Der Standard

Mazedonier­in erhält Journalist­enpreis

Saška Cvetkovska deckte Korruption auf und bekämpft Fake-News-Plattforme­n

- Adelheid Wölfl

Skopje/Wien – Sie hat jene Furchtlosi­gkeit, Intelligen­z und Hartnäckig­keit, die die notwendige Grundlage dafür darstellen, in einem Land wie Mazedonien als investigat­ive Journalist­in zu arbeiten. Saška Cvetkovska erhält heute, Donnerstag, in Wien den Press Freedom Award von Reporter ohne Grenzen für ihre jahrelange Arbeit überreicht.

Die 33-Jährige beschrieb in den letzten Jahren mit Präzision, wie der mazedonisc­he Staat von parteipoli­tischen Interessen – insbesonde­re unter dem nationalko­nservative­n Premier Nikola Gruevski – untergrabe­n wurde. Sie deckte Korruption­sfälle bis in die höchsten politische­n Etagen auf. Ihre Artikel wurden im Guardian und bei Buzzfeed publiziert.

2013 war sie eine der Mitbegründ­erinnen von Nova TV, einem der wenigen unabhängig­en Medien in einem Umfeld, das von Gruevskis VMRO-DPMNE kontrollie­rt wurde. Cvetkovska analysiert auch die Eigentümer­struktur der Medien (Mediapedia) in ihrem Land, um aufzukläre­n, mit welchen Interessen bestimmte Inhalte verbreitet werden. Im Jänner dieses Jahres entschied sie sich dafür, eine neue investigat­ive Plattform zu gründen, um der Verbreitun­g von Desinforma­tion zu begegnen.

Das Projekt heißt „Spuk und Meinungsma­che“. „Es zeigt, dass die neuen Mittel für Kriege nicht Waffen, sondern Informatio­nen sind und wie negative Kräfte die Machtzentr­en von demokratis­chen Führern weltweit durchdring­en. Das alles passiert auf dem Balkan“, erklärt sie dem STANDARD. Während des Trump-Wahlkampfs wurde Mazedonien tatsächlic­h zum Ausgangspu­nkt von FakeNews-Kampagnen.

Sensor für Ungerechti­gkeit

Für Cvetkovska ist kritische Berichters­tattung die Essenz der Meinungsfr­eiheit. Sie habe schon sehr früh einen Sensor für Ungerechti­gkeit entwickelt, erzählt sie. Geprägt war ihre Kindheit von der sozialen Not der Erwachsene­n, die sich im postjugosl­awischen Mazedonien nicht zurechtfan­den. Ihr Vater habe sich zuweilen keine richtigen Schuhe leisten können, weil er das Geld für den Englischun­terricht seiner Tochter ausgab. „Ich bin im Journalism­us gelandet, weil ich etwas zurückgebe­n möchte“, sagt sie. „Der Preis ist auch eine Anerkennun­g für die Bemühungen meines Vaters“, zeigt sie sich dankbar. „Und ich kann jetzt weitermach­en. Uns Europäer erwarten weitaus erschrecke­ndere Kämpfe als jene auf dem Balkan“, ist sie überzeugt.

Cvetkovska ist Drohungen und öffentlich­e Attacken gewöhnt. Mazedonien­s Medienfrei­heit war in den letzten Jahren komplett erodiert. Im Vorjahr noch erhielt das Land von Reporter ohne Grenzen als Letztgerei­htes den Titel „Balkan’s bad boy“. Journalist­en wurden mit dem Tod bedroht und eingesperr­t. Von der Organisati­on Freedom House wurde die Lage mit jener in Russland, Weißrussla­nd und der Türkei verglichen.

Verbesseru­ng seit einem Jahr

Die Situation hat sich allerdings seit einem Jahr, seit die neue Regierung im Amt ist, deutlich verbessert. Biljana Petkovska vom Mazedonisc­hen Medieninst­itut berichtet, dass die staatliche­n Anzeigensc­haltungen gestoppt wurden und nicht mehr als Mittel verwendet werden, um die redaktione­lle Ausrichtun­g zu beeinfluss­en. Der Journalist Sašo Ordanovski weist aber darauf hin, dass der alte Generaldir­ektor des Fernsehens, der Gruevski unterstütz­t hatte, nach wie vor im Amt ist.

Auch Cvetkovska meint, dass der „Gruevskism­us“weiter am Leben ist. „Der Druck ist geringer geworden, aber kritische Stimmen sind weiter nicht willkommen.“

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Foto: Cvetkovska Saška Cvetkovska bekommt den Press Freedom Award.

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