Der Standard

Schlachtha­us statt „Schutzzone“

Das Dokumentar­theater „Srebrenica“im Salzburger Schauspiel­haus hinterläss­t nachhaltig­en Eindruck

- Gerhard Dorfi

Salzburg – Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf. Nie ist dieses Diktum treffender als in Zeiten von Krieg und Verfolgung. In denen herrschen Zweifel – an der Menschlich­keit wie auch der eigenen Schuld. „Warum habe ich überlebt?“, so formuliert es Matthias Hinz, der im Salzburger Schauspiel­haus derzeit als Hasan Nuhanović auf der Bühne steht: Nuhanović gehört zu den wenigen Überlebend­en des Massakers vom Juli 1995, als 8372 Bosniaken in der Stadt Srebrenica unter den Augen einer UN-„Schutztrup­pe“ermordet wurden.

Nuhanović, der sein Überleben dem Status eines offizielle­n UNDolmetsc­hers verdankt, hat nicht nur zwei Bücher zum Thema verfasst, sondern auch die Niederland­e und verantwort­liche UN-Offiziere verklagt. Regisseur Peter Arp hat die Bücher von Nuhanović sowie Gespräche mit ihm theatralis­iert: Srebrenica ist Dokumentar­theater, das einen nachhaltig­en Eindruck hinterläss­t.

Der beginnt schon mit der kargen Bühne (Alexia Engl), die sich in der Mitte des Raums befindet und aus der verschiede­n hohe Stelen ragen. Sie erinnern an die Grabsteine des Friedhofs der Op- fer von Srebrenica, sie stehen aber auch für die Bäume in den Wäldern Bosniens. Im Sommer 2017 reiste das Team um Peter Arp nach Bosnien, um vor Ort die Stätten des Grauens zu besuchen.

Vater Ibro Nuhanović (Antony Connor), Mutter Nasiha (Ute Hamm), Hasans jüngerer Bruder Braco (Magnus Pflüger), die alle ermordet wurden, geben den Schilderun­gen emotionale Wucht, dagegen präsentier­t Erzählerin Ulrike Arp nüchterne Fakten. Die abenteuerl­iche Odyssee über die Berge Bosniens wird minimalist­isch inszeniert. Wirkung erzeugt das Sounddesig­n mit dem an- und abschwelle­nden Grollen der Kämpfe.

Den dokumentar­ischen Charakter betonen auch die Videoproje­ktionen an den Stirnseite­n des Bühnenraum­s, die bisweilen die Theatermac­her bei ihrer Bosnienrei­se zeigen. Das ist eine Art Protokoll des Recherchep­rozesses, das angesichts der Nachrichte­nbilder nicht wirklich überzeugt. Effektiver und stärker wirken einzelne Szenen aus der Geschichte von Nuhanović. Etwa der Abstieg über eine steile Schlucht zur Drina, eine Szene, die in völliger Dunkelheit inszeniert ist – und die bei aller Beklemmung mit absurden Details wie der Geschichte des Mannes und seiner fetten Mutter, die er über den Abhang mitschleif­t, Raum für schwarzen Humor lässt.

Wenn zu Beginn noch allgemein von Serben die Rede ist, wird die Sprache im zweiten Teil präziser: Es waren völkisch-nationalis­tische serbische Tschetniks, die sich im Bosnienkri­eg mit Gräueln hervortate­n. Dabei zeigt das Stück auch, dass es sich nicht nur um ein konkretes historisch­es Ereignis des Jugoslawie­nkriegs handelt, sondern die Conditio humana verhandelt wird. Bis 20.4.

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