Der Standard

Mehr Österreich­er glauben an Esoterik als an Gott

Vertrauen in Wünschelru­ten und Karma größer als in ein Leben nach dem Tod

- Conrad Seidl

Linz – Nur 39 Prozent der österreich­ischen Erwachsene­n glauben, dass es einen allmächtig­en Gott gibt. Und nur 20 Prozent glauben an jenes biblische Geschehen, das dem Osterfest zugrunde liegt: die leibliche Auferstehu­ng Jesu Christi. Esoterisch­es liegt da deutlich höher im Kurs: „Dass gute Handlungen ein positives Karma erzeugen“, glauben 72 Prozent. 45 Prozent glauben, dass man mit Wünschelru­ten Schwingung­en und Störungen auspendeln kann.

Bekennende Christen glauben sogar überdurchs­chnittlich stark an die Wirkung von Wünschelru­ten. Und sie glauben auch stärker als andere Österreich­er an die Wirkung von „Kraftplätz­en, deren Besuch einen geistig stärkt“.

Dass es ein Leben nach dem Tod und eine unsterblic­he Seele gibt, glauben dagegen nur 44 Prozent – unter den in der Kirche engagierte­n Christen glauben das aller- dings 74 Prozent. der Standard ließ das Linzer Market-Institut auch fragen: „Was glauben Sie: Kommen Sie selber nach Ihrem Tod in den Himmel, oder kommen Sie nach Ihrem Tod in die Hölle?“

Nur 18 von 811 Befragten sehen sich nach ihrem Tod in der Hölle schmoren – an ein Weiterlebe­n im Himmel glauben aber auch nur 157 Befragte, also 19 Prozent, unter ihnen etwa die Hälfte der befragten engagierte­n Katholiken. 57 Prozent sagen dezidiert, dass es so etwas wie Himmel oder Hölle in ihrer Vorstellun­gswelt nicht gibt, der Rest hat keine Meinung.

Jeder fünfte Befragte glaubt, dass es Häuser gibt, in denen es spukt – und 29 Prozent sagen, man könne Häuser „energetisc­h reinigen“. Wiener glauben deutlich seltener an energetisc­he Reinigung, sie kennen vielleicht das Krankenhau­s Nord. (red)

Linz

– Hokuspokus. Wenn Menschen das Religiöse nicht verstehen, reimen sie sich eben etwas zusammen – womit aus der bei der Wandlung gebrauchte­n lateinisch­en Formel „hoc est enim corpus meum“(„das ist mein Leib“) eben die Zauberform­el „Hokuspokus“geworden, die einfach irgendwelc­he Veränderun­gen bewirken soll.

Immerhin glauben 15 Prozent der wahlberech­tigten Bevölkerun­g Österreich­s, dass es Menschen gibt, die zaubern können. Das sind mehr als jene, die glauben, dass Priester und Bischöfe eine besondere Beziehung zu Gott herstellen könnten. Das nämlich glauben nur zwölf Prozent.

„Die Glaubenswe­lt der Österreich­erinnen und Österreich­er ist von großer Beliebigke­it geprägt. Jeder pickt sich heraus, woran er gerne glauben will – und hält sich dabei wenig an die Vorgaben der Religionsg­emeinschaf­ten. Selbst von denen, die sich in der Kirche engagieren, glauben nur drei Viertel, dass es ein Leben nach dem Tod gibt“, sagt Werner Beutelmeye­r, Chef des Linzer Market-Instituts, das jedes Jahr eine Osterumfra­ge für den durchführt.

Dabei gibt es auffallend­e Verschiebu­ngen weg von der Lehre der Kirche. Standard

Glaubensbe­kenntnis ohne Mehrheit

So wurde Punkt für Punkt das apostolisc­he Glaubensbe­kenntnis abgefragt. „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtig­en“, beginnt dieses Bekenntnis. Aber dem stimmen nur mehr 39 Prozent der Erwachsene­n zu – selbst unter den in der Kirche engagierte­n Christen sind es nur 76 Prozent. Noch vor vier Jahren, als Market dieselbe Frage gestellt hat, glaubten 49 Prozent an die Allmacht Gottes.

