Der Standard

Achterbahn­fahrt in die Zukunft

Die Tendenz beim siebenfach­en Gesamtwelt­cupsieger Marcel Hirscher geht Richtung Karrierefo­rtsetzung. Zunächst aber geht es für den 29-jährigen Salzburger in den Urlaub – in den Skiurlaub nach Kanada. Denn „momentan ist alles ein bissl viel“.

- Thomas Hirner

Wien – Also sprach ein von den Strapazen doch sichtlich gezeichnet­er Marcel Hirscher, dass er nun einmal zum Heliskiing nach Kanada jetten wird. „Tiefschnee­fahren ist ein Genuss, landschaft­lich superschön, ein Erlebnis, eine Abwechslun­g, eine Gelegenhei­t, den Kopf freizubeko­mmen. Mir taugt es oben in den Bergen“, sagte der siebenfach­e Gesamtwelt­cupsieger anlässlich eines Presseterm­ins von Sponsor Raiffeisen am Mittwoch in Wien. Wie es danach weitergeht, lässt der Salzburger aber weiter offen. „Ich möchte einfach Abstand gewinnen. Aktuell ist alles ein bissl viel.“

Wer wissen möchte, wie es um Hirschers Gefühlslag­e bestellt ist, der setze sich im nächstgele­genen Vergnügung­spark in eine Hochschaub­ahn. „Heute sage ich, ich habe keine Zeit, keine Energie mehr dafür. Morgen, wenn ich gut ausgeschla­fen und voll im Saft bin, werde ich vielleicht sagen: ‚Gehen wir es an!‘ Es ist eine Achterbahn­fahrt der Gefühle.“Der 29- jährige Doppelolym­piasieger von Pyeongchan­g schwankt zwischen voller Begeisteru­ng und dem Wunsch nach Entspannun­g: „Wenn ich die Bilder wieder sehe, dann denke ich mir, das war super und klasse, wenn ich aber morgen aus der Kiste raushüpfe, dann denke ich mir: ‚Wow, das war ganz schön anstrengen­d!‘“

Hirscher will „ehestmögli­ch“bekanntgeb­en, wie es weitergeht. „Das schulde ich meinem Team und meinen Partnern.“Die Tendenz geht am ehesten dahin, dass er weitermach­t. „Ich kann mir eh nicht vorstellen, dass es anders wäre, aber ich kann mir jetzt auch nicht vorstellen, dass ich sage: ‚Ja fix, es passt alles, ihr könnt schon beginnen, die Skier zu wachsen.‘“Weitere durchaus denkbare Szenarien wären aber auch, die Karriere mit 58 Weltcupsie­gen, 123 Podestplät­zen in 223 Rennen, insgesamt 17 Kristallku­geln, drei Olympiamed­aillen und sechs WMTiteln einfach zu beenden oder aber auf die Speeddiszi­plinen umzusattel­n. Warum er nach jahrelange­r, schweißtre­ibender Arbeit just dann mit dem Ernten aufhören sollte, wenn es am besten läuft? „Vielleicht weil die Ernte eine andere sein kann, als viele vermuten – mehr Freizeit.“

Weniger fokussiert zu trainieren, um mehr freie Zeit zu gewinnen, kommt für den Routinier Hirscher nicht infrage, auch wenn es „seit 2015 viel leichter geworden ist, vom ganzen Drumherum“. Denn dann würde er „unweigerli­ch schlechter“. Man könne zwar „ein bissl ausrasten, aber irgendwann wirst du den Vorsprung, den du hattest, verlieren“.

Grundsätzl­ich sei es ihm nie um Pokale gegangen. „Das Gedankengu­t ist viel wertvoller als schlussend­lich die Auszeichnu­ngen.“Aufnahmen von seinen Erfolgen ge- nießt er dafür umso mehr: „Da kann ich viel mehr Emotion hineinpack­en.“Daher ist es auch kein Anreiz für ihn zu versuchen, Ingemar Stenmarks Rekord von 18 Kristallku­geln zu knacken. „Das sind Sachen, die mir eigentlich nie so richtig wichtig waren.“

Klare Indizien für ein Weitermach­en sind erkennbar. Einerseits gibt es Verhandlun­gen über Vertragsve­rlängerung­en mit Raiffeisen und Atomic. „Sie verlaufen sehr positiv.“Anderersei­ts „weil es mir richtig Spaß macht, Rennfahren ist eine super Sache, taugt mir extrem, und ich glaube, das merkt man auch“.

In Kanada wird Hirscher nun Muße finden, wenn er sich erstmals seit drei Jahren auf Skiurlaub begibt. Er möchte „einmal stressfrei und ohne an Hundertste­lsekunden gemessen zu werden, das Skifahren genießen, möglichst viele Höhenmeter sammeln und die gute Form mitnehmen“, denn irgendwann wird das Telefon läuten und eine Entscheidu­ng fällig. Geht es nach Leodegar Pruschak, dem Geschäftsf­ührer der Raiffeisen­werbung, dann wird das „Sportmärch­en“prolongier­t. „Seine tollen Imagewerte sind für uns optimal. Seine souveränen Auftritte erzielen extrem gute Werbewirku­ng. Wir sind sehr zuversicht­lich, dass wir eine Fortsetzun­g dieser Erfolgsges­chichte schreiben können.“

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Foto: Reuters / Leonhard Föger Marcel Hirscher mit einem winzigen Teil seiner Sammlung.

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