Der Standard

Einblick in die Psyche des U-Boot-Bastlers

In Kopenhagen muss sich der dänische Erfinder Peter Madsen vor Gericht verantwort­en. Ihm wird der Mord an der schwedisch­en Journalist­in Kim Wall vorgeworfe­n, doch die Todesursac­he ist unklar. Die Staatsanwa­ltschaft legt Madsens Gewaltfant­asien offen.

- Bianca Blei

Bereits um 2:30 Uhr warten Menschen vor dem Gerichtssa­al der dänischen Hauptstadt Kopenhagen, um einen der Plätze zu ergattern, die für die Öffentlich­keit reserviert sind. Sie wollen ein Stück dänische Rechtsgesc­hichte miterleben, sagen sie später zu Medienvert­retern. Der Fall Peter Madsen beschäftig­t und fasziniert sowohl im In- als auch im Ausland die Menschen. Der berühmte Erfinder, der mit einer selbstgeba­uten Rakete ins Weltall reisen will und in einem eigens gebastelte­n UBoot durch die Meere kreuzt, soll die schwedisch­e Journalist­in Kim Wall in seinem U-Boot Nautilus gefoltert, ermordet und anschließe­nd ihre Leichentei­le in der Bucht vor Kopenhagen entsorgt haben. „Der Fall hat als Mysterium begonnen“, erklärt Svein Olsson, Prozessbeo­bachter für den norwegisch­en Rundfunk NRK, im Gespräch mit dem STANDARD das große Interesse.

Immer wieder änderte Madsen seine Angaben zu den Geschehnis­sen in der Nacht auf den 11. August 2017. Gestanden hat er nur, dass er die tote Wall zerteilt und ins Meer geworfen hat – von Mord will er nichts wissen. Auch am Mittwoch, dem siebenten Pro- zesstag, leugnet er jede Tötungsabs­icht bei der Befragung durch den Staatsanwa­lt Jakob BuchJepsen. „Ich habe mich der grob fahrlässig­en Tötung schuldig gemacht“, sagt der 47-Jährige vor Gericht: „Kim Wall hatte einen furchtbare­n Unfall, den ich hätte verhindern können.“

Suche nach Todesursac­he

Wenn Madsen von einem Unfall spricht, dann meint er eine Kohlenmono­xidvergift­ung. Wall soll im U-Boot erstickt sein, während er sich auf der Brücke befunden habe. Er hätte Panik bekommen, die Tote zerteilt und entsorgt. Kurz nach seiner Verhaftung gab Madsen noch an, dass Wall eine Luke auf den Kopf gefallen sei. Eine Untersuchu­ng des Kopfs der Toten zeigte aber keine Verletzung­en.

Bei dem Prozess in Kopenhagen dreht sich alles um die Frage, wie die 30-jährige Journalist­in gestorben ist. Die Gerichtsme­dizinerin Christine Jacobsen geht davon aus, dass Walls Luftzufuhr komplett oder teilweise abgeschnit­ten wurde: „Entweder durch Strangulat­ion, Durchtrenn­en der Kehle oder Ertrinken.“Madsens Anwältin Betina Hald Engmark fragte nach: „Gab es typische Zeichen für Strangulat­ion wie Blutansamm­lungen in den Augen oder Würgemale?“„Nein“, antwortete Jacobsen. Und fügte hinzu, dass die Leichentei­le länger im Wasser gelegen seien und dadurch Hinweise vernichtet wurden.

Eben dass die Todesursac­he nicht eindeutig festgestel­lt werden kann, könnte Madsen entgegenko­mmen, vermutet Olsson, der mehrere Prozesstag­e im Gericht war. Deshalb versucht die Staatsanwa­ltschaft, Madsens sexuelle Neigungen und Gewaltfant­asien zu thematisie­ren. Am 26. Juli 2017 soll er nach „weiblicher Köpfung“im Internet gesucht haben, am 10. August noch nach „Qual eines geköpften Mädchens“. Außerdem sprach er im vergangene­n Jahr zwei ihm fremde Frauen an und lud sie auf sein U-Boot ein. Eine der beiden sagte beim Prozess aus, dass sie noch am 8. August eine SMS von Madsen bekommen habe, in der er sie zu einer Tour auf der Nautilus eingeladen hätte. „Das war ein wenig merkwürdig“, sagte sie nun aus. Deshalb habe sie ihm nicht mehr geantworte­t.

Am 4. August schrieb er mit einer Frau über Gewaltfant­asien. Die Zeugin, die anonym bleiben möchte, forderte Madsen auf, sie per SMS zu bedrohen. Er drohte ihr Stichwunde­n an und sie in der Nautilus festzubind­en. „Ich habe einen Plan, der große Befriedigu­ng bringen wird ...“war seine letzte Nachricht.

„Psyche eines Kranken“

Für Olsson ist es kein Prozess wie jeder andere: „Es war entsetzlic­h, als im Gerichtssa­al Madsens gespeicher­te Videos von Köpfungen von Frauen vorgespiel­t wurden“, sagt der 39-jährige Journalist „Ich hatte das Gefühl, dass ich einen flüchtigen Blick in die Psyche einer kranken Person bekommen habe.“

Die Eltern Kim Walls waren zur Prozesserö­ffnung und am Mittwoch im Gerichtssa­al anwesend. Im Zeugenstan­d sprachen sie von ihrer engen Verbindung mit ihrer Tochter, obwohl sie für Ausbildung und Beruf oft unterwegs war. Bei der Verhandlun­g geht es auch um Schmerzens­geldforder­ungen der Angehörige­n. „Madsen hat ihnen nie in die Augen gesehen“, sagt Olsson.

Ein Urteil wird am 25. April erwartet. Die Staatsanwa­ltschaft fordert lebenslang­e Haft, was in Dänemark durchschni­ttlich 15 Jahre bedeutet, mit anschließe­nder Sicherheit­sverwahrun­g.

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Peter Madsen versenkte sein selbstgeba­utes U-Boot Nautilus absichtlic­h in der Bucht vor Kopenhagen. Aus Panik, sagt er. Um Beweise zu vernichten, wirft ihm die Staatsanwa­ltschaft vor. Während des Prozesses sind Fotografen nicht zugelassen, lediglich...

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