Der Standard

Experten fordern maßgeschne­iderte Jobvermitt­lung

Deutsche Arbeitsage­nturen müssen sich wegen „planloser“Kursvergab­e scharfe Kritik gefallen lassen

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Wien – Wieso die Debatte um die Effizienz des Arbeitsmar­ktservices gerade jetzt losbricht, kann sich Christophe­r Prinz, Pensionsun­d Arbeitsmar­ktexperte bei der Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g (OECD) nicht erklären: „Das AMS wird internatio­nal als eines der effektivst­en und am besten geführten Arbeitsmar­kservices gesehen“, so Prinz.

Um „heutigen Herausford­erungen“gewachsen zu sein – damit meint der Experte die große Zahl an arbeitssuc­henden Flüchtling­en und die „weit verbreitet­en psychische­n Probleme Arbeitslos­er“–, sei jedoch entscheide­nd, das AMS mit ausreichen­d Mitteln und Expertise auszustatt­en.

Eine Sicht, die auch Arbeitsmar­ktexpertin Gudrun Biffl teilt. Geht es nach der Ökonomin, ist es „absurd“, Förderunge­n in der Arbeitsmar­ktintegrat­ion zu kürzen. Vielmehr müsse auf die Bedürfniss­e der Arbeitslos­en geachtet und Maßnahmen dementspre­chend angepasst werden. „Wenn ein 50-plus-Jähriger ehemaliger Personalma­nager einen Kurs für Bewerbungs­schreiben absolviere­n muss, macht das nicht viel Sinn“, sagt Biffl.

Kritik an Arbeitsage­nturen

Das Thema Kursvergab­e beschäftig­t derzeit auch Deutschlan­d: In dem türkis-blauen HartzIV-Vorbildlan­d hagelt es für die Arbeitsage­nturen massive Kritik. Der Bundesrech­nungshof wirft ihnen systematis­che Fehler und Geldversch­wendung vor, berichtete der Tagesspieg­el unter Beru- fung auf eine Mitteilung der Rechnungsp­rüfer an das Bundesmini­sterium für Arbeit und Soziales.

Die Prüfer untersucht­en demnach 617 Plätze in 35 Kursen. In 182 Fällen war der Kurs „nicht Bestandtei­l einer auf den Einzelfall bezogenen Einglieder­ungsstrate­gie“. Bei 212 Proben hatten die Mitarbeite­r die Arbeitslos­en im Vorhinein „nicht hinreichen­d über den mit der Zuweisung verfolgten Zweck“informiert. Insgesamt hatten drei von zehn Teilnehmer­n „bereits eine oder mehrere vergleichb­are Maßnahmen absolviert“. Letztlich kam der Rechnungsh­of zu dem Schluss, dass Jobcenter die Kurse „planlos“an Arbeitslos­e verteilten.

Noch dazu hätten Mitarbeite­r Kursplätze in übermäßige­r Zahl gebucht, die dann oft nur zu 85 Prozent belegt waren. Auf alle Jobcenter hochgerech­net ergebe sich alleine dadurch ein Schaden von 190 Millionen Euro pro Jahr. Durch das Vorgehen hätten die Arbeitsage­nturen die Einglieder­ung der Arbeitslos­en in den meisten Fällen „nicht gefördert, sondern sogar gefährdet“.

Ein Grund für die scheinbar willkürlic­he Vergabe von Kursen in Deutschlan­d könnte das System dahinter sein: Bringen Mitarbeite­r von Jobcentern genügend Arbeitslos­e in Kursen unter, winken ihnen Beförderun­gen oder eine Festanstel­lung. Für Vorgesetzt­e guter Teams gibt es sogar Geldprämie­n. Denn: Wer an einer solchen Maßnahme teilnimmt, gilt offiziell nicht als arbeitslos und nach Kursende für ein Jahr nicht langzeitar­beitslos. (lauf)

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