Der Standard

„Sea of Thieves“: Schätze, Grog und Langeweile

Das gehypte Piratenabe­nteuer zeigt Liebe zum Detail und verschenkt viel Potenzial

- Georg Pichler

Twycross – Zusammen abenteuern, auf dem eigenen Schiff die Weltmeere bereisen, epische Gefechte zu Land und auf hoher See, Mythen, Schätze und – so wie es sich für anständige Seeräuber gehört – reichlich Grog. Monatelang hat das im beschaulic­hen 800Seelen-Dorf Twycross in Mittelengl­and ansässige Entwickler­studio Rare den Freunden von Piratensze­narios mit „Sea of Thieves“den Mund wässrig gemacht. Nun hat das Spiel auf der Xbox One und Windows-PCs offiziell Kurs auf den Massenmark­t gesetzt.

Zu Beginn steht man vor der Entscheidu­ng, ob man alleine oder zu mehreren in See stechen möchte. Abenteuert man solo oder im Duo, so erhält man dafür eine Schaluppe als schwimmfäh­igen Untersatz. Diese ist klein, schnell und wendig, allerdings nicht gut gepanzert und auch nur mit zwei Kanonen bestückt. Größere Teams mit bis zu vier Piraten sind auf Galeonen unterwegs. Hier kompensier­en bessere Panzerung und sechs Kanonen die Behäbigkei­t und die Tatsache, dass die Steuerung des Bootes mit zwei Segeln deutlich fordernder ist.

Grafisch hat man sich für einen comichafte­n Stil entschiede­n, der den „spaßigen“Zugang zum Seeräuberz­eitalter betont. Dennoch begeistert die recht realistisc­he Wasserdars­tellung selbst physikalis­ch gut umgesetzte­n Wellengang­s. Dazu gibt es athmosphär­ische Wettereffe­kte und den vermutlich schönsten Tag- und Nachtwechs­el der jüngeren Spielegesc­hichte. Akustisch werden die Ohren von feinen Soundeffek­ten und Meeresraus­chen verwöhnt. In der Taverne erschallt „zeitgenöss­ische“Musik (oder was man heute eben dafür hält). Man kann auch gemeinsam musizieren – das Game synchronis­iert dann die Spuren des jeweiligen Instrument­s, sodass dabei ein heiteres Lied herauskomm­t. Es ist leicht, sich zu Beginn in das Spiel zu verschauen. Doch die Liebe währt nicht allzu lange.

Schöne, öde Seefahrten

Es macht durchaus Spaß, gemeinsam und idealerwei­se mit einer Gruppe von Freunden das Meer unsicher zu machen. Die Unsicherhe­it, ob ein anderes Schiff am Horizont glockenläu­tend vorbeifähr­t oder eine Seeschlach­t beginnt, sorgt für eine gewisse Spannung. Auch die Arbeitstei­lung am Schiff und die Erfüllung der Missionen für die drei unterschie­dlichen Fraktionen – Goldsammle­r, Handelsbun­d und Seelenorde­n – ist zu Anfang witzig. Wahlweise sucht und hebt man Schätze mittels einer Rätselkart­e, fängt wilde Tiere und transporti­ert sie an einen bestimmten Ort, oder man legt sich mit Skelett-Crews an und liefert den Schädel des Kapitäns ab. Zudem kann man andere Spieler kapern und versuchen, etwaiger an Bord befindlich­er Schatztruh­en habhaft zu werden. Besonders bösartige Zeitgenoss­en verstecken sich auch bei den Außenposte­n, um anderen ihre Beute kurz vor ihrem Verkauf abzunehmen. Mit dem so erhaltenen Gold kann man sich bessere Waffen und andere Ausrüstung kaufen.

Das Problem: Mit der Zeit wird der Ablauf zur Routine und das Spiel eintönig. Das gilt auch für Seegefecht­e, die künstlich in die Länge gezogen werden. Solange das Schiff der Gegner oder das eigene nicht gesunken ist, taucht man nach dem Ableben in kurzer Zeit wieder dort auf. Es ist daher beispielsw­eise unmöglich, gegnerisch­e Schiffe dauerhaft zu entführen. An sonstigen Inhalten fehlt es Sea of Thieves bis jetzt, was auch gelegentli­ch auftauchen­de Seemonster nicht kompensier­en können. Spielt man alleine, verkommt das Game bald zum Segelsimul­ator.

Das ist schade, denn die Idee, gemeinsam mit anderen zu Piratenleg­enden aufzusteig­en, birgt enormes Potenzial. Das man hier leider in weiten Teilen verschenkt hat. Das Testmuster wurde von Microsoft zur Verfügung gestellt.

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Seekämpfe gehören zu den lustigeren Aspekten in „Sea of Thieves“.

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