Der Standard

Israel legt Schlag gegen Atomreakto­r offen

Nach mehr als zehn Jahren gibt Israels Armee zu, den Angriff auf einen syrischen Reaktor im Jahr 2007 durchgefüh­rt zu haben. Beobachter sehen darin eine Botschaft.

- Lissy Kaufmann aus Tel Aviv

Es war ein mehr als zehn Jahre alter Vorfall, der am Mittwoch zum Thema des Tages in Israel wurde und einen medialen Wirbel auslöste, wie es sonst eigentlich nur heftige Anschläge tun: Israels Militär gab zu, 2007 den Angriff auf ein mutmaßlich­es syrisches Atomkraftw­erk durchgefüh­rt zu haben.

Damit lüftete die Armee ein lange gehütetes Geheimnis. Erstmals dürfen sich auch die Beteiligte­n von damals zu Wort melden – und Israels Medien berichten, ohne sich auf ausländisc­he Quellen zu berufen. Sie beschreibe­n nun ausführlic­h, wie sich in der Nacht vom 5. auf den 6. September 2007 acht israelisch­e Kampfflugz­euge auf den Weg nach Deir ez-Zor in Syrien machten, rund 450 Kilometer nordöstlic­h von Damaskus.

Videoaufna­hmen und Fotos zeigen, wie sie dort das im Bau befindlich­e Nuklearkra­ftwerk zer- stören, das mithilfe von Nordkorea geplant worden sein soll. Besonders brisant: Der „Islamische Staat“(IS) hatte genau diese Region 2011 erobert.

Amos Yadlin, Leiter des Instituts für Nationale Sicherheit­sstudien in Tel Aviv, war 2007 Chef des militärisc­hen Geheimdien­stes: „Wir hatten 2006 nur eine erste Vermutung.“Als der Mossad weitere Erkenntnis­se lieferte, sei klar gewesen, dass Israel handeln müsse: „Wir haben sofort verstanden, dass wir es mit einem Atomreakto­r zu tun haben, der nur einem Zweck dient: die Atombombe herzustell­en“, so Yadlin. Man habe damit gerechnet, dass nur noch rund ein halbes Jahr Zeit bleibe, bis er einsatzber­eit werde.

Die Frage war: Wie könnte ein Krieg mit Syrien vermieden werden? Indem Israel schweigt, nicht die Verantwort­ung für die Zerstö- rung des Reaktors übernimmt – dann würde sich Assad nicht bloßgestel­lt und in die Enge getrieben fühlen, beschreibt der israelisch­e Journalist und Militärana­lyst Ronen Bergman die damalige Einschätzu­ng der Sicherheit­sexperten. Sie sollten recht behalten.

Angriff als Kommunikat­ion

Premiermin­ister Benjamin Netanjahu meldete sich am Nachmittag auf Facebook zu Wort und warnte, dass Israel auch weiterhin Feinde daran hindere, atomare Fähigkeite­n zu erreichen: „Die israelisch­e Regierung, die Armee und der Mossad haben Syrien daran gehindert, nukleare Fähigkeite­n zu entwickeln und verdienen dafür jede Anerkennun­g. Israels Ziel war und bleibt konsistent – seine Feinde daran zu hindern, Nuklearwaf­fen zu erhalten.“

„Die Botschaft des Luftangrif­fs auf den Kernreakto­r im Jahr 2007 lautet, dass der Staat Israel nicht die Entstehung von Fähigkeite­n zulassen wird, die die Existenz Israels bedrohen“, sagt der heutige Militärche­f Gadi Eisenkot.

Die Situation damals ähnele der heute: 2007 habe Israel versucht, die USA dazu zu bringen, den Reaktor zu zerstören. Heute versuche Israel, Druck auf die USA auszuüben, damit sie wiederum Russland dazu bringen, Irans Einfluss in Syrien zu unterbinde­n.

Grund für den jetzigen Wirbel könnte auch sein, dass der damalige Premier Ehud Olmert und desen Verteidigu­ngsministe­r Ehud Barak demnächst ihre Memoiren veröffentl­ichen. Darin schildern die Rivalen ihre unterschie­dlichen Sichtweise­n auf den Angriff. Auch das könnte für die Zensurbehö­rde Anlass gewesen sein, die Nachrichte­nsperre aufzuheben.

 ??  ?? Oft hält Israel Berichte über Militärsch­läge zurück. Nun veröffentl­ichte das Land Vorher-nachher-Bilder.
Oft hält Israel Berichte über Militärsch­läge zurück. Nun veröffentl­ichte das Land Vorher-nachher-Bilder.

Newspapers in German

Newspapers from Austria