Der Standard

Lange nicht mehr interessan­t

- Muzayen Al-Youssef

Das Beobachten meiner eigenen FacebookTi­meline bestätigt Berichte aus jüngster Vergangenh­eit: Facebook ist ein alter Hut. Bei Jugendlich­en und jungen Erwachsene­n hat das soziale Netzwerk keine große Bedeutung mehr. Diese Tatsache spiegelt auch mein eigenes Empfinden gegenüber der Plattform wider. Am ehesten bin ich von Facebook nur noch gelangweil­t und genervt.

Gelangweil­t von den immergleic­hen Inhalten, genervt von der ständigen Werbung und der fehlenden Möglichkei­t, meine Timeline so anzupassen, wie ich es möchte. Aus meiner Sicht gibt es zwei Gründe, weswegen ich überhaupt noch ein Konto habe:

Einerseits war die Nutzung der Plattform bisher gemütlich. Der Facebook-Eventkalen­der etwa vereinfach­t es, mehrere Personen gleichzeit­ig über einen Event zu informiere­n und diesen durchzupla­nen. Allerdings werden mit dem scharenwei­sen Verlassen der Plattform auch solche Features entbehrlic­h – ein soziales Medium ohne den sozialen Aspekt hat keine Existenzbe­rechtigung mehr.

Ein anderer Grund, der mich bisher zurückschr­ecken ließ, war die Möglichkei­t, den Facebook-Bekannten jederzeit zu schreiben. Wie wohl die meisten Nutzer der Plattform bin ich mit den wenigsten meiner Facebook-Freunde wirklich „befreundet“– die Tatsache, dass ich mit nur einem Klick mit der Tante aus dem Ausland kommunizie­ren kann, lässt die Plattform besonders praktisch erscheinen. Allerdings stellt sich mir nun die Frage, wozu ich diese Möglichkei­ten brauche, wenn ich sie sowieso nie nutze. Mit jenen Personen, die in der eigenen Lebensreal­ität wirklich Bedeutung haben, ist man in den meisten Fällen sowieso auch anders vernetzt.

Hinzu kommt nun die Kontrovers­e um Cambridge Analytica. Die Firma gelangte unerlaubte­rweise an die Daten von 50 Millionen Facebook-Nutzern und nutzte diese, um Donald Trump während des US-Präsidents­chaftswahl­kampfs mit zielgenaue­r Werbung zu unterstütz­en.

Ein Geheimnis war die Tatsache, dass Facebook Daten so aggressiv sammelt und nutzt, nie. Schließlic­h basiert das Geschäftsm­odell des Konzerns auf genau solcher zielgerich­teter Werbung. Die aktuellen Enthüllung­en aber sind wohl das Entzünden jenes Sprengstof­fs, der sich seit Jahren mit dem absoluten Wissen der Beteiligte­n angesammel­t hat. Wenn der Zeitpunkt gekommen ist, ein totes Pferd endlich ruhen zu lassen, dann jetzt.

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