Strenge Auflagen für dritte Piste am Flughafen Wien
Das Bundesverwaltungsgericht gibt grünes Licht für das umstrittene Großprojekt. Die Vorgaben in Sachen Lärmschutz und Klima sind streng. Ob der Flughafen unter diesen Umständen baut, ist offen.
Wien – Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) genehmigt den Bau der umstrittenen dritten Piste am Flughafen Wien. Regierung und Gewerkschaft jubeln, Umweltschützer sind hingegen wenig erfreut. Dabei ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Sechs Wochen haben Gegner des Projekts nun für einen Einspruch vor dem Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Zeit.
Auch das Flughafen-Management reagiert verhalten. Denn die Auflagen für das Projekt wurden deutlich verschärft, und das würde den Bau verteuern, sagt Flughafen-Vorstand Günther Ofner. Nun müsse man detailliert prüfen, ob noch gebaut werden kann. „So ein Bau ist ja keine Hundehütte“, sagt er. (red)
Wien – Theoretisch könnte der Flughafen Wien sofort bauen, denn das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) gibt grünes Licht für die umstrittene dritte Piste. Theoretisch, denn praktisch wird das Flughafen-Management das Großprojekt so schnell nicht in Angriff nehmen, macht Flughafen-Vorstand Günther Ofner im Gespräch mit dem STANDARD klar.
„Die Auflagen wurden dramatisch verschärft. Wir könnten und dürften bauen, aber das ist zu riskant. So ein Bau ist ja keine Hundehütte“, steigt er auf die Bremse.
Die Vorgaben, die der dreiköpfige Richtersenat dem Flughafen macht, treiben die Kosten laut Ofners Einschätzung in die Höhe: „Das kostet wohl einiges.“Dass es sich dabei tatsächlich um ernstzunehmende Maßnahmen handelt und um kein Feigenblatt, zeigt schon der Umstand, dass auch Heinz Vana, Anwalt des Dialogforums ( in dem Bürgerinitiativen vertreten sind, Anm.) damit zufrieden ist. Erfreulich seien vor allem die Auflagen gegen Lärm und CO -Emissionen, wie er dem STANDARD sagt. Die Auflagen des BVwG in Sachen Lärm seien strenger als jene der ersten Instanz, sagt auch er. Und bei den Auflagen für CO sei das Gericht dem Sachverständigen gefolgt und habe vorgeschrieben, dass bis zur Inbetriebnahme 30.000 Tonnen CO eingespart werden müsse.
Es sei zu gewährleisten, dass innerhalb eines Zeitraums von maximal fünf Jahren nach Inbetriebnahme der neuen Piste eine CO -Neutralität des Flughafens erreicht werde, heißt es dazu seitens des Gerichts: „Diese Maßnahmen haben sich auf die Sparten Abfertigung, Triebwerk-Probeläufe oder etwa die stationäre Infrastruktur zu beziehen.“Dass sie zu streng sind, davon geht Ofner nicht aus: „Es sieht nicht so aus, als müssten wir es bekämpfen.“Auch in Sachen Baustellenstaub und Fluglärm gibt es strenge Vorgaben. Ob Anrainer mit den deut- lich strengeren Grenzwerten zur Reduktion des Fluglärms zufrieden sein werden, wird sich zeigen. Das letzte Wort ist jedenfalls noch nicht gesprochen. Nun könnte noch das Höchstgericht angerufen werden. Auf sechs Wochen ist die Frist dafür anberaumt. FlughafenVorstand Ofner geht davon aus, dass das auch geschieht. „Eine der sechs Parteien wird wohl zum Verwaltungsgerichtshof gehen.“
Tatsächlich haben die Projektgegner bereits in der Vergangenheit klargestellt, dass sie so schnell nicht klein beigeben wollen, falls das Bundesverwaltungsgericht nicht in ihrem Sinne entscheidet. Das Flughafen-Management will nun jedenfalls einmal abwarten, bis endgültige Rechtssicherheit besteht. Daneben wird wohl schon emsig getüftelt, ob und wie sich die Sache rechnen kann. Von einem Zeitplan nimmt man noch Abstand.
