„Sea of Thieves“: Schätze, Grog und Langeweile
Das gehypte Piratenabenteuer zeigt Liebe zum Detail und verschenkt viel Potenzial
Twycross – Zusammen abenteuern, auf dem eigenen Schiff die Weltmeere bereisen, epische Gefechte zu Land und auf hoher See, Mythen, Schätze und – so wie es sich für anständige Seeräuber gehört – reichlich Grog. Monatelang hat das im beschaulichen 800Seelen-Dorf Twycross in Mittelengland ansässige Entwicklerstudio Rare den Freunden von Piratenszenarios mit „Sea of Thieves“den Mund wässrig gemacht. Nun hat das Spiel auf der Xbox One und Windows-PCs offiziell Kurs auf den Massenmarkt gesetzt.
Zu Beginn steht man vor der Entscheidung, ob man alleine oder zu mehreren in See stechen möchte. Abenteuert man solo oder im Duo, so erhält man dafür eine Schaluppe als schwimmfähigen Untersatz. Diese ist klein, schnell und wendig, allerdings nicht gut gepanzert und auch nur mit zwei Kanonen bestückt. Größere Teams mit bis zu vier Piraten sind auf Galeonen unterwegs. Hier kompensieren bessere Panzerung und sechs Kanonen die Behäbigkeit und die Tatsache, dass die Steuerung des Bootes mit zwei Segeln deutlich fordernder ist.
Grafisch hat man sich für einen comichaften Stil entschieden, der den „spaßigen“Zugang zum Seeräuberzeitalter betont. Dennoch begeistert die recht realistische Wasserdarstellung selbst physikalisch gut umgesetzten Wellengangs. Dazu gibt es athmosphärische Wettereffekte und den vermutlich schönsten Tag- und Nachtwechsel der jüngeren Spielegeschichte. Akustisch werden die Ohren von feinen Soundeffekten und Meeresrauschen verwöhnt. In der Taverne erschallt „zeitgenössische“Musik (oder was man heute eben dafür hält). Man kann auch gemeinsam musizieren – das Game synchronisiert dann die Spuren des jeweiligen Instruments, sodass dabei ein heiteres Lied herauskommt. Es ist leicht, sich zu Beginn in das Spiel zu verschauen. Doch die Liebe währt nicht allzu lange.
Schöne, öde Seefahrten
Es macht durchaus Spaß, gemeinsam und idealerweise mit einer Gruppe von Freunden das Meer unsicher zu machen. Die Unsicherheit, ob ein anderes Schiff am Horizont glockenläutend vorbeifährt oder eine Seeschlacht beginnt, sorgt für eine gewisse Spannung. Auch die Arbeitsteilung am Schiff und die Erfüllung der Missionen für die drei unterschiedlichen Fraktionen – Goldsammler, Handelsbund und Seelenorden – ist zu Anfang witzig. Wahlweise sucht und hebt man Schätze mittels einer Rätselkarte, fängt wilde Tiere und transportiert sie an einen bestimmten Ort, oder man legt sich mit Skelett-Crews an und liefert den Schädel des Kapitäns ab. Zudem kann man andere Spieler kapern und versuchen, etwaiger an Bord befindlicher Schatztruhen habhaft zu werden. Besonders bösartige Zeitgenossen verstecken sich auch bei den Außenposten, um anderen ihre Beute kurz vor ihrem Verkauf abzunehmen. Mit dem so erhaltenen Gold kann man sich bessere Waffen und andere Ausrüstung kaufen.
Das Problem: Mit der Zeit wird der Ablauf zur Routine und das Spiel eintönig. Das gilt auch für Seegefechte, die künstlich in die Länge gezogen werden. Solange das Schiff der Gegner oder das eigene nicht gesunken ist, taucht man nach dem Ableben in kurzer Zeit wieder dort auf. Es ist daher beispielsweise unmöglich, gegnerische Schiffe dauerhaft zu entführen. An sonstigen Inhalten fehlt es Sea of Thieves bis jetzt, was auch gelegentlich auftauchende Seemonster nicht kompensieren können. Spielt man alleine, verkommt das Game bald zum Segelsimulator.
Das ist schade, denn die Idee, gemeinsam mit anderen zu Piratenlegenden aufzusteigen, birgt enormes Potenzial. Das man hier leider in weiten Teilen verschenkt hat. Das Testmuster wurde von Microsoft zur Verfügung gestellt.