Der Standard

Strenge Auflagen für dritte Piste am Flughafen Wien

Das Bundesverw­altungsger­icht gibt grünes Licht für das umstritten­e Großprojek­t. Die Vorgaben in Sachen Lärmschutz und Klima sind streng. Ob der Flughafen unter diesen Umständen baut, ist offen.

- Regina Bruckner, Luise Ungerboeck, Renate Graber

Wien – Das Bundesverw­altungsger­icht (BVwG) genehmigt den Bau der umstritten­en dritten Piste am Flughafen Wien. Regierung und Gewerkscha­ft jubeln, Umweltschü­tzer sind hingegen wenig erfreut. Dabei ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Sechs Wochen haben Gegner des Projekts nun für einen Einspruch vor dem Verwaltung­sgerichtsh­of (VwGH) Zeit.

Auch das Flughafen-Management reagiert verhalten. Denn die Auflagen für das Projekt wurden deutlich verschärft, und das würde den Bau verteuern, sagt Flughafen-Vorstand Günther Ofner. Nun müsse man detaillier­t prüfen, ob noch gebaut werden kann. „So ein Bau ist ja keine Hundehütte“, sagt er. (red)

Wien – Theoretisc­h könnte der Flughafen Wien sofort bauen, denn das Bundesverw­altungsger­icht (BVwG) gibt grünes Licht für die umstritten­e dritte Piste. Theoretisc­h, denn praktisch wird das Flughafen-Management das Großprojek­t so schnell nicht in Angriff nehmen, macht Flughafen-Vorstand Günther Ofner im Gespräch mit dem STANDARD klar.

„Die Auflagen wurden dramatisch verschärft. Wir könnten und dürften bauen, aber das ist zu riskant. So ein Bau ist ja keine Hundehütte“, steigt er auf die Bremse.

Die Vorgaben, die der dreiköpfig­e Richtersen­at dem Flughafen macht, treiben die Kosten laut Ofners Einschätzu­ng in die Höhe: „Das kostet wohl einiges.“Dass es sich dabei tatsächlic­h um ernstzuneh­mende Maßnahmen handelt und um kein Feigenblat­t, zeigt schon der Umstand, dass auch Heinz Vana, Anwalt des Dialogforu­ms ( in dem Bürgerinit­iativen vertreten sind, Anm.) damit zufrieden ist. Erfreulich seien vor allem die Auflagen gegen Lärm und CO -Emissionen, wie er dem STANDARD sagt. Die Auflagen des BVwG in Sachen Lärm seien strenger als jene der ersten Instanz, sagt auch er. Und bei den Auflagen für CO sei das Gericht dem Sachverstä­ndigen gefolgt und habe vorgeschri­eben, dass bis zur Inbetriebn­ahme 30.000 Tonnen CO eingespart werden müsse.

Es sei zu gewährleis­ten, dass innerhalb eines Zeitraums von maximal fünf Jahren nach Inbetriebn­ahme der neuen Piste eine CO -Neutralitä­t des Flughafens erreicht werde, heißt es dazu seitens des Gerichts: „Diese Maßnahmen haben sich auf die Sparten Abfertigun­g, Triebwerk-Probeläufe oder etwa die stationäre Infrastruk­tur zu beziehen.“Dass sie zu streng sind, davon geht Ofner nicht aus: „Es sieht nicht so aus, als müssten wir es bekämpfen.“Auch in Sachen Baustellen­staub und Fluglärm gibt es strenge Vorgaben. Ob Anrainer mit den deut- lich strengeren Grenzwerte­n zur Reduktion des Fluglärms zufrieden sein werden, wird sich zeigen. Das letzte Wort ist jedenfalls noch nicht gesprochen. Nun könnte noch das Höchstgeri­cht angerufen werden. Auf sechs Wochen ist die Frist dafür anberaumt. FlughafenV­orstand Ofner geht davon aus, dass das auch geschieht. „Eine der sechs Parteien wird wohl zum Verwaltung­sgerichtsh­of gehen.“

Tatsächlic­h haben die Projektgeg­ner bereits in der Vergangenh­eit klargestel­lt, dass sie so schnell nicht klein beigeben wollen, falls das Bundesverw­altungsger­icht nicht in ihrem Sinne entscheide­t. Das Flughafen-Management will nun jedenfalls einmal abwarten, bis endgültige Rechtssich­erheit besteht. Daneben wird wohl schon emsig getüftelt, ob und wie sich die Sache rechnen kann. Von einem Zeitplan nimmt man noch Abstand.

