Der Standard

„Jeder Fanatismus endet im Fatalismus“

Am Samstag wird an der Staatsoper Gottfried von Einems „Dantons Tod“in der Regie von Josef Ernst Köpplinger gezeigt. Ein Gespräch über die Guillotine, die Theaterpra­nke des Komponiste­n und den Zauber der Wiener Staatsoper.

- Ljubiša Tošić

Wien – Auch ein Profi des Theaterhan­dwerks kann schon in Stressnöte geraten. Josef Ernst Köpplinger, an sich Intendant in München, wird das jetzt so nicht zugeben. Da er jedoch gegenwärti­g erstmals an der Wiener Staatsoper inszeniert und dennoch einmal in der Woche nach München zu fah- ren hat, darf erhöhter Energieauf­wand vermutet werden. Wie der Intendant des Staatsthea­ters am Gärtnerpla­tz seine Inszenieru­ng von Gottfried von Einems Oper anlegen würde – diese Frage war wohl auch ziemlich fordernd. Sie ist allerdings schon vor den Proben beantworte­t worden.

„Es war ein langer Prozess zu durchlaufe­n bis zu der jetzigen Version. Ich wollte alles in einem Museum spielen lassen – mit einer echten Guillotine. Angedacht war auch etwas Futuristis­ches, es funktionie­rte nur nicht. Schließlic­h haben wir versucht, ganz anders zu denken.“

Die Frage war, was denn diese Revolution bedeutet hat? „Sie ist auch ein Fiasko gewesen, ein blindes Abschlacht­en. Es ergaben sich Konstellat­ionen, in denen sich die Fraktionen gegenseiti­g aufgefress­en haben. Und sie haben das Töten öffentlich gemacht, das war grauenhaft. Jeder Fanatismus endet offenbar in Fatalismus.“Durch diese Ansätze sei er als Regisseur, so Köpplinger, „mit dem Werk schon im Heute“, ohne den Zeitsprung direkt betonen zu müssen. „Man stelle sich vor: In Frankreich ist der letzte Mensch 1977 durch eine Guillotine umgekommen. Zu der Zeit haben wir doch Komödien mit Louis de Funès geschaut! Angesichts dieser Fakten muss ich nicht verzweifel­t nach Parallelen zwischen Geschichte und Gegenwart suchen. Das wäre ohnedies etwas ausgelutsc­ht.“

Dantons Tod, 1947 bei den Salzburger Festspiele­n der Durchbruch für den Komponiste­n, ist für Köpplinger (1964 in Hainburg an der Donau geboren) „komplexer als Einems Der Besuch der alten Dame. Aber Einem hatte wirklich eine Theaterpra­nke, er mischt Stile, was ja seinen eigentlich­en Stil ausmacht. Da hat er gar keine Berührungs­ängste. Dantons Tod als Oper ist natürlich nicht ganz Georg Büchner. Ich weiß also, dass die Sänger nicht so agieren können, wie es Schauspiel­er täten.“Obwohl das Werk – das Libretto stammt von Einems Kompositio­nslehrer Boris Blacher – versucht, das Musikalisc­he und das Theatralis­che substanzie­ll zu binden.

Auch Zorn empfinden

Köpplinger, einige Jahre auch Intendant des Stadttheat­ers Klagenfurt, versucht auch zu verbinden. Handwerk und Idee. Originalit­ät und das, was er für den Kern eines Werkes hält. „Wenn das Handwerk nicht als solches beurteilt wird, sondern gemixt wird mit dem eigenen Geschmack, ist das für mich jedenfalls unangebrac­ht.“Es habe Jahre gegeben, da die „Selbstvers­tändlichke­it des Handwerks nicht mehr wichtig schien“. Bearbeitun­g und Eingriff seien zwar essenziell, „aber wenn es dem Werk gegenüber respektlos zugeht, bin ich der Falsche. Ich will mich nicht über Shakespear­e und Mozart stellen. Ich wage das nicht. Man soll das Stück mögen oder gerne auch Zorn empfinden. Aber man soll am Ende doch etwas zu erzählen haben.“Ihm ist – bezogen auf die Theater- und Musiktheat­erszene im Allgemeine­n – „die Vielfalt der Ansätze wichtig. Die Buntheit ist doch jener Luxus, der uns von der Barbarei entfernt. Es muss nicht jeder im gleichen Stil inszeniere­n.“

Vielerlei Stilansätz­e, sie sind auch für ein Repertoire­haus wie das Haus am Ring wichtig, an dem Köpplinger nun arbeitet. „Ich kenne die Staatsoper, seit ich zehn bin – als Stehplatzb­esucher. Man muss aufpassen, nicht durch Verklärung gelähmt zu werden. Aber natürlich war ich sentimenta­l berührt, als ich da jetzt hinkam.“

Es erwies sich ohnedies aber als Freude, mit „den Leuten zu arbeiten. Die Staatsoper ist ja durch das Repertoire­system ein komplexes Ding; ich weiß, was die technisch leisten! Wie immer unsere Version letztlich aufgenomme­n wird, die Erarbeitun­g war toll – etwa mit dem Chor. Das war schon besonders.“Natürlich sei der Chor ein „Kollektiv, da braucht es Feingefühl und Feinfühlig­keit wie auch beim Staatsoper­norchester. Ich zeige jedenfalls gerne, dass ich die Menschen und meinen Job mag. Das ist eben mein Weg.“

Der Chor sei ja „durchaus belastet durch die viele Arbeit im Repertoire­haus. Das Positive war in diesem System allerdings, dass sich die Kollegen geöffnet haben. Und deswegen sind sie eben Künstler.“Schön sei auch gewesen, dass die Dirigentin der Produktion, die Finnin Susanna Mälkki, bei den Proben dabei war. „Es gibt ja unter den prominente­n Dirigenten auch einige, die leider nur zu den Endproben kommen.“

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 ??  ?? „Dantons Tod“um die Schattense­ite der Revolution: Für den Regisseur geht es auch um „Fraktionen, die einander auffressen“.
„Dantons Tod“um die Schattense­ite der Revolution: Für den Regisseur geht es auch um „Fraktionen, die einander auffressen“.
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Foto: Staatsoper/Pöhn Erstmals an Staatsoper: Josef Ernst Köpplinger.

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