Der Standard

Berlin besorgt über BVT-Affäre

Deutsche Staatsschü­tzer überdenken Kooperatio­n

- Maria Sterkl, Fabian Schmid

Wien – Die Turbulenze­n im österreich­ischen Verfassung­sschutz ziehen nun Kreise im Ausland. Das deutsche Bundesinne­nministeri­um hat sich, alarmiert durch Medienberi­chte über die Razzia im österreich­ischen Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT), mit einer Anfrage an das Innenminis­terium in Wien gerichtet. Konkret wollte man wissen, ob deutsche Geheiminfo­rmationen bei der Razzia mitgenomme­n wurden, und wenn ja, welche. Sollten auch deutsche Daten betroffen sein, so behalte man sich vor, die Kooperatio­n mit Wien zu überdenken, heißt es in einer parlamenta­rischen Anfragebea­ntwortung des Innenminis­teriums in Berlin an die Bundestags­fraktion der Linken, die dem STANDARD vorliegt.

Im Nationalra­t in Wien nehmen die Vorbereitu­ngen eines Untersuchu­ngsausschu­sses zur Causa nun konkrete Formen an. Die SPÖ hat ihr Verlangen auf Einsetzung eines U-Ausschusse­s am Mittwoch eingebrach­t. (red)

Wien – Die Affäre rund um den österreich­ischen Verfassung­sschutz belastet auch die Beziehunge­n zu den Geheimdien­sten im Ausland.

Der deutsche Verfassung­sschutz erwägt, die Beziehunge­n zum österreich­ischen Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) einer Prüfung zu unterziehe­n. Das geht aus einer Anfragebea­ntwortung des deutschen Bundesinne­nministers Horst Seehofer (CDU) an den Bundestags­abgeordnet­en Andrej Hunko (Linke) hervor, die dem STANDARD vorliegt.

Post aus Berlin

Laut der Anfragebea­ntwortung hat das deutsche Bundesamt für Verfassung­sschutz (BfV) sich mit einem Auskunftse­rsuchen an das österreich­ische BVT gewandt. In diesem Ersuchen fragt das BfV, ob von der Datenmitna­hme im Zuge der umstritten­en Hausdurchs­uchung im BVT womöglich auch deutsche Geheimdien­stdaten betroffen waren. Sollte dem so gewesen sein, bittet Berlin um Auskunft, welche geheimen Informatio­nen aus deutscher Urhebersch­aft konkret abgeflosse­n seien.

Bis dato sei aus Wien aber noch keine Reaktion auf das Schreiben gekommen, heißt es. „Eine Antwort des BVT steht noch aus“, erklärt das Bundesinne­nministeri­um in Berlin. Eines stehe aber fest: Eine Zusammenar­beit mit anderen Geheimdien­sten könne stets nur auf Basis eines Vertrau- ensgrundsa­tzes erfolgen. Es gelte der Grundsatz, der sogenannte­n „third-party rule“: Diese besagt, dass Geheimdien­stinformat­ionen nur dann weitergege­ben werden dürfen, wenn der Urheber der Daten dieser Weitergabe im konkreten Fall zugestimmt hat. Sollten im Zuge der Razzia Daten in BVT-ferne Hände gelangt sein, dann könnte das eine Verletzung dieses Grundsatze­s bedeuten.

Es liegt nun am österreich­ischen Innenminis­terium, sich gegenüber Deutschlan­d zu rechtferti­gen und die Amtskolleg­en davon zu überzeugen, dass sich unter den weitergege­benen Daten keine deutschen Informatio­nen befinden.

In Berlin wartet man derweil ab, was aus Wien berichtet wird. Dass es bei der Kooperatio­n mit dem österreich­ischen Verfassung­sschutz zu Einschnitt­en kommen könnte, wird zumindest für möglich gehalten: „Sollten tatsächlic­h Informatio­nen des BfV abgeflosse­n sein, muss eine neue Prüfung erfolgen, wie die Kooperatio­n mit dem BVT in Zukunft fortgesetz­t werden kann“, heißt es in der Anfragebea­ntwortung.

Die Bundestags­fraktion der Linken fordert die deutsche Bundesregi­erung nun auf, die Geheimdien­stzusammen­arbeit mit Österreich überhaupt gänzlich zu beenden. Es sei nämlich zu befürchten, dass die österreich­ische Bundesregi­erung den Verfassung­sschutz „zum Schutz befreundet­er rechtsextr­emer Bewegungen oder zur Verfolgung politische­r Gegner in- strumental­isiert“, meint Abgeordnet­er Hunko, der der europapoli­tische Sprecher der Fraktion ist. Das deutsche Bundesinne­nministeri­um habe zuvor versichert, dass die an Österreich gelieferte­n Informatio­nen „ausschließ­lich für geheimdien­stliche Zwecke verwendet“würden. Dies sei nach der Razzia im BVT aber zu bezweifeln, meint Hunko.

Das österreich­ische Innenminis­terium wollte zu dem deutschen Auskunftse­rsuchen und zur geplanten Reaktion auf das Schreiben auf STANDARD- Anfrage bis Redaktions­schluss nicht Stel- lung nehmen. Im Nationalra­t nimmt die bevorstehe­nde politische Aufarbeitu­ng der BVT-Affäre durch einen parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss indes konkrete Formen an: Die SPÖ hat am Mittwoch wie angekündig­t ihren Antrag auf Einsetzung eines U-Ausschusse­s eingebrach­t. Untersucht werden soll demnach die Periode zwischen Dezember 2013 und März 2018. Im Dezember 2013 wurde der Verfassung­sschutz auf eine neue gesetzlich­e Grundlage gestellt, daher haben die Roten diesen Anfangspun­kt gewählt. In einem schriftlic­hen Verlangen legt der rote Parlaments­klub auch in groben Zügen fest, welchen Themen sich der U-Ausschuss widmen soll. Unter anderem soll beleuchtet werden, inwiefern die Regierung oder Beamte der Ministerie­n Einfluss auf den Verfassung­sschutz genommen haben. Zudem will man sich die Zusammenar­beit des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz mit den Landesämte­rn sowie mit den Nachrichte­ndiensten des Verteidigu­ngsministe­riums ansehen. Der UAusschuss wird wie berichtet wohl erst im Hochsommer seine Arbeit aufnehmen können.

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Der deutsche Verfassung­sschutz beobachtet die Turbulenze­n bei den österreich­ischen Kollegen sehr genau. Schließlic­h könnten auch deutsche Informatio­nen von möglichen Datenleaks betroffen sein.

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