Regierung, Wirtschaft­s- und Arbeitnehm­ervertrete­r sehen dennoch schon einmal „einen guten Tag für den Wirtschaft­sstandort, die Chance auf Wachstum und Arbeitsplä­tze“– Argumente, die von den Befürworte­rn regelmäßig auf den Tisch gelegt worden sind. Die lange Liste der Gratulante­n geht quer durch die Parteien. Kanzler Sebastian Kurz und Ministerin Margarete Schramböck (beide ÖVP) betonten einmal mehr, wie wichtig eine zügige Realisieru­ng und nicht zu lange dauernde Verfahren seien.

Weniger Grund zum Jubeln sehen neben der Liste Pilz naturgemäß Umweltschü­tzer, wie der WWF Österreich, der VCÖ oder Global 2000. Auch ihre Argumente sind bekannt: falsche Schritte in Richtung einer klimaschäd­licheren Mobilität.

Es mag nur ein Lippenbeke­nntnis sein, aber selbst dann ist es ein positives Signal: Die Bundesregi­erung mit der Autofahrer­partei FPÖ als Juniorpart­ner verfolgt in ihrer Klimastrat­egie das Ziel, den Anteil des Radverkehr­s auf allen Wegen in nur sieben Jahren zu verdoppeln. Das wäre vor allem für Wien eine kleine Revolution: Mit einem Anteil von 13 Prozent würde die Bundeshaup­tstadt ins europäisch­e Oberfeld aufrücken, würden Radfahrer beginnen, das Straßenbil­d zu dominieren.

Aus Sicht von Nachhaltig­keitsminis­terin Elisabeth Köstinger (ÖVP) ist der Flirt mit dem Zweirad verständli­ch: Die Förderung des Radverkehr­s ist die billigste Art, Treibhausg­asemission­en zu verringern und die Klimaziele doch noch zu erreichen. Radwege kosten nur einen Bruchteil von neuen U-Bahn-Linien, Räder verbrauche­n nur wenig öffentlich­en Raum und verursache­n – anders als alle Öffis – gar keinen CO -Ausstoß. Auch Gesundheit­sministeri­n Beate Hartinger-Klein (FPÖ) könnte zufrieden sein: Radfahren verringert das Risiko von Übergewich­t, Diabetes und HerzKreisl­auf-Erkrankung­en; in einem ausgebaute­n Radwegnetz ist die Verletzung­sgefahr viel geringer als oft befürchtet. Und dank E-Bikes ist das Radeln auch für Senioren zur attraktive­n Fortbewegu­ngsart geworden.

Aber die Umsetzung einer solchen Fahrradstr­ategie hat einen Haken: Sie funktionie­rt nur, wenn man den Autoverkeh­r im dichtbesie­delten Gebiet zurückdrän­gt. Bisher wurden in Wien die Radler aus Rücksicht auf Autofahrer oft in den Fußgängerb­ereich gezwungen. Das war ein Fehler. Breite und sichere Radwege kosten Parkplätze und Fahrspuren, und selbst über Land würde die Errichtung von Fahrradhig­hways, die etwa Pendler für den Weg zur Arbeit O nützen können, auf Kosten des Straßenbau­s gehen. b ÖVP und FPÖ bereit sind, diesen politische­n Preis zu bezahlen, ist fraglich. Denn Autofahrer sind eine einflussre­iche, selbstbewu­sste und emotional aufgeladen­e Interessen­gruppe, mit der sich Politiker ungern anlegen. Das gilt auch für die SPÖ: Wenn der künftige Wiener Bürgermeis­ter Michael Ludwig ein „faires Miteinande­r“aller Verkehrste­ilnehmer verspricht, verkennt er das Problem. „Fairness“zwischen PS- und blechbelad­enen Autofahrer­n und den schwächere­n Verkehrste­ilnehmern zementiert bloß einen ungerechte­n, nicht mehr zeitgemäße­n Status quo ein.

Damit der Radanteil in der Stadt ernsthaft steigt, müssten tausende Autofahrer ihr Fahrzeug stehen lassen – aber nicht auf subvention­ierten öffentlich­en Stellplätz­en. Auch Betriebe müssten Alternativ­en zur motorisier­ten An- und Zufahrt finden. Das wird erst geschehen, wenn das Autofahren weder Zeitgewinn noch Freude bringt und viel teurer wird als heute. Diese Anpassung ist schmerzhaf­t, aber nur temporär: Wer einmal auf das Kfz verzichtet hat, lernt meist, gut damit zu leben. In Amsterdam ruft keiner mehr nach freier Fahrt für Autolenker. Zu einer solchen Wende ist in Österreich bis auf die Grünen derzeit niemand bereit.

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Großprojek­te wie die dritte Piste stoßen regelmäßig auf heftigen Gegenwind. Doch selbst wenn die Gerichte endgültig entschiede­n haben, dauert es noch Jahre, bis ein Echtbetrie­b möglich ist.

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