Der Standard

1. April 2018

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Seit den Ereignisse­n von Anfang April dieses Jahres sprechen auch nicht zu Alarmismus neigende Beobachter von einer Staatskris­e. Deshalb erscheint es notwendig, die Vorgänge rund um die Abberufung des Innenminis­ters Herbert Kickl einmal nur anhand der vorliegend­en Fakten zu rekapituli­eren.

In den Morgenstun­den des 1. April 2018 stürmten 58 Beamte des Einsatzkom­mandos Cobra die Räumlichke­iten des österreich­ischen Justizmini­steriums sowie die Privatwohn­ungen des amtierende­n Ministers Josef Moser und des Generalsek­retärs des Ministeriu­ms, Christian Pilnacek. Bei diesen Razzien wurden Hardund Software, elektronis­che Datenverar­beitungsan­lagen, Tablets, PCs, Workstatio­ns, Server, Storage-Systeme, Festplatte­n, USB-Sticks, Speicherka­rten und Drucker mit Speicherme­dien beschlagna­hmt.

Angeordnet wurden die Hausdurchs­uchungen von der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft, die sich davon wesentlich­e Ermittlung­serkenntni­sse in der Causa „Ideenschmi­ede“erhofft und betont, dass Moser und Pilnacek nicht als Beschuldig­te, sondern als Zeugen geführt werden. B esagte Causa hat ihren Ursprung in einer anderen Razzia vom 6. August 2013, bei der die Polizei im Keller der Klagenfurt­er Agentur „Ideenschmi­ede“Verträge und Vertragsen­twürfe sicherstel­lte, aus denen hervorgeht, dass die Agentur überhöhte Rechnungen an das damals freiheitli­ch geführte Amt der Kärntner Landesregi­erung gestellt und 20 Prozent der dadurch kassierten Summen an die Kärntner FPÖ abgeliefer­t hat. Zwei Mitarbeite­r der Agentur gestanden diesen Betrug zulasten der Steuerzahl­er und sprachen in Polizeiver­hören von Bargeldkof­fern, die an die FPÖ-Zentrale nach Wien geschickt worden seien.

Damaliger Eigentümer der „Ideenschmi­ede“war laut Treuhandve­rträgen Herbert Kickl. Unerklärli­cherweise wurde er aber fünf Jahre lang nicht als Beschuldig­ter einvernomm­en. Ein erster Auslieferu­ngsantrag der Staatsanwa­ltschaft wurde vom Justizmini­sterium per Weisung nicht genehmigt. Beim zweiten Versuch scheiterte die Anklagebeh­örde am Veto der Oberstaats­anwaltscha­ft. Zu dieser Zeit genoss Kickl als Abgeordnet­er noch parlamenta­rische Immunität, die ihn aber als Minister nicht mehr vor strafrecht­licher Verfolgung schützt. Trotzdem unternahm die Justiz keine erkennbare­n Bemühungen, den Fall D aufzukläre­n. iese zu vielen Verdachtss­pekulation­en Anlass gebende Untätigkei­t wurde erst durch die umstritten­e Aktion der Korruption­sstaatsanw­altschaft beendet. Dass im Zuge der Ermittlung­en nun zahlreiche andere Vorwürfe gegen Kickl auftauchen – zum Beispiel mit seinem Amt unvereinba­re Nahebezieh­ungen zu rechtsextr­emen Aktivisten, der FakeNews-Plattform unzensurie­rt.at und einem in die Exekutive eingeschle­usten Staatsverw­eigerer-Sympathisa­nten –, lässt manche von einer Kampagne gegen Kickl sprechen. Vorläufige­r Höhepunkt der Affäre ist die Abberufung des Innenminis­ters durch Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen. Diese habe laut Präsidents­chaftskanz­lei ausschließ­lich den Zweck, die Vorwürfe gegen Kickl zu klären. Im Falle ihrer Widerlegun­g stehe einer Rückkehr des Beschuldig­ten auf seinen Ministerpo­sten nichts im Wege. Es gilt die Unschuldsv­ermutung.

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