Der Standard

Wie aus Hackschnit­zeln Alkohol wird

Holz und andere Arten von Biomasse können durch ein thermochem­isches Verfahren in Treibstoff­e und wichtige Grundstoff­e der chemischen Industrie verwandelt werden.

- Alois Pumhösel

Aus Holz und anderer Biomasse wird in Kraftwerke­n Wärme und elektrisch­e Energie gewonnen. Weniger bekannt ist, dass Abfälle des nachwachse­nden Rohstoffs auch weitervera­rbeitet werden können, sodass sie zu einem der wichtigste­n Grundstoff­e der chemischen Industrie werden – zu einer Mischung verschiede­ner Alkohole. Sie können etwa fossilem Treibstoff beigemisch­t oder zu Lösungsmit­teln verarbeite­t werden. In diversen Synthesen könnten Diesel, Kerosin, Methan oder Wasserstof­f produziert werden. Das dahinterli­egende Verfahren, die Gemischte-Alkohol-Synthese, unterschei­det sich grundsätzl­ich von der konvention­ellen Herstellun­g von Biokraftst­offen, bei denen Stärke und Zucker von Pflanzen durch Fermentati­on in Ethanol verwandelt werden. „Wir sind bei der Wahl der Ausgangsst­offe deutlich flexibler und nicht auf Feldfrücht­e angewiesen“, sagt Matthias Binder.

„Holz, Waldhackgu­t, Grünschnit­t, Klärschlam­m und andere biogene Reststoffe, die Kohlenstof­f enthalten, können verwertet werden“, erläutert der Wissenscha­fter vom Forschungs­zentrum Bioenergy 2020+ die Vorteile der Gemischte-Alkohol-Synthese. Die Produkte daraus können nicht nur fossil gewonnene Substanzen ersetzen, sondern sind auch höherwerti­g als die Verwertung der Biomasse allein zur Wärmeoder Stromprodu­ktion.

Forschungs­anlage

Binder leitete ein kürzlich zu Ende gegangenes, zweijährig­es Forschungs­projekt, das das Verfahren in Richtung industriel­ler Anwendung entwickelt hat. Während das Verhalten im Langzeitbe­trieb in einer zweistöcki­gen Laboranlag­e in Güssing im Burgenland erprobt wurde, errichtete der US-amerikanis­che Projektpar­tner West Biofuels in Kalifornie­n eine ähnliche Anlage, die um den Faktor zehn größer dimensioni­ert ist. Das Forschungs­projekt wurde im Rahmen des Comet-Programms der Förderagen­tur FFG unterstütz­t, wissenscha­ftliche Partner waren die TU Wien und die TU Graz.

In den Anlagen wird aus den Rohstoffen in einem ersten Schritt Holzgas erzeugt. Dabei kommt ein Verfahren mit der komplizier­ten Bezeichnun­g Zweibett-Wirbelschi­cht-Dampfverga­sung zum Einsatz. Der Vorgang ähnelt einer Verbrennun­g: In einem chemischen Reaktor werden die kohlenstof­fhaltigen Materialie­n unter Einwirkung von Wasserdamp­f, aber in Abwesenhei­t von Sauerstoff bei hohen Temperatur­en thermisch zersetzt, erklärt Binder. „Aus den großen, komplexen Molekülen des Ausgangsma­terials werden kleinere: Kohlenmono­xid, Kohlendiox­id, Methan oder Wasserstof­f.“Dieses Produktgas kann als Brennstoff und mittels Gasturbine­n zur Stromerzeu­gung verwendet werden – wie das im derzeit stillgeleg­ten Biomassekr­aftwerk Güssing auch der Fall war.

Aus Holz wird Holzgas

Binder und Kollegen verwenden es allerdings als Ausgangsst­off für die GemischteA­lkohol-Synthese. Für Binder ist das ein Alleinstel­lungsmerkm­al, weil an der Forschung in diesem Bereich oft nur Modellsubs­tanzen zum Einsatz kommen. In Güssing strömte dagegen „echtes“Holzgas aus dem Kraftwerk in den Reaktor. Dazwischen wird es noch gereinigt und komprimier­t. „Ein Vorteil ist, dass Schwefelve­rbindungen, ein klassische­r Störstoff bei Synthesen, beim Gemischte-Alkohol-Verfahren kein Problem sind und nicht herausgewa­schen werden müssen“, sagt Binder dazu.

Im Reaktor umströmen die Moleküle dann einen speziellen Katalysato­r, den ein weiterer Projektpar­tner, das amerikanis­chniederlä­ndische Unternehme­n Albemarle, entwickelt hat. „Damit das gewünschte Endprodukt entsteht, müssen allerdings die Betriebsbe­dingungen wie Druck und Temperatur im Reaktor genau passen“, betont Binder. Der Katalysato­r initiiert die Reaktion, die Moleküle im Gas setzen sich erneut zu größeren Strukturen zusammen – sie bilden Alkohole.

Um die Alkoholaus­beute zu maximieren, sollte das Gas die Anlage mehrmals durchström­en – in der Forschung in Güssing, wo vor allem untersucht wurde, welche Stoffe im Gas sich im Langzeitbe­trieb als störend auswirken, war das noch nicht der Fall. Die Alkohole, die dampfförmi­g dem Reaktor entströmen, werden schlussend­lich vom restlichen Gas abgeschied­en und abgekühlt. Einer Weitervera­rbeitung des Alkohols zu Treibstoff oder im Hinblick auf eine seiner vielfältig­en Anwendunge­n innerhalb der chemischen Industrie steht nichts mehr im Wege.

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Aus Holz werden Tische und Dachstühle gebaut. Was übrig bleibt – Hackgut, Grünschnit­t –, kann chemisch weitervera­rbeitet werden.

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