AMS-Vorstand zu Abgang bereit
Co-Chef Buchinger kritisiert Vorgangsweise der Koalition
Wien – AMS-Vorstand Herbert Buchinger zeigt sich irritiert über die via Medien verkündete Einrichtung einer „Task Force“zur Reform des Arbeitsmarktservice samt Ladung der AMS-Doppelspitze, die er mit Johannes Kopf bildet. „Ich verstehe nicht, warum man das mit so einem Getöse machen muss. Wir sind alle erwach- sene Menschen, mit uns kann man ganz normal reden, wie man das AMS reformieren kann und soll“, sagte Buchinger zum STANDARD. Sollte die Koalition mit der AMS-Spitze unzufrieden sein, erwarte er sich Verhandlungen über eine Vertragsauflösung. Er klebe nicht an seinem Sessel, so Buchinger. (red)
Wien – Wäre es nur nach den Blauen gegangen, dann stünde zur Reform des Arbeitsmarktservice (AMS) schon im Koalitionspakt Konkreteres. So schlug die FPÖ vor, das AMS in eine GmbH umzuwandeln und der Regierung die Möglichkeit einzuräumen, der AMS-Chefetage Weisungen zu erteilen, erzählt ein in die Verhandlungen Involvierter. „Geschäumt“hätten die FPÖler, weil die Verträge der AMS-Vorstände Johannes Kopf und Herbert Buchinger wenige Tage nach der Nationalratswahl um weitere sechs Jahre verlängert wurden. Ersterer steht der ÖVP nahe, Letzterer der SPÖ.
Damals bog die ÖVP die Wünsche noch ab. Ins Regierungsprogramm schaffte es nur die vage Formulierung: „Prüfung der Effizienz und der Organisation beim AMS (Frage der Steuerung durch Ministerien und Sozialpartner).“Nun wird aber heftig über die Neuaufstellung spekuliert, seit Kanzler Sebastian Kurz am Wochenende wissen ließ: „Es muss sich beim AMS dringend etwas ändern.“Eine „Taskforce“, der mehrere Minister angehören, soll sich der Reform widmen, nach Ostern wird es eine Aussprache mit Kopf geben, wobei man diesen natürlich „nicht zum Rapport“bestelle, wie am Montag im Kanzleramt versichert wurde. Es gehe nicht um Personalia und Strukturen, sondern um den effizienten Einsatz von Geldern.
„Disziplinierungsmaßnahme“
Das wollen viele im AMS nicht glauben. Einer, der das auch ausspricht, ist Gernot Mitter, der für die Arbeiterkammer im AMS-Verwaltungsrat sitzt: Er ortet eine „Disziplinierungsmaßnahme“. „Kopf hat kritisiert, dass die Regierung die Mittel für die Integration kürzen will, und muss dafür nun zum Rapport. Dass ihm dabei Fehler zu Last gelegt werden, die andernorts gemacht wurden, halte ich für zynisch.“Mitter spielt damit auf den internen Revisionsbericht des AMS an, laut dem Jobvermittler über Schwierigkeiten mit Zuwanderern berichten, die schlecht Deutsch sprechen, aus traditionellem Rollenverständnis Jobs ablehnen oder sogar gewaltbereit sind.
„Wenn etwa Flüchtlinge mit rudimentären Deutschkenntnissen am AMS aufschlagen“, sagt Mitter, „dann ist dafür vielmehr Kanzler Kurz verantwortlich, der als Integrationsminister nicht schon für genügend Sprachkurse während des Asylverfahrens gesorgt hat.“
Er vermutet ebenfalls, dass es Türkis-Blau nur darum geht, ein „direktes Durchgriffsrecht auf das AMS“zu bekommen. Derzeit reden die Sozialpartner stark mit: Wichtige Entscheidungen bedürfen im Verwaltungsrat, wo je drei Vertreter von Regierung, Arbeitgebern und Arbeitnehmern sitzen, eine Mehrheit von sechs plus einer Stimme (siehe Wissen).
Johannes Kopf, der in der Vergangenheit bei den Themen Integration oder Mindestsicherung immer wieder Positionen einnahm, die im Widerspruch zur Politik von Kurz standen, ist derzeit nicht erreichbar. Er möchte sich erst nach einer Knieoperation wieder zu Wort melden.
Sein Kollege Herbert Buchinger lässt durchklingen, dass er mit der Vorgangsweise der Regierung nicht glücklich ist: „Ich verstehe nicht, warum man das mit so einem Getöse machen muss. Wir sind alle erwachsene Menschen, mit uns kann man ganz normal re- den, wie man das AMS reformieren kann und soll.“
Der Regierung bietet er Zusammenarbeit an. So kann er sich vorstellen, mit der „Topferlwirtschaft“Schluss zu machen, also mit der Finanzierung von Arbeitsmarktprogrammen über zahlreiche verschiedene Töpfe, damit es für die Koalition einfacher sei, „Schwerpunkte zu setzen“.