Regierung, Wirtschafts- und Arbeitnehmervertreter sehen dennoch schon einmal „einen guten Tag für den Wirtschaftsstandort, die Chance auf Wachstum und Arbeitsplätze“– Argumente, die von den Befürwortern regelmäßig auf den Tisch gelegt worden sind. Die lange Liste der Gratulanten geht quer durch die Parteien. Kanzler Sebastian Kurz und Ministerin Margarete Schramböck (beide ÖVP) betonten einmal mehr, wie wichtig eine zügige Realisierung und nicht zu lange dauernde Verfahren seien.
Weniger Grund zum Jubeln sehen neben der Liste Pilz naturgemäß Umweltschützer, wie der WWF Österreich, der VCÖ oder Global 2000. Auch ihre Argumente sind bekannt: falsche Schritte in Richtung einer klimaschädlicheren Mobilität.
Es mag nur ein Lippenbekenntnis sein, aber selbst dann ist es ein positives Signal: Die Bundesregierung mit der Autofahrerpartei FPÖ als Juniorpartner verfolgt in ihrer Klimastrategie das Ziel, den Anteil des Radverkehrs auf allen Wegen in nur sieben Jahren zu verdoppeln. Das wäre vor allem für Wien eine kleine Revolution: Mit einem Anteil von 13 Prozent würde die Bundeshauptstadt ins europäische Oberfeld aufrücken, würden Radfahrer beginnen, das Straßenbild zu dominieren.
Aus Sicht von Nachhaltigkeitsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) ist der Flirt mit dem Zweirad verständlich: Die Förderung des Radverkehrs ist die billigste Art, Treibhausgasemissionen zu verringern und die Klimaziele doch noch zu erreichen. Radwege kosten nur einen Bruchteil von neuen U-Bahn-Linien, Räder verbrauchen nur wenig öffentlichen Raum und verursachen – anders als alle Öffis – gar keinen CO -Ausstoß. Auch Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) könnte zufrieden sein: Radfahren verringert das Risiko von Übergewicht, Diabetes und HerzKreislauf-Erkrankungen; in einem ausgebauten Radwegnetz ist die Verletzungsgefahr viel geringer als oft befürchtet. Und dank E-Bikes ist das Radeln auch für Senioren zur attraktiven Fortbewegungsart geworden.
Aber die Umsetzung einer solchen Fahrradstrategie hat einen Haken: Sie funktioniert nur, wenn man den Autoverkehr im dichtbesiedelten Gebiet zurückdrängt. Bisher wurden in Wien die Radler aus Rücksicht auf Autofahrer oft in den Fußgängerbereich gezwungen. Das war ein Fehler. Breite und sichere Radwege kosten Parkplätze und Fahrspuren, und selbst über Land würde die Errichtung von Fahrradhighways, die etwa Pendler für den Weg zur Arbeit O nützen können, auf Kosten des Straßenbaus gehen. b ÖVP und FPÖ bereit sind, diesen politischen Preis zu bezahlen, ist fraglich. Denn Autofahrer sind eine einflussreiche, selbstbewusste und emotional aufgeladene Interessengruppe, mit der sich Politiker ungern anlegen. Das gilt auch für die SPÖ: Wenn der künftige Wiener Bürgermeister Michael Ludwig ein „faires Miteinander“aller Verkehrsteilnehmer verspricht, verkennt er das Problem. „Fairness“zwischen PS- und blechbeladenen Autofahrern und den schwächeren Verkehrsteilnehmern zementiert bloß einen ungerechten, nicht mehr zeitgemäßen Status quo ein.
Damit der Radanteil in der Stadt ernsthaft steigt, müssten tausende Autofahrer ihr Fahrzeug stehen lassen – aber nicht auf subventionierten öffentlichen Stellplätzen. Auch Betriebe müssten Alternativen zur motorisierten An- und Zufahrt finden. Das wird erst geschehen, wenn das Autofahren weder Zeitgewinn noch Freude bringt und viel teurer wird als heute. Diese Anpassung ist schmerzhaft, aber nur temporär: Wer einmal auf das Kfz verzichtet hat, lernt meist, gut damit zu leben. In Amsterdam ruft keiner mehr nach freier Fahrt für Autolenker. Zu einer solchen Wende ist in Österreich bis auf die Grünen derzeit niemand bereit.