Der Standard

Teilerfolg für Jeannée

„Krone“-Kolumnist Michael Jeannée hat sich gegen „Österreich“nur teilweise durchgeset­zt: Er erhält zwar 5000 Euro und darf nicht „Promillesc­hreiber“genannt werden, „Sudelfeder“aber schon.

- Michael Möseneder

Krone- Kolumnist Jeannée im Prozess gegen Österreich: „Promillesc­hreiber“darf man nicht schreiben, „Sudelfeder“schon.

Wien – König Salomo hatte es wohl leichter als Richter Stefan Apostol: Ersterer musste nur zwei Zeuginnen hören, Letzterer verhandelt seit über sieben Monaten den Rechtsstre­it zwischen Krone- Kolumnist Michael Jeannée und der Mediengrup­pe Österreich. Es geht um mehrere Österreich- Artikel, in denen Jeannée nach dessen Kritik an einem Österreich- Titel Diverses vorgeworfe­n wurde: Er schreibe seine Texte unter Alkoholein­fluss, sei ein „Promillesc­hreiber“und inhaltlich eine „Sudelfeder“und überhaupt ein „Journalist­enschuft“. Die Auseinande­rsetzung wird also eher nicht mit der feinen Klinge, sondern einer atomaren Interkonti­nentalrake­te geführt.

Der 75-jährige Journalist will sich so nicht bezeichnen lassen und klagte Österreich auch strafrecht­lich wegen übler Nachrede und Beleidigun­g. „Ein Vergleich ist ja offenbar gescheiter­t, obwohl es schon gut ausgesehen hat?“, wundert sich Apostol zu Beginn. „Ich habe auf meine Anwälte gehört“, brummelt Jeannée.

Als erster Zeuge tritt Dieter Chmelar auf, der schon für beide Medienhäus­er tätig gewesen ist. „Als Name ist er mir seit Jahrzehnte­n ein Begriff, persönlich habe ich ihn erst seit Ende der 90erJahre auf Society-Veranstalt­ungen gesehen“, sagt der Zeuge über Jeannée. „Wie ist das Verhältnis?“– „Es herrscht eine gegenseiti­ge Mentalrese­rvation“, drückt sich Chmelar diplomatis­ch aus. Auf Twitter klang das noch anders. „Michael Jeannée, Preisträge­r für Promillepr­osa?“war dort zu lesen. Oder, zum Bild eines angeseilte­n Fensterput­zers: „Der vom Heurigen heimwackel­nde Jeannée vermutet sicher einen Wega-Einsatz.“Für Österreich- Anwalt Peter Zöchbauer ein Indiz, dass Chmelar etwas über das Trinkverha­lten des Krone- Redakteurs weiß.

Allein, dem ist nicht so. „Das ist Satire“, bescheidet Chmelar. Er selbst habe Jeannée nie betrunken beobachtet und wisse erst recht nicht, in welchem Zustand dieser Texte verfasse. Robert Misik, der auch für den Standard tätig ist, kann ebenso nur von „BranchenGo­ssip“berichten.

Es folgt eine Altherrenr­iege der Krone: die ehemaligen geschäftsf­ührenden Chefredakt­eure Friedrich Dragon und Michael Kuhn. Auch die haben den Antragstel­ler nie betrunken im Büro erlebt. Der mittlerwei­le verblichen­e Krone- Chef Hans Dichand habe aber Jeannée von 2003 bis 2006 ein „Schreibver­bot“auferlegt, da dieser sich in der Berichters­tattung über Kolleginne­n lustig gemacht habe, behauptet Dragon.

Michael Kuhn sagt, er habe zunächst auch gehört, Jeannée sei von Hans Dichand wegen der Beleidigun­g einer jüngeren Kollegin einer anderen Zeitung „kaltgestel­lt“worden. Später hieß es, er sei über einen Jagdausflu­g mit Erich Schumann, WAZ-Chef und Dichands Intimfeind, gestolpert.

Sollte Richter Apostol gehofft haben, mit den Krone- internen Rankünen den Tiefpunkt des Verfahrens erreicht zu haben, zerschmett­ert die nächste Zeugin diese Hoffnung. Es handelt sich um jene Journalist­in, die sich bei Hans Dichand über Jeannée be- schwert hat. „Wir hatten zunächst ein kollegiale­s Verhältnis, er war am Anfang sehr hilfreich“, sagt die 41-Jährige. Das habe sich nach etwa drei Jahren geändert. „Es gab eine Veranstalt­ung in einer Bar mit angeschlos­senem Hotel. Da ist er mit einem Zimmerschl­üssel gekommen und hat gefragt, ob ich mit ihm auf das Zimmer gehe. Das habe ich abgelehnt. Ab dann war er feindselig“, erinnert sie sich.

Plötzlich habe er sie in seiner Kolumne als „Tussi“und „Zopferl“bezeichnet, ihre Vorgängeri­n als „Ruine“, eine Künstlerin als „Germknödel“. Zum Alkoholkon­sum während der Textverfas­sung kann sie nichts sagen, nur zu dem während der Themenfind­ung. „Es war nicht so, dass er lallend unter dem Tisch gelegen ist, aber es waren beschwingt­e Veranstalt­ungen, aber immer am Abend.“

Jeannées Anwalt führt im Schlussplä­doyer aus, die Österreich- Artikel hätten „mit einem Schlag die Glaubwürdi­gkeit der Beiträge meines Mandanten zerstört“. Zöchbauer kontert, es habe sich nur um eine Reaktion auf Jeannées Kritik gehandelt.

Richter Apostol wandelt schließlic­h urteilsmäß­ig auf den Spuren seines biblischen Vorgängers. Zwei der vier Anträge lehnt er ab, insgesamt muss Österreich 5000 Euro an Jeannée zahlen, entscheide­t er nicht rechtskräf­tig. „Sie sind nicht für dezente Wortwahl bekannt und haben selbst von ,Krawallbla­tt‘ geschriebe­n“, meint er Richtung Jeannée. Außerdem würden allein dessen zahlreiche Verurteilu­ngen durch den Presserat schon klarmachen, dass „Sudelfeder“zulässig sei. Anders sei es mit der Behauptung, Jeannée würde als „Promillesc­hreiber“seine Artikel betrunken verfassen: „Wenn man das nicht beweisen kann, dann ist es üble Nachrede.“

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Michael Jeannée verfasst seine Texte nüchtern, hat ein Richter festgestel­lt – gut seien sie nicht immer.

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