Fünf neue Sterne für Wien
In Budapest wurde am Montagabend der Michelin-Guide „Main Cities of Europe“präsentiert. Für Wien gab es einen kleinen Sterne-Regen.
Wenn Michelin ruft, dann kommen sie alle. Sterneköche aus ganz Europa verlassen für zwei Tage ihre Küchen, um an der Michelin-Zeremonie teilzunehmen. Montagabend war es das Castle Garden Bazaar in der Budpaester Innenstadt, in dem hunderte Sterneköche zur Preisverleihung des Guides „Main Cities of Europe“geladen waren. Mit strahlend weißen Kochjacken unter dem Arm werden die Küchenchefs in Bus und Boot zur EventLocation gebracht. Es gleicht mehr einem Klassentreffen als einer der wichtigsten Preisverleihungen in der Gastronomieszene. Die Stimmung ist gut, man freut sich, Kollegen und Weggefährten wiederzusehen. Der Aufwand scheint sich also zu lohnen, zumindest aus Sicht der Köche. „Bei uns hat es das damals nicht gegeben. Wir sind nicht einmal angerufen worden, als wir unseren zweiten Stern bekommen haben“, sagt Heinz Reitbauer vom Wiener Restaurant Steirereck. Er ist mit Kollegen wie Paul Ivic (Tian) und Silvio Nickol (Palais Coburg) nach Budapest gekommen.
In Oscar-Manier
Wie schnell die ausgelassene Stimmung umschlagen kann, zeigte die Michelin-Vergabe in Paris im Februar, bei der erstmals in der Geschichte des Gourmetführers die Sterne für die Frankreich-Ausgabe nach dem Oscar-Prinzip vergeben wurden. Anders als früher wusste niemand, ob er mit Sternen ausgezeichnet wird oder nicht. Entsprechend groß war die Enttäuschung bei jenen geladenen Köchen, die die Heim- reise ohne Auszeichnung antreten mussten. Man wolle Emotionen erzeugen, heißt es aus den Reihen der Verantwortlichen. Das wirkt an gewissen Stellen noch etwas holprig. Etwa wenn der internationale Direktor von Michelin, Michael Ellis, bei der Verleihung auf der Bühne betont freundschaftlich ruft: „Kommt, lasst uns noch ein Familienfoto machen!“Scheinbar will man sich vom konservativen Image des französischen Guides lösen. Kürzlich hat sich das Unternehmen mit der Buchungsplattform Book a Table zusammengetan, man tritt nun gemeinsam auf. Auch an anderen Internetlösungen wird gearbeitet, wie der Strategieverantwortliche Alexandre Taisne erzählt. „Online könnte man wesentlich mehr Infos publizieren. Um eine Bewertung – die Tester füllen mehrere Bögen aus – nachzuvollziehen, ist es wichtig, die Arbeit und die Philosophie des Kochs zu verstehen. Das lässt sich aus ein paar Sätzen nicht herauslesen“, sagt Traisne.
Die Philosophie einiger junger Wiener Köche haben die Tester offenbar verstanden, sieht man sich die Auszeichnungen an. Dieses Jahr wurden gleich vier neue Wiener Restaurants mit einem Stern ausgezeichnet. Neben dem Blue Mustard, in dem Anna Haumer und Partner Valentin Gruber-Kalteis vor rund einem Jahr die Küche übernommen haben, und dem Restaurant Das Loft im Sofitel, wurde auch das japanische Innenstadtrestaurant Shiki besternt. Die größte Überraschung dürfte aber der Stern für das reduzierte Konzept von Wolfgang Zankl und dessen Restaurant Pramerl & the Wolf gewesen sein. Dass ein CasualFine-Dining-Lokal in einem Wiener Uraltbeisl mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wird, hätten weder Kollegen noch der Küchenchef selbst geglaubt. „Es ist natürlich eine große Ehre für uns, auch wenn wir niemals damit gerechnet hätten“, sagt Zankl, der mit Souschef David Vit zur Verleihung angereist ist.
Zwei Sterne für Filippou
Die höchste Auszeichnung für Österreich gab es an diesem Abend für Konstantin Filippou. Sein gleichnamiges Restaurant in Wien wurde mit einem zweiten Stern bedacht. „Das ist eine Bestätigung für das, was wir täglich machen. Ich freue mich nicht nur für mich, sondern auch für meine tollen Mitarbeiter, die einen großartigen Job machen“, sagt Filippou. Andere Restaurants durften sich über die Auszeichnung „Bib Gourmand“(frische Küche mit gutem Preis-Leistungs-Verhältnis) freuen – etwa das Weinbistro Mast oder das Gasthaus Woracziczky in Wien. Bei all der Freude über die Auszeichnungen, ein ungutes Gefühl bleibt, nachdem es hierzulande noch immer kein einziges Drei-Sterne-Restaurant gibt. Dass nur Restaurants in Wien und Salzburg bedacht werden, liegt hingegen an der Tatsache, dass es für Österreich seit vielen Jahren keinen eigenen Guide Michelin mehr gibt. Pläne über die Neuauflage sollen aber zumindest im Laufen sein, hört man aus Kochkreisen an diesem Abend. Die Reise erfolgte auf Einladung von Michelin.