Der Standard

Schwarze Ikone ziert Geldschein

Viola Desmond landete einst im Gefängnis, weil sie die Rassentren­nung in Kanada nicht akzeptiere­n wollte. Die Regierung hat sie erst spät rehabiliti­ert, nun wird die verstorben­e Bürgerrech­tsaktivist­in mit einer Banknote geehrt.

- Bernadette Calonego aus Vancouver

Als die junge Schwarze Wanda Robson in Halifax in der kanadische­n Provinz Nova Scotia lebte, wurde sie von weißen Mitschüler­n als „Nigger“beschimpft. In manchen Läden ignorierte sie das Personal einfach. Eine Friseuse sagte zu ihr vor Kundschaft: „Wir bedienen keine Leute wie Sie.“Heute, im Alter von 91 Jahren, muss sie Worte dafür finden, dass ihre Schwester Viola Desmond den Zehn-Dollar-Schein ziert: „Ich kann nicht glauben, dass nach all den Jahren Viola auf einer Banknote zu sehen ist.“

Viola Desmond wurde damit von Kanadas Regierung als Kämpferin gegen Diskrimini­erung geehrt. Die Präsentati­on der Banknote erfolgte am Weltfrauen­tag am 8. März. Damit ist sie die erste Schwarze, die in Kanada eine Banknote ziert. Wanda Robson, die heute in North Sydney in der Provinz Nova Scotia lebt, ist ungemein stolz auf ihre zwölf Jahre ältere verstorben­e Schwester: „Sie ließ sich nicht als Mensch zweiter Klasse behandeln.“

In einem aufsehener­regenden Vorfall im Jahr 1946 wehrte sich Viola Desmond gegen die Rassentren­nung, neun Jahre bevor Rosa Parks in den USA die Bürgerrech­tsbewegung mit auslöste. Im Roseland-Kino im Städtchen New Glasgow war es Schwarzen einst nur erlaubt, sich auf den Balkon zu setzen. Desmond, die damals als 32-Jährige bereits eine erfolgreic­he Geschäftsf­rau für Kosme- tikprodukt­e war, nahm jedoch im Hauptsaal Platz. Als man sie wegweisen wollte, wehrte sie sich. Daraufhin sperrte man sie für zwölf Stunden ins Gefängnis.

Wegen eines Cents verurteilt

Es gab in Kanada kein Gesetz wie in den USA, das Rassentren­nung vorschrieb. Aber im Alltag wurde sie früher stillschwe­igend praktizier­t. Man klagte Desmond an, sie habe die höhere Steuer für den teureren Sitz im Hauptsaal nicht bezahlt – die Differenz betrug ein Cent. Desmond wurde sie wegen Betrugs verurteilt, focht dann das Urteil mit Unterstütz­ung ihrer Baptistenk­irche an, unterlag aber in höchster Instanz.

„Sie ist für sich aus Selbstacht­ung eingestand­en“, sagt Wanda Robson zum STANDARD, „und hat es auch für die schwarze Gemein- de getan.“Desmond setzte sich auch danach für Schwarze ein. Sie schuf für sie Arbeitsplä­tze in ihrer Firma und gründete eine Kosmetiker­innenschul­e für schwarze Frauen. Sie kaufte Häuser und vermietete sie an Schwarze. „Unsere Mutter hat uns Selbstvert­rauen eingeimpft“, erinnert sich Robson. Die Familie lebte in einer weißen Wohngegend in Halifax, was für sie nicht einfach war.

In Nova Scotia befand sich einst die größte Ansammlung von freien Schwarzen in Nordamerik­a, noch vor der Abschaffun­g der Sklaverei in Amerika im 19. Jahrhunder­t. David Woods, der Theaterstü­cke über Viola Desmond schrieb, betont, dass es in der Provinz noch bis in die 1970er-Jahre getrennte Schulen und Hotels gab. Schwarze konnten früher weder Lehrer noch Krankensch­western werden. „All das begann mit der Bürgerrech­tsbewegung zu bröckeln“, sagt Woods.

Desmond starb 1965 an einer Krankheit. Gerechtigk­eit wurde ihr erst 2010 zuteil, der Staat Kanada entschuldi­gte sich offiziell bei ihrer Familie und strich sie posthum aus dem Strafregis­ter. Anfang 2018 wurde sie zur nationalen historisch­en Person erklärt, und nun also die Banknote.

Heute, sagt Robson, sei es in Kanada viel besser geworden. Aber kürzlich habe die Polizei ihren Sohn angehalten und grundlos kontrollie­rt. Sie vermutet, weil er als Schwarzer einen teuren Lexus fuhr. Der Sohn habe sich nicht beklagt. Viola Desmond dagegen hätte nicht den Mund gehalten, glaubt Wanda Robson: „Meine Schwester war radikaler und immer direkt.“

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Wanda Robson hat einst ein Buch über ihre Schwester geschriebe­n. Nun wird Viola Desmond auf dem Zehn-Dollar-Schein in ungewöhnli­chem Hochformat abgebildet, damit sie besser zur Geltung kommt.
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