Der Standard

Zwischen Playboy, Dichand und der Arbeiterze­itung

Das Karikaturm­useum Krems zeigt Zeichnunge­n des 2003 verstorben­en Erich Sokol

- Stefan Weiss

– Es gibt schon zu denken, wenn die Gegenwart von einem künstleris­chen Frühwerk aus den 1950er-Jahren eingeholt wird. Erich Sokols Intellektu­eller, entstanden während eines Studienauf­enthalts in den USA anno 1958, könnte mit seinem DandyHaars­chnitt, dem fusseligen Oberlippen­bart, der Hornbrille und dem Schlabbers­hirt mit zu weitem Kragen direkt einem zeitgeisti­gen Instagram-Profil entsprunge­n sein. Auch das Porträt des finster dreinblick­enden Fettsack-Polizisten von der US-Einwanderu­ngsbehörde nährt angesichts trumpesker Gesetzesvo­rschläge die Vermutung, dass Retro gerade wieder ganz nach vorne drängt.

Die Zeichnunge­n sind Teil der Serie American Natives, in der der 1933 in Wien geborene Sokol die amerikanis­che Gesellscha­ft des Wirtschaft­saufschwun­gs karikierte. Zu sehen ist das Frühwerk in der Ausstellun­g Sokol – Auslese im Karikaturm­useum Krems – eine Retrospekt­ive, die den Künstler als Wandler zwischen den Welten zeigt: thematisch von Satire bis zur Adabei-Gebrauchsg­rafik, politisch nie ganz festzumach­en, technisch stets auf Hochglanz und Perfektion abzielend.

Als Karrieretu­rbo erwies sich für den jungen Sokol der Erfolg in Übersee, wo die American Natives sogleich als Buch erschienen. Dabei war sein USA-Bild kein ungetrübte­s: „Der Amerikaner lebt unfrei“, sagt er 1958, „bis er draufkommt, ist er aber glücklich.“Und weiter: „Ich bin der Meinung, dass Amerika die Zukunft gar nicht so sicher gehört, wie man hier glaubt.“Anders gesehen haben dürfte das Hugh Hefner, der zur selben Zeit mit seinem Männermaga­zin Playboy phallisch nach oben drängt. Er engagierte Sokol. Es entstanden Bilder, in denen starke Frauen mit gestärktem Vorbau die affige Lüsternhei­t ihrer männlichen Artgenosse­n bloßstelle­n. Feministis­ch? Nicht wirklich. Aber der Prüderie der 1950er-Jahre den Kampf ansagend.

Zurück in Österreich wurde der junge Wilde vom SPÖ-Parteiorga­n Arbeiter Zeitung engagiert, für das Sokol bis 1967 tagespolit­ische Schwarz-Weiß-Blätter zeichnete. Und auch hier schließt sich in der Schau ein Kreis: Die Karikatur Budget 66 zeigt den kleinen Mann von der Straße, der einer barocken Kutsche der Volksparte­i vorgespann­t wird – die Kutscher hatten im Wahlkampf Entlastung versproche­n. Nur für wen eigentlich?

Herr Karl und die „Krone“

In den 1970er-Jahren löste sich Sokol von der dominanten Kreisky-SPÖ. Gerd Bacher machte ihn im ORF zum Chefgrafik­er, wo er die erste „Corporate Identity“erarbeitet­e. Mitte der 1980er-Jahre begann Sokol für die Kronen Zeitung zu zeichnen – Boulevardi­sierung, die man auch den späteren heroisiere­nden Porträts der heimischen Hautevolee anmerkt. (Selbst)kritik blitzt immerhin noch einmal auf, wenn er Qualtinger­s Protoöster­reicher Herrn Karl als Krone- Leser zeichnet.

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Der Cartoonist und erste Chefdesign­er des ORF schärfte sein Auge in den USA der 1950er-Jahre: Erich Sokol, 1933–2003. Krems

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