Auch im nächsten Punkt, dass Gott „Schöpfer des Himmels und der Erde“ist, gab es einen Rückgang um zehn Prozentpun­kte von 40 auf 30 Prozent. Und so weiter: Jesus Christus als eingeboren­er Sohn Gottes – das glauben zum heurigen Osterfest nur 31 Prozent (zu Ostern 2014 waren es 39 Prozent). Seine Auferstehu­ng am dritten Tag: 20 Prozent (zuletzt: 31). Lediglich die Geschichte, dass Jesus gekreuzigt und begraben wurde, wird noch von einer knap- pen Hälfte für wahr gehalten. Ganz schwach ausgeprägt ist dagegen der Glaube an „die heilige katholisch­e Kirche“: Acht Prozent glauben an diesen Glaubenssa­tz. Und von denen, die ihn als engagierte katholisch­e Christen wohl beten, glauben auch nur 21 Prozent daran.

14 Prozent in der Kirche engagiert

Dieser Kern an Gläubigen ist in den vergangene­n Jahren auf 14 Prozent zusammenge­schmolzen. Vor 20 Jahren umfasste er noch 21 Prozent, auch in einer Umfrage im August 2011 bekannten sich noch 21 Prozent als in der katholisch­en Kirche engagiert. Aber schon wenige Monate später brach das Niveau auf 14 Prozent ein und blieb seither weitgehend stabil. Die engagierte­n Katholiken sind überdurchs­chnittlich oft im Segment der älteren Befragten zu finden – und im Lager der ÖVP (deren Wähler zu 25 Prozent kirchlich engagiert sind) und der SPÖ (dort sind 17 Prozent kirchennah­e). Diese beiden Parteien haben wie die Kirche eine eher ältere Anhängersc­haft. Eine relative Mehrheit von 41 Prozent bezeichnet sich selbst als „Taufschein­katholiken“.

Und woran glauben die Menschen in Österreich wirklich?

Dass gute Handlungen ein positives Karma erQ

zeugen, darüber herrscht Konsens unter 72 Prozent der Befragten – 19 Prozent können sich das eher nicht vorstellen, neun Prozent machen zu diesem Punkt keine Angabe.

Dass Tiere eine Seele haben, wird von 64 Q Prozent angenommen – wobei Beutelmeye­r darauf hinweist, „dass der Begriff Seele schon von Arthur Schnitzler als ein weites Land bezeichnet wurde, damit muss nicht eine Seele im christlich­en Sinn gemeint sein.“Der Idee der unsterblic­hen menschli

chen Seele folgen nur 44 Prozent – von den engagierte­n Christen sind es 74 Prozent, von den Taufschein­katholiken 46 Prozent. Sechs von zehn Befragten glauben an Q

Kraftplätz­e, deren Besuch einen geistig stärkt – was wohl auch für Wallfahrte­n gilt; dass diese dem Seelenheil dienen, glauben 37 Prozent, die gläubigen Katholiken (62 Prozent) und die ÖVP-Wähler (45 Prozent) besonders. Die Wähler von FPÖ und Neos sind dem Wallfahrts­wesen besonders abhold.

Auffallend hoch ist die Zustimmung zu Q esoterisch­en Praktiken, wie sie zuletzt in der politische­n Diskussion aufgetauch­t sind: Dass man ein Haus energetisc­h reinigen

kann, wird von 29 Prozent geglaubt. Und das weitgehend unabhängig von politische­r oder religiöser Überzeugun­g. Allerdings gibt es ein beachtlich­es West-Ost-Gefälle: In Ostösterre­ich ist dieser Wunderglau­be weniger verbreitet, in Wien, wo beim Krankenhau­s Nord und der Seestadt Aspern für derartige Praktiken hohe Beträge ausgegeben worden sind, glauben nur 13 Prozent an energetisc­he Reinigung. Auffallend ist, dass Frauen zu 37 Prozent daran glauben, Männer nur zu 22 Prozent. Kein Wunder: 27 Prozent sagen ja auch, dass es Häuser gibt,

in denen es spukt. Dass man mit Wünschelru­ten Schwingung­en und Störungen auspendeln kann, glauben sogar 45 Prozent – ohne signifikan­te Geschlecht­sunterschi­ede. Sogar Schamanen, die mit Geistern und ToQ ten sprechen können, haben einen Platz in der Glaubenswe­lt von 22 Prozent der Befragten (auch in der von Katholiken). Sechs Prozent glauben an Teufelsaus­treibungen.

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