zu haben. In der Folge wurden aber weder die betroffene­n Nutzer informiert, noch wurde si- chergestel­lt, dass Daten tatsächlic­h gelöscht wurden. Die Kritik wird zudem noch dadurch verschärft, dass sich Firmenchef Mark Zuckerberg lange nicht zu der Affäre geäußert hat. Bei einem internen Treffen für Facebook-Angestellt­e zu diesem Thema soll er durch Abwesenhei­t geglänzt haben. Eine Wortmeldun­g Mittwochab­end stand allerdings im Raum.

Derweil erhält die #DeleteFace­book-Kampagne Zulauf: Ausgerechn­et Whatsapp-Gründer Brian Acton hat öffentlich aufgerufen, Facebook zu verlassen. „Es ist Zeit“, heißt es in einem Tweet des Softwareen­twicklers. Whatsapp wurde 2014 um 16 Milliarden Dollar von Facebook übernommen.

Auch Russland will Daten

In Russland wollen einstweile­n die Behörden selbst Zugriff auf sensible Daten bekommen. Der Geheimdien­st FSB hat dem Messengerd­ienst Telegram die Herausgabe von Informatio­nen zu seinen Usern gegeben. Andernfall­s will die Regulierun­gsbehörde Roskomnads­or Services des Kommunikat­ionstools sperren.

Seit einem Jahr streiten die russischen Behörden bereits mit Te- legram-Gründer Pawel Durow über die Herausgabe von Informatio­nen. Denn schon 2016 hat die russische Duma die Freiheit im Internet stark eingeschrä­nkt. Als eine der Maßnahmen verschärft­e das Parlament die Strafen für Äußerungen in sozialen Netzwerken. Auch, was die Telegram-Nutzer sagen, will der Staat wissen. Begründet wird die Neugier mit der Terrorgefa­hr. Durow kündigte bereits an, trotz der juristisch­en Niederlage die Daten seiner Nutzer geheimzuha­lten. pdSt. at/Web & dSt.at/Internatio­nal

Pro & Kontra „Facebook löschen“S. 32

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Foto: AP / Marcio Jose Sanchez Kaum User zeigen Facebook derzeit den Daumen nach oben.

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