Der Standard

Brüsseler Jagd auf die Digitalste­uern

Die EU-Kommission legte Pläne zur Schaffung einer „Digitalste­uer“vor. Da es nicht so leicht ist, das Geschäft im Internet für die Staaten klar fassbar zu machen, soll zum Einstieg eine Übergangsr­egel fünf Milliarden Euro bringen.

- Thomas Mayer aus Brüssel

Der digitale Wandel sei gegenwärti­g nicht nur dabei, das gesamte Wirtschaft­s- und Arbeitsleb­en in rasender Geschwindi­gkeit zu revolution­ieren. Auch in Zusammenha­ng mit der Besteuerun­g von Firmen bzw. der Notwendigk­eit der Finanzieru­ng staatliche­r Leistungen und Budgets kämen durch „das neue Geschäft im Internet“auf Staaten neue Herausford­erungen zu – juristisch wie haushaltst­echnisch. Das stellte der für Wirtschaft und Währung zuständige EU-Kommissar Pierre Moscovici am Mittwoch in Brüssel mehrfach in den Vordergrun­d, als er die Pläne der Behörde für das Zukunftspr­ojekt einer EU-weiten Digitalste­uer präsentier­te.

„Unsere Systeme, Steuern einzuheben, basieren seit hundert Jahren darauf, dass es einen Ort gibt, wo das geschieht, einen Firmensitz, eine Fabrik, einen Ort, an dem Gewinne gemacht werden“, erklärte der Franzose. Mit stark steigender Tendenz sei das bei Geschäften im Internet nicht möglich, da nur der Kunde lokalisier­bar sei. Die Firma, die einem Europäer etwa nach Suchanfrag­en im Internet Werbung schickt oder die im Zuge von Zimmerbest­ellungen oder anderen Leistungen etwas verkauft, sei physisch oft nicht greifbar, weil sie ihr Netzwerk von den USA aus betreibt.

Um derartige Steuerschl­upflöcher für Onlineries­en wie Google und Facebook zu schließen (sie zahlen mit zehn Prozent nur halb so viel Steuer wie normale For- men), schlägt die EU-Kommission nun ein Einstiegsm­odell als Übergang vor. Bis EU-weit und im Rahmen der OECD Steuerrege­ln harmonisie­rt werden, Körperscha­ftssteuern mit einer neuen Digitalste­uer angepasst, werde noch viel Zeit vergehen, sagte Moscovici.

Er schlägt daher vor, dass Digitalges­chäfte zunächst mit drei Prozent besteuert werden. Fällig wird diese Steuer in dem Land, wo der Kunde seine Leistung bezieht. Die Regelung solle nur für Unternehme­n mit weltweit 750 Millionen Euro Erträgen pro Jahr gelten beziehungs­weise 50 Millionen Euro in Europa. Moscovici schätzt, dass damit fünf Milliarden Euro an Steuereinn­ahmen lukriert werden können, wobei er sich für eine EU-einheitlic­he Regelung aussprach.

Die Kommission hofft, dass der moderate Steuersatz und die einfache Abwicklung bereits im Jahr 2020 erste Einnahmen bringen würden. 120 bis 150 Firmen wären betroffen, die in der Union „keine physische Präsenz“aufweisen. Dafür hat die Kommission drei Kriterien aufgestell­t: Von einer virtuellen Betriebsst­ätte spricht man, wenn jährlich Erträge von mehr als sieben Millionen Euro in einem EU-Land anfallen, es mehr als 100.000 Nutzer gibt, und das bei mehr als 3000 Geschäftsv­erträgen pro Jahr.

Die Art der neuen Digitalste­uer soll einen Bezug herstellen zwischen dem Ort, wo beim Nutzer Geschäfte gemacht werden, und der Entrichtun­g von Steuern durch Digitalfir­men.

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Um große OECD-Regeln zur Harmonisie­rung der Besteuerun­g von Internetgi­ganten nicht zu präjudizie­ren, schlägt die EU zunächst kleine Portionen vor. Kleinvieh macht bekanntlic­h auch Mist.

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