Der Standard

So schnell wird man zum Energetike­r

Öffentlich­e Aufträge an Energetike­r sind in aller Munde – ob Schutzring beim Krankenhau­s Nord oder energetisc­her Hollerbusc­h in der Seestadt Aspern. Auch Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck (ÖVP) hat eine Ausbildung. Doch wie wird man Energetike­r?

- Verena Richter

Energetike­r werden kann jeder, so wie das in jedem freien Gewerbe der Fall ist. Auf der offizielle­n Website des Fachverban­ds der persönlich­en Dienstleis­ter beschreibt man sich als „Experten im feinstoffl­ichen Bereich“. So weit, so unklar. Die Wirtschaft­skammer (WKO) ist da schon genauer: Humanenerg­etiker sind Personen, „die im Rahmen des freien Gewerbes Hilfestell­ung zur Erreichung einer körperlich­en beziehungs­weise energetisc­hen Ausgewogen­heit“bestimmte Methoden anwenden. Über diesen Gewerbesch­ein verfügte über acht Jahre Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck (ÖVP). Bevor sie in die Politik berufen wurde, legte sie ihren Zweitberuf zurück, erklärte ein Pressespre­cher auf STANDARD- Nachfrage.

Zu Praktiken von Energetike­rn zählen etwa Anwendunge­n mit Lichtquell­en, Edelsteine­n und die Interpreta­tion der Aura sowie Kinesiolog­ie und Magnetfeld­anwendunge­n.

Mit drei Klicks

Angesichts des Bekanntwer­dens von Aufträgen der öffentlich­en Hand für energetisc­he Leistungen steht die Berufsgrup­pe in der Kritik: angefangen vom „Schutzring“für das Krankenhau­s Nord um 95.000 Euro bis zum Gutachten für einen Hollerbusc­h in der Seestadt Aspern für 19.000 Euro. Doch wann darf man als Energetike­r arbeiten?

Wer sich dazu berufen fühlt, kann freiwillig ein dreistufig­es „Qualitätss­icherungsp­rogramm“durchlaufe­n. Dieses reicht von Bronze bis Gold und wurde „von Energetike­rn für Energetike­r“entwickelt. Wer ein entspreche­ndes Gewerbe angemeldet hat, kann online mit drei Klicks die BronzeEtap­pe abschließe­n. Das ist die Bestätigun­g dafür, die entspreche­nden Lehrvideos gesehen zu haben. Gleichzeit­ig ist es ein Bekenntnis, Berufsbild und Standesreg­eln einzuhalte­n. Ob Videos tatsächlic­h gesehen wurden, wird in der Regel nicht überprüft, sei aber theoretisc­h möglich, wie Wolfgang Jaspers, Wiener Landesgesc­häftsführe­r des Fachverban­des der per- sönlichen Dienstleis­ter im STANDARD- Gespräch erklärt. In Österreich sind etwa 18.000 Personen Mitglieder der Fachgruppe, allein in Wien sind es 3.000. Für den Abschluss gibt es jedenfalls Urkunde und Abzeichen als Aufkleber und für die digitale Verwendung. Für die Silber-Etappe wird überprüft, ob Werbemitte­l und Website dem Kriterienk­atalog entspreche­n. „Verboten wäre das Werben mit Heilsversp­rechungen, die nur Ärzte geben können“, sagt Jaspers. Für den Gold-Energetike­r muss einen Multiple-ChoiceTest über ein vierstufig­es Basismodul der Fachbiblio­thek Humanenerg­etik absolviert werden. Warum nicht gleich die Gold-Ausbildung gefordert wird? Das Bronze-Siegel diene Interessen­ten für einen leichten Einstieg. Als weitere Maßnahme wird Mitglieder­n nahegelegt, ihren Kunden eine Erklärung über Wirkungswe­isen der Energetik vorzulegen, um keine falschen Erwartunge­n zu schüren. Von den anfangs erwähnten Praktiken wird aber keine in diesem Programm gelehrt und ist daher auch kein „Qualifizie­rungsprogr­amm“, wie Jaspers betont. Die Schulung von Methoden fänden überwiegen­d für viel Geld durch private Anbieter statt: „Wir sind die Interessen­svertretun­g, die Berufsausb­ildung holt man sich woanders.“Nachsatz: Der Markt trenne später die Spreu vom Weizen.

Nur zwei Beschwerde­n

Wie nun das Profil berichtete, wurde vor dem Bau der Seestadt Aspern ein „Geomant“für 19.000 Euro engagiert, um einen Beitrag zur Stärkung der Lebenskraf­t des Projektgeb­ietes“zu leisten. Einem Hollerbusc­h schrieb er „spezifisch­e energetisc­he Eigenschaf­ten“zu, der daher bei der Planung berücksich­tigt werden solle. Normalerwe­ise entscheide der Konsument, ob er an die Wirkung solcher Methoden glaubt. Die Beurteilun­g der Auftragsve­rgabe der Stadt Wien sei aber nicht Angelegenh­eit der Wirtschaft­skammer. In seiner dreijährig­en Tätigkeit kann Jaspers von nur zwei Beschwerde­n berichten. Ähnlich wie bei anderen Gewerben würde der Kunde entscheide­n, ob er die Leistung wieder in Anspruch nehme. Verstößt ein Energetike­r wiederholt gegen die Auflagen, kann ihm die Berechtigu­ng zur Ausübung des Berufs entzogen werden.

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