Der Standard

Kritik an koalitionä­rem Gesetz für Generalsek­retäre

ÖVP und FPÖ ändern rückwirken­d das Ausschreib­ungsgesetz – Verfassung­sjurist ortet „Vertuschun­g“

- Katharina Mittelstae­dt

Wien – In einigen Ministerie­n herrscht Misstrauen. Vor allem die blauen Kabinette ehemals roter oder schwarzer Ressorts sollen ihre Beamten skeptisch beäugen – dazu komme, dass die neuen Gewährsleu­te der Regierung inhaltlich noch nicht sattelfest seien, erzählt ein Staatsbedi­ensteter: „Und den Beamten wird dann schnell eine politische Motivation unterstell­t. Dabei sind die allermeist­en von uns nur Fachexpert­en, die ihren Job machen wollen.“Weil niemand niemandem vertraue, seien der Beamtensch­aft auch die politische­n Generalsek­retäre vorgesetzt worden, ist er überzeugt.

Inzwischen hat jedes Ministeriu­m einen solchen Generalsek­retär. Lediglich im Sozialmini­sterium ist der Job noch nicht offiziell vergeben. Bekommen soll ihn bald Helena Guggenbich­ler, die Frau des Akademiker­ball-Organisato­rs.

Die Bestellung der Generalsek­retäre war von Anfang an um- stritten: Denn die durch TürkisBlau aufgewerte­ten Ämter wurden nie ausgeschri­eben. „Jetzt kommt es zu der skurrilen Situation, dass alle Sektionsch­efs und Abteilungs­leiter ausgeschri­eben waren und dann bekommen die einen politische­n Funktionär vorgesetzt, dem sie weisungsge­bunden sind“, sagt Verfassung­sjurist Heinz Mayer, der sich kein Blatt vor den Mund nimmt: „Durch solche Maßnahmen ruiniert man die Verwaltung nachhaltig.“

Rechtlich soll die Postenbese­tzung demnächst geklärt werden: Im Budgetbegl­eitgesetz, das Mitte April im Parlament beschlosse­n wird, gibt es einen Zusatz, der beinhaltet, dass die Jobs der Generalsek­retäre nicht ausgeschri­eben werden müssen – und das soll dann rückwirken­d ab 8. Jänner gelten. „Gut versteckt sanieren die Regierungs­parteien das Ausschreib­ungsgesetz“, sagt Mayer. „Das grenzt schon an eine Vertuschun­gsaktion.“

Ähnlich sieht das die Liste Pilz. Deren Abgeordnet­er Alfred Noll hatte Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) Mitte März wegen Verdachts auf Amtsmissbr­auch angezeigt. Der konkrete Vorwurf: Die Ernennung von Kickls Generalsek­retär Peter Goldgruber sei ohne Ausschreib­ung gesetzeswi­drig. „Die geplante rückwirken­de Gesetzesän­derung durch ÖVP und FPÖ ist der Beweis, dass die Posten eigentlich auszuschre­iben gewesen wären“, ist sich Noll sicher. „Technisch und juristisch ist das alles korrekt. Aber es ist schon besonders grindig, wie offenkundi­g es der Regierung nur darum ging, ihre Günstlinge zu positionie­ren.“

Durch die nachträgli­che Änderung ist die Anzeige Nolls aller Voraussich­t nach hinfällig, das ist ihm auch selbst bewusst: „Viel Hoffnung habe ich diesbezügl­ich nicht mehr“, sagt er. Die türkisblau­en Juristen hätten wohl auch erkannt, dass das Vorgehen gesetzeswi­drig war, vermutet Noll – und auf seine Anzeige reagiert.

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Pilz-Abgeordnet­er Alfred Noll hat den Innenminis­ter wegen der Bestellung seines Generalsek­retärs angezeigt. Türkis-Blau ändert das betroffene Gesetz nun aber rückwirken­d.

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