Berlin besorgt über BVT-Affäre
Deutsche Staatsschützer überdenken Kooperation
Wien – Die Turbulenzen im österreichischen Verfassungsschutz ziehen nun Kreise im Ausland. Das deutsche Bundesinnenministerium hat sich, alarmiert durch Medienberichte über die Razzia im österreichischen Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), mit einer Anfrage an das Innenministerium in Wien gerichtet. Konkret wollte man wissen, ob deutsche Geheiminformationen bei der Razzia mitgenommen wurden, und wenn ja, welche. Sollten auch deutsche Daten betroffen sein, so behalte man sich vor, die Kooperation mit Wien zu überdenken, heißt es in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung des Innenministeriums in Berlin an die Bundestagsfraktion der Linken, die dem STANDARD vorliegt.
Im Nationalrat in Wien nehmen die Vorbereitungen eines Untersuchungsausschusses zur Causa nun konkrete Formen an. Die SPÖ hat ihr Verlangen auf Einsetzung eines U-Ausschusses am Mittwoch eingebracht. (red)
Wien – Die Affäre rund um den österreichischen Verfassungsschutz belastet auch die Beziehungen zu den Geheimdiensten im Ausland.
Der deutsche Verfassungsschutz erwägt, die Beziehungen zum österreichischen Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) einer Prüfung zu unterziehen. Das geht aus einer Anfragebeantwortung des deutschen Bundesinnenministers Horst Seehofer (CDU) an den Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko (Linke) hervor, die dem STANDARD vorliegt.
Post aus Berlin
Laut der Anfragebeantwortung hat das deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) sich mit einem Auskunftsersuchen an das österreichische BVT gewandt. In diesem Ersuchen fragt das BfV, ob von der Datenmitnahme im Zuge der umstrittenen Hausdurchsuchung im BVT womöglich auch deutsche Geheimdienstdaten betroffen waren. Sollte dem so gewesen sein, bittet Berlin um Auskunft, welche geheimen Informationen aus deutscher Urheberschaft konkret abgeflossen seien.
Bis dato sei aus Wien aber noch keine Reaktion auf das Schreiben gekommen, heißt es. „Eine Antwort des BVT steht noch aus“, erklärt das Bundesinnenministerium in Berlin. Eines stehe aber fest: Eine Zusammenarbeit mit anderen Geheimdiensten könne stets nur auf Basis eines Vertrau- ensgrundsatzes erfolgen. Es gelte der Grundsatz, der sogenannten „third-party rule“: Diese besagt, dass Geheimdienstinformationen nur dann weitergegeben werden dürfen, wenn der Urheber der Daten dieser Weitergabe im konkreten Fall zugestimmt hat. Sollten im Zuge der Razzia Daten in BVT-ferne Hände gelangt sein, dann könnte das eine Verletzung dieses Grundsatzes bedeuten.
Es liegt nun am österreichischen Innenministerium, sich gegenüber Deutschland zu rechtfertigen und die Amtskollegen davon zu überzeugen, dass sich unter den weitergegebenen Daten keine deutschen Informationen befinden.
In Berlin wartet man derweil ab, was aus Wien berichtet wird. Dass es bei der Kooperation mit dem österreichischen Verfassungsschutz zu Einschnitten kommen könnte, wird zumindest für möglich gehalten: „Sollten tatsächlich Informationen des BfV abgeflossen sein, muss eine neue Prüfung erfolgen, wie die Kooperation mit dem BVT in Zukunft fortgesetzt werden kann“, heißt es in der Anfragebeantwortung.
Die Bundestagsfraktion der Linken fordert die deutsche Bundesregierung nun auf, die Geheimdienstzusammenarbeit mit Österreich überhaupt gänzlich zu beenden. Es sei nämlich zu befürchten, dass die österreichische Bundesregierung den Verfassungsschutz „zum Schutz befreundeter rechtsextremer Bewegungen oder zur Verfolgung politischer Gegner in- strumentalisiert“, meint Abgeordneter Hunko, der der europapolitische Sprecher der Fraktion ist. Das deutsche Bundesinnenministerium habe zuvor versichert, dass die an Österreich gelieferten Informationen „ausschließlich für geheimdienstliche Zwecke verwendet“würden. Dies sei nach der Razzia im BVT aber zu bezweifeln, meint Hunko.
Das österreichische Innenministerium wollte zu dem deutschen Auskunftsersuchen und zur geplanten Reaktion auf das Schreiben auf STANDARD- Anfrage bis Redaktionsschluss nicht Stel- lung nehmen. Im Nationalrat nimmt die bevorstehende politische Aufarbeitung der BVT-Affäre durch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss indes konkrete Formen an: Die SPÖ hat am Mittwoch wie angekündigt ihren Antrag auf Einsetzung eines U-Ausschusses eingebracht. Untersucht werden soll demnach die Periode zwischen Dezember 2013 und März 2018. Im Dezember 2013 wurde der Verfassungsschutz auf eine neue gesetzliche Grundlage gestellt, daher haben die Roten diesen Anfangspunkt gewählt. In einem schriftlichen Verlangen legt der rote Parlamentsklub auch in groben Zügen fest, welchen Themen sich der U-Ausschuss widmen soll. Unter anderem soll beleuchtet werden, inwiefern die Regierung oder Beamte der Ministerien Einfluss auf den Verfassungsschutz genommen haben. Zudem will man sich die Zusammenarbeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz mit den Landesämtern sowie mit den Nachrichtendiensten des Verteidigungsministeriums ansehen. Der UAusschuss wird wie berichtet wohl erst im Hochsommer seine Arbeit aufnehmen können.