Der Standard

Herr Weidmann liest den Euroländer­n die Leviten

Deutscher Bundesbank­präsident macht Druck bei Altlasten- Sanierung in der Währungsun­ion

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Wien – Noch nicht bald, aber in absehbarer Zeit sieht der Präsident der Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann, den ersten Zinsschrit­t der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) und damit das Ende der Nullzinspo­litik in der Währungsun­ion. „Die Märkte sehen eine erste Zinsanhebu­ng etwa zur Mitte des Jahres 2019, was wohl nicht ganz unrealisti­sch ist“, orakelte Weidmann in seiner Rede anlässlich der Verleihung des „Großen Goldenen Ehrenzeich­ens mit dem Stern“für Verdienste um die Republik Österreich am Montag in der Nationalba­nk.

Zunächst aber müsse die EZB ihre Nettoanlei­hekäufe beenden – ohne damit das Finanzsyst­em zu gefährden. Der frühere „Wirtschaft­sweise“der deutschen Bundesregi­erung ließ keinen Zweifel, dass er diesen Schritt noch heuer sieht: „Das Ende der Nettokäufe ist jedoch erst der Anfang eines mehrjährig­en Prozesses der geldpoliti­schen Normalisie­rung. Gerade deshalb ist es so wichtig, bald anzufangen.“Die Geldpoliti­k der EZB bleibe dann immer noch expansiv genug. Dass die Zinsstrukt­ur noch immer so flach ist, sei Ausdruck gesunkener Wachstumse­rwartungen.

Die Währungsun­ion sieht Weidmann mit Rettungssc­hirm ESM, Bankenunio­n und Banken- aufsicht heute wohl deutlich besser aufgestell­t als am Höhepunkt der Finanzkris­e 2010, „dauerhaft krisenfest ist sie aber nicht“. Die Griechenla­nd-Krise träfe den Euroraum heute wohl deutlich weniger unvorberei­tet, griffe auch nicht mehr so leicht auf andere Länder über. Aber: „Die gemeinsame einheitlic­he Geldpoliti­k bei gleichzeit­iger nationaler Finanzpoli­tik hat sich als krisenanfä­llig erwiesen“, warnte der frühere Leiter der Abteilung Wirtschaft­s- und Finanzpoli­tik im Bundeskanz­leramt (bis 2011) unter Kanzlerin Angela Merkel.

Deshalb sei es gut, dass der französisc­he Präsident Emmanuel Macron Schwung in die Reformde- batte gebracht habe. Über das „Wie“sind die Euroländer uneins. Letztlich liefen alle Konzepte darauf hinaus, Gemeinscha­ftshaftung und Risikoteil­ung auszuweite­n, also eine zentrale Stabilisie­rungsfazil­ität zu schaffen. Weidmann sieht das kritisch, denn Staaten mit soliden Staatsfina­nzen, die den Maastricht-Vertrag einhalten, bräuchten keinen externen Puffer: „Eigenkapit­al ist ein hervorrage­nder Puffer, um Schulden auch in der Krise vollständi­g begleichen zu können.“

Einen gemeinsame­n Abwicklung­sfonds für Banken und eine gemeinsame Einlagensi­cherung kann es aus Sicht der Deutschen Bundesbank nur geben, wenn zu- hauf vorhandene Altlasten saniert werden. Die Bestände an notleidend­en Krediten in Bankbilanz­en sei noch immer viel zu hoch, der Deckungsgr­ad für Verluste habe sich nicht merklich erhöht. Die durchschni­ttliche Quote ging seit 2014 zwar um ein Drittel zurück, sechs Euroländer haben aber noch immer eine Quote im zweistelli­gen Bereich. In den USA und Japan machte der Anteil fauler Kredite 2016 nur 1,5 Prozent aus.

„Krypto ist keine Währung“

Eine weitere Altlast, die vor einer Vergemeins­chaftung der Einlagensi­cherung unbedingt abzubauen ist: die Ansteckung­sgefahr von Staaten auf Banken. Letztere haben zu viele Staatsanle­ihen ihrer Heimatländ­er ohne Besicherun­g in ihren Bilanzen. „Daraus entstand eine Verknüpfun­g der Solvenz von Banken mit der Solvenz ihrer Heimatstaa­ten, die heute deutlich stärker ist als vor der Krise“, mahnt Weidmann.

Wenig Regelungsw­ut lässt Weidmann bei Bitcoin und Co erkennen. „Krypto-Tokens“seien keine Währungen, dienten weder der Wertaufbew­ahrung noch als Recheneinh­eit noch als Zahlungsei­nheit, und seien auch viel zu aufwendig bei Transaktio­nen. „Jeder soll selbst entscheide­n, wie er sein Geld verliert.“(ung)

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Das Goldene Ehrenzeich­en hat Bundesbank­Präsident Jens Weidmann von Nationalba­nkGouverne­ur Ewald Nowotny bereits bekommen. Bald braucht er die Stimme Österreich­s, um EZBPräside­nt zu werden.

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