Der Standard

Kopf des Tages

Aprilscher­ze als Brauchtum des derben Humors

- Conrad Seidl

Der Aprilscher­z ist jahrhunder­tealter deutscher Brauch – und Unsitte zugleich. Auch Goethe stellte sich dem derben Humor.

Der Aprilscher­z ist eine Herausford­erung in jedem Sinne: eine Herausford­erung der Glaubwürdi­gkeit dessen, der ihn macht; eine Herausford­erung des Vertrauens dessen, dem er gespielt wird; eine Herausford­erung ist es schließlic­h, sich nicht allzu sehr zu ärgern, wenn man hereingefa­llen ist und das Gegenüber lachend „April! April!“ruft. Sondern mitzulache­n.

Dieses Lachen soll befreiend wirken. Es auszulösen hat lange Tradition: Schon bei den Saturnalie­n der römischen Antike (die allerdings nicht im April, sondern im Dezember stattgefun­den haben), wurden scherzhaft Rollen getauscht und die Herren ausnahmswe­ise von den Sklaven lächerlich gemacht. Man kehrt ja danach zur strengen Ordnung zurück. Vielleicht sogar noch strenger als zuvor, man hat ja kurz Dampf abgelassen.

Dass das in unserer Kultur gerade am 1. Apil passiert, hat womöglich mit der Überliefer­ung zu tun, dass der 1. April der Geburtstag (nach anderer Lesart der Todestag) des Judas Ishkarioth, der Jesus an die Römer ausgeliefe­rt hat, sein soll. Der Tag wäre demnach ein Unglücksta­g. Und weiterem Unglück beugt man vor, indem man sich mit Humor wappnet. Dieser Humor besteht oft darin, andere „in den April zu schicken“– und zwar nicht nur, indem man sie eine falsche Aussage glauben lässt, sondern indem man ihnen einen unmögliche­n Auftrag erteilt.

Brauerlehr­lingen wurde etwa angeschaff­t, sie sollten „einen Hund schießen“, was der Eingeweiht­e als Auftrag versteht, ein Bier aus dem Lagertank zu zwickeln – der Neuling aber nicht enträtseln kann. Übel war auch dran, wer in die Apotheke geschickt wurde, um etwas Mückenfett einzukaufe­n, wer auf seinem Einkaufsze­ttel Gänsemilch fand oder beim Fleischhau­er um gehackte Flohbeine anfragen musste.

Die Sitte dürfte auf das 16. Jahrhunder­t zurückgehe­n, im Deutschen ist das Aprilschic­ken aber erst seit dem Kriegsjahr 1618 belegt. Goethe reimte später: „Den ersten April musst überstehn, dann kann dir manches Gute gescheh’n.“

Das gilt aber noch mehr für Frankreich: Dort galt der 1. April bis 1564 als Jahresbegi­nn – wer den Jahreswech­sel irrtümlich weiter im April feierte, machte also einen Fehler. Weil man zum Jahresbegi­nn aber Fisch isst, gibt es in Frankreich den Brauch, am 1. April einer heimlich verehrten Frau eine Grußkarte mit dem Bild eines Fisches zu schicken. Und weniger verehrten Menschen einen Papierfisc­h an den Rücken zu heften. Hinterrück­s werden sie dann ausgelacht.

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Foto: Getty Aprilfeier­n mit Goethe: Er riet, sich nicht in den April schicken zu lassen.

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