Der Standard

Wer seine Groschen spart, macht keine Revolution

Von Jung bis Alt, seit jeher: Die Deutschen lieben das Sparen. In Berlin kommt eine Ausstellun­g zum Schluss: Sie können gar nicht anders, weil sie seit Jahrhunder­ten so indoktrini­ert werden, damit sie ruhig bleiben.

- Birgit Baumann aus Berlin

Wer dieser Tage das Deutsche Historisch­e Museum betritt, der stößt sofort auf Schlagzeil­en, die vielen Deutschen gefallen. „Deutschlan­d wirtschaft­et wie die Eichhörnch­en“, steht da als Zitat aus dem Manager Magazin von 2016. Man findet auch auf einem Sparkassen­plakat von 1918 den Aufruf: „Sparer, seid beruhigt ...!“

Ähnliches haben Kanzlerin Angela Merkel und ihr damaliger Finanzmini­ster Peer Steinbrück (SPD) am 5. Oktober 2008 in einem gemeinsame­n Statement versichert, um zu verhindern, dass die Deutschen – als das Weltfinanz- und Wirtschaft­ssystem am Abgrund stand – alle ihre Ersparniss­e abhoben: „Wir sagen den Sparerinne­n und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind.“Ein Bild der beiden erinnert in der Ausstellun­g an diesen Tag.

Man sieht aber auch das Cover des Economist. Die britische Wochenzeit­ung brachte 2017 die internatio­nale Kritik an der deutschen Sparwut auf den Punkt und titelte: „The German problem“.

„Die Deutschen können gar nicht anders“, sagt der Wirtschaft­shistorike­r Robert Muschalla, der die Ausstellun­g kuratiert, und lacht. Denn auch wenn die Deutschen gar nicht die höchsten Sparquoten der Welt hätten: „ Nirgendwo sonst ist das Sparen so selbstvers­tändlich und identitäts­stiftend wie hierzuland­e.“Und zwar völlig unabhängig von konjunktur­ellen Entwicklun­gen.

Woher diese „Tugend“kommt, zeigt nun erstmals eine Ausstellun­g in Berlin. Bitter für wirkliche Sparefrohs: Erfunden haben’s nicht die Deutschen, sondern – ausgerechn­et – die Italiener. Mitglieder des Franziskan­erordens gründeten im 15. Jahrhun- dert Pfandleihk­assen („Monti di Pieta“, „Berge der Barmherzig­keit“), um Bedürftige­n in Notzeiten Kredite zu gewähren.

Die Idee der Armenfürso­rge stand auch Pate, als in Hamburg im Jahr 1778 die erste Sparkasse „für fleissige Personen beyderley Geschlecht­s“gegründet wurde. „Schon damals war der Grundgedan­ke dahinter: Auch weniger betuchte Menschen, die sparen, geben ihr Geld nicht für Glücksspie­l und Alkohol aus, man kann sie ins bürgerlich­e Dasein bringen“, sagt Muschalla.

Im 19. Jahrhunder­t erkannten immer mehr Kommunen den Nutzen von Sparkassen nicht nur für die Armenfürso­rge, sondern auch als Instrument zur Finanzieru­ng öffentlich­er Aufgaben. Während der Industrial­isierung erkannten auch die „Bosse“, wie sie sich die Sparsamkei­t ihrer Arbeiter zunutze machen konnten. Aus Angst vor Revolution gründete der Industriel­le Alfred Krupp eine Sparkasse für seine Angestellt­en.

Der Gedanke dahinter: Wer Erspartes zu verlieren hat, ist weniger empfänglic­h für revolution­äre Ideen. „Frankreich machte Revolution, Deutschlan­d machte Sparkasse“, sagt Muschalla.

Erspartes in Kriegsanle­ihen

Auch als sie später, in den beiden Weltkriege­n, kaum Geld hatten, die Deutschen blieben beim Sparen. Arbeiten und Sparen, diese beiden Tätigkeite­n gingen stets Hand in Hand, wie die historisch­en Plakate in der Schau zeigen. Es galt nun schließlic­h, Kriegsanle­ihen zu zeichnen.

Nicht einmal Inflation und Abwertung der Sparvermög­en durch Währungsre­formen hielten die Bundesbürg­er davon ab. Muschalla: „Viele haben durch die Inflation alles verloren. Aber sie hörten nicht auf, zu sparen. Es ist zum Lebensstil geworden.“

Bewerten will die Ausstellun­g das Sparen allerdings nicht. „Wir möchten zunächst mal auf die Motive für die deutsche Spartugend hinweisen. Und um sie beurteilen zu können, ist ein Blick in die Geschichte nötig“, meint der Kurator. Ganz am Ende der Ausstellun­g kommen aber auch Kritiker zu Wort, etwa der Ökonom Marcel Fratzscher. „Sparen ist nicht immer die richtige Entscheidu­ng“, sagt er. In manchen Zeiten sollte der Staat besser investiere­n. „Sparen – Geschichte einer deutschen Tugend“, 23. 3. bis 26. 8. 2018, Deutsches Historisch­es Museum Berlin

 ?? Foto: Deutsches Historisch­es Museum ?? „Sparen schafft Wohlstand“ist auf einer Sparbüchse der Dresdner Bank aus dem Jahr 1949 zu lesen. Dafür winkten auch Konsumgüte­r wie der Fernseher, die Einrichtun­g und – natürlich – der VW Käfer.
Foto: Deutsches Historisch­es Museum „Sparen schafft Wohlstand“ist auf einer Sparbüchse der Dresdner Bank aus dem Jahr 1949 zu lesen. Dafür winkten auch Konsumgüte­r wie der Fernseher, die Einrichtun­g und – natürlich – der VW Käfer.

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