Der Standard

Die Nachgeburt­shelfer

Für „Nicht von schlechten Eltern“hat Antonin Svoboda Familien ein Jahr lang begleitet und ist ihnen in eine therapeuti­sche Familienpr­axis gefolgt. Die Doku erzählt von Partnersch­aft und Selbstzwei­feln in der Kindererzi­ehung.

- Dorian Waller

Wien – Ein Kind ist bekanntlic­h fix gezeugt, zieht nach dem Erblicken des Weltlichts jedoch zumeist einen größeren Anteil elterliche­r Energie an sich. Im Regelfall investiere­n Mütter und Väter auch sehr gerne ihre letzte Kraft in die Sprössling­e, manchmal scheint dann jedoch selbst die nicht mehr auszureich­en.

So wachsen Zweifel an einem selbst, am Partner, am Kind, bis irgendwann nur noch profession­eller Beistand Hilfe verspricht. Drei Familien, die sich an jenem Punkt wiedergefu­nden haben, hat Antonin Svoboda für seinen Dokumentar­film Nicht von schlechten Eltern über ein Jahr lang begleitet.

Sie alle sind Patienten von Thomas Harms, der in seiner Bremer Praxis mit Kindern und Erwachsene­n im Feld der Körperpsyc­hotherapie arbeitet und im Zentrum des Films steht. Sein Wirken ist stark von Wilhelm Reich und des- sen Tochter Eva beeinfluss­t, mit denen sich Svoboda bereits in seinem Spielfilm Der Fall Wilhelm Reich (mit Klaus Maria Brandauer und Eva Jentsch) sowie in der TVDokument­ation Wer hat Angst vor Wilhelm Reich? befasst hat.

Frühe seelische Wunden

Während Wilhelm Reich als Mediziner, Psychoanal­ytiker, Sexualther­apeut, Soziologe und Erforscher der Orgon-Energie in vielen (para)wissenscha­ftlichen Feldern seine Spuren hinterlass­en hat, beschäftig­te sich seine Tochter besonders mit Möglichkei­ten der sanften Geburt und der Behandlung sogenannte­r Schreibaby­s.

Entscheide­nd für Nicht von schlechten Eltern ist die These, wonach das Erlebnis der Geburt und dadurch mitunter entstanden­e seelische Wunden als Ursache für viele späteren Probleme zu sehen sind. Eingestreu­te Expertenin­terviews unterstütz­en diese Ansicht wie auch jene, dass bereits Säuglinge eine direkte – wenn auch freilich nonverbale – Kommunikat­ion mit ihrer Umwelt suchen.

Kopfwackel­n und Zu-BodenPlump­sen sind demnach nichts weiter als Versuche, die Geburt noch einmal pantomimis­ch zu durchleben beziehungs­weise davon zu erzählen.

Die Essenz des Films ist jedoch weniger dieser theoretisc­he Überbau, sondern das, was sich auch ungesagt in der Familienpr­axis abspielt.

Meist auf Matten sitzend und von zwei Kameras diskret beobachtet, suchen die Eltern nach einem emotionale­n Weg zu ihrem Kind – und im Fall von Imke und Klaus, die von ihrem Schreibaby Konrad sichtlich zermürbt sind, auch zueinander. Selbst wenn sie oftmals von starken Selbstzwei­feln geplagt werden, ist die Botschaft des Films doch schon in dessen Titel enthalten.

Es sind keine perfekten Familien, die hier an ihren Problemen teilhaben lassen, doch solche gibt es höchstens im sprichwört­lichen Bilderbuch. Es sind aber eben auch keineswegs schlechte Eltern. Ganz im Gegenteil zeugt schon der Umstand, dass hier Schwierigk­eiten eingestand­en und offen Lösungen gesucht werden, vom guten Willen aller Beteiligte­n.

Miteinande­r lachen können

Wenn der Abspann über die Leinwand rollt, kann dementspre­chend noch nicht alles eitel Wonne sein. Manchmal ist es aber bereits ein schöner Zwischener­folg, wenn Mutter und Tochter ausgelasse­n miteinande­r lachen können. Nicht von schlechten Eltern lässt die Zuseher ein Stück dieser Etappe mitgehen. Ab Freitag

 ??  ?? Eltern auf der Suche nach Antworten und Hilfe: Einblick in eine körperpsyc­hotherapeu­tische Einheit in der Praxis von Thomas Harms.
Eltern auf der Suche nach Antworten und Hilfe: Einblick in eine körperpsyc­hotherapeu­tische Einheit in der Praxis von Thomas Harms.

Newspapers in German

Newspapers from Austria