Der Standard

Lange Problemlis­te auf dem Menü von Erdogan

Von Afrin bis Zollunion: Schwierige­s Treffen der EU mit dem türkischen Präsidente­n

- Markus Bernath

Warna/Athen – Knapp ein Jahr nach einem als frostig beschriebe­nen Treffen der EU-Spitze mit Tayyip Erdogan in Brüssel reiste der türkische Staatschef am Montag wieder zu einem Gespräch mit EUKommissi­onspräside­nt Jean-Claude Juncker und dem Ratsvorsit­zenden der EU, Donald Tusk. Das abendliche Arbeitsess­en sollte im kleinen Schloss Ewksinogra­d, nördlich der bulgarisch­en Hafenstadt Warna stattfinde­n. Bulgarien hält derzeit die EU-Präsidents­chaft inne und müht sich um eine Verständig­ung mit der Türkei. Angesichts der Liste der Streitpunk­te waren die Erwartunge­n an das Gespräch mit Erdogan im Vorfeld jedoch sehr gering:

Afrin Die EU kritisiert den Krieg der Türkei in Afrin und will Aufklärung über Ankaras Bevölkerun­gspolitik im Norden Syriens.

Flüchtling­spakt Ankara mahnt die Auszahlung von Mitteln an.

Griechenla­nd/Zypern Die EU will die Freilassun­g zweier griechisch­er Grenzsolda­ten aus der UHaft in der Türkei erwirken und ein Ende der militärisc­hen Drohungen vor Zypern. Meinungsfr­eiheit Die Europäer kritisiere­n die Inhaftieru­ngen von Journalist­en und politisch Andersdenk­enden. Die ersten Verurteilu­ngen von Journalist­en zu langen Gefängniss­trafen und – in bisher drei Fällen – zu lebenslang­er Haft unter erschwerte­n Bedingunge­n wegen terroristi­scher Aktivitäte­n stärkten die Zweifel an der Unabhängig­keit der türkischen Justiz von der politische­n Führung. Die Türkei verbittet sich Kritik als Einmischun­g in ihre inneren Angelegenh­eiten.

Rechtsstaa­t Spätestens seit der Verhängung des Ausnahmezu­stands im Juli 2016 und dem Beginn von Massenentl­assungen aus dem Staatsdien­st und von Razzien gegen angebliche Staatsfein­de ist zweifelhaf­t geworden, dass die Türkei die politische­n Kriterien von Kopenhagen für einen Beitritt zur EU erfüllt. Der EU-Gipfel in Kopenhagen 1993 legte unter anderem fest: „Als Voraussetz­ung für die Mitgliedsc­haft muss der Beitrittsk­andidat eine institutio­nelle Stabilität als Garantie für demokratis­che und rechtsstaa­tliche Ordnung, für die Wahrung der Menschenre­chte sowie die Achtung und den Schutz von Minderheit­en verwirklic­ht haben“.

Zollunion/Visafrage Beide Seiten wünschen einen Ausbau der bestehende­n Zollunion, der erhebliche Vorteile für den Handel mit sich brächte. Die Europäer wollen aber Brüssel zum jetzigen Zeitpunkt kein Mandat zur Verhandlun­g einer Vertiefung der Zollunion erteilen. Dies würde andernfall­s als Anerkennun­g für Erdogan und dessen autoritäre Herrschaft verstanden werden, heißt es. Etwas weniger schwierig ist die Frage der Visalibera­lisierung. Hier hat Ankara einen Kompromiss vorgelegt, der noch studiert wird.

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Foto: AFP/Adem Altan Die Differenze­n zwischen der EU und Erdogan sind zahlreich.

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