Handlungsbedarf sieht er auch, wie berichtet, bei der Umsetzung bzw. Kontrolle von AMS-Sanktionen. Da anerkannte Flüchtlinge kein Arbeitslosengeld, sondern Mindestsicherung beziehen, habe das AMS keine Möglichkeit, selbst Sanktionen zu verhängen, wenn jemand ein Angebot ablehne. Hier könne die Abstimmung mit den Ländern sicher noch besser werden, sagt Buchinger, der aber auch betont: „Die Integration ist natürlich eine Riesenherausforderung. Wir machen aber gute Fortschritte und sind besser unterwegs als unsere deutschen Kollegen.“
Verhandlungssache
Viele vermuten aber ohnehin, dass die Ablöse von Buchinger und Kopf nur eine Frage der Zeit ist. Buchinger sieht das pragmatisch: „Wenn die Regierung unzufrieden mit uns ist, kann man sicher mit uns darüber reden. Ich sehe das aus der Managementperspektive und klebe nicht an meinem Sessel.“Zusatz: Man müsse dann über die Auflösung der Verträge verhandeln. Und das wäre nicht ganz billig. Buchinger (61), bereits seit 1994 AMS-Vorstand, verdiente zuletzt rund 183.000 Euro jährlich, der 44-jährige Kopf gut 172.000 Euro.
Das ist aber noch Zukunftsmusik. Rascher dürfte es beim AMSBudget gehen, über das am Dienstag final im Verwaltungsrat entschieden werden soll. Während die Kürzungspläne für die Integrationsförderung aufrechtbleiben sollen, will die Regierung dem Vernehmen nach für spezielle Qualifizierungsmaßnahmen – berufliche Erstausbildung von Jugendlichen, Weiterbildung Geringqualifizierter – doch mehr ausgeben als ursprünglich geplant: Aus Arbeitsmarktrücklagen sollen zusätzlich 50 Millionen fließen.
Die Umsturzgelüste waren bereits bei den Koalitionsverhandlungen erwacht. FPÖStratege Herbert Kickl etwa soll regelrecht heiß gelaufen sein, weil sich die Führungsriege des Arbeitsmarktservice (AMS) nicht einfach per Handstreich austauschen ließ. Pech für alle Umfärber: Die Verträge der Chefetage waren rechtzeitig vor der Nationalratswahl im Oktober verlängert worden.
Die Regierung erweckt nicht den Eindruck, als hätte sie sich damit abgefunden. In trauter Einigkeit haben Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache den Jobvermittlern schlechte Arbeit vorgeworfen – und nehmen den Chef persönlich dafür in die Verantwortung. Nach Ostern muss AMSLeiter Johannes Kopf im Kanzleramt antreten, um sich zu rechtfertigen.
Wollen ÖVP und FPÖ da einen unabhängigen Akteur, der jüngst die Sparpläne bei der Integrationsförderung kritisiert hat, hinausmobben oder zumindest disziplinieren? Aus der Wortwahl der Regierungsspitzen allein lässt sich dies nicht schließen. Weder Kurz noch Strache haben Kopf bisher persönlich angegriffen, und der „Rapport“, zu dem Kopf antanzen müsse, ist das Wording der Medien, nicht des Kanzleramts. Nüchtern betrachtet ist es das gute Recht jeder Regierung, eine mit Steuergeld alimentierte Institution umzukrempeln – sofern es dafür sachlich fundierte Gründe gibt.
Doch genau diese bleibt die Koalition schuldig. Als einziger konkreter Beleg dient neben vagen Anwürfen ein interner Revisionsbericht aus dem AMS. Dieser hält ohne jeden Anspruch auf eine repräsentative Darstellung fest, dass manche Jobvermittler mit manchen Zuwanderern ihre liebe Not haben. Moslemische Mädchen stünden unter der Fuchtel von Patriarchen, Männer seien sich für bestimmte Jobs zu schade („Putzen ist Frauenarbeit“). Während es an Deutschkenntnissen und Bildungswille mangle, zeigten bestimmte Klienten Gewaltbereitschaft.
Auch wenn im Dunkeln bleibt, ob eher Regel oder Ausnahme: Man mag derartige Erfahrungsberichte schon „alarmierend“nennen, wie das Kurz tat. Doch was genau kann da das AMS dafür? Auch der leistungsfanatische Kanzler wird von Jobvermittlern nicht ernsthaft verlangen können, Migranten im Handumdrehen Angewohnheiten auszutreiben, die diese aus archai- schen und kriegverrohten Gesellschaften mitgebracht haben. Übrigens: Die Prüfer stellten auch fest, dass justament die Betreuer in Wien, wo die meisten Zuwanderer leben, mehrheitlich „keine nennenswerte Probleme“meldeten. Das hat Kurz und Strache dann aber nicht so interessiert.
Dass Leiter Kopf wegschaue, lässt sich ebenfalls schwerlich behaupten, sonst hätte er die Untersuchung gar nicht in Auftrag gegeben. Der Bericht zeigt zwar schon auch auf, dass Mitarbeiter beim Umgang mit schwierigen Fällen mitunter mehr Hilfe benötigten – aber eine „Bankrotterklärung“ des AMS, wie die Kronen Zeitung schrieb? Nach Lektüre drängt sich eine ganz andere Interpretation auf: Da bemüht sich die Regierung nach Kräften, ein Versagen zu konstruieren.
Die Argumentationslinie ist umso unglaubwürdiger, als die Koalition gleichzeitig Mittel streicht, um die Probleme zu bekämpfen: Hat das AMS künftig weniger Geld für das Integrationsjahr parat, wird es – gleich einer selbsterfüllenden Prophezeiung – tatsächlich öfter scheitern. Kopf hat davor bereits gewarnt; womöglich war genau das der Fehler, den er in türkisblauen Augen begangen